Kapitel 01 | »Wodka-Cola«

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»LILYS.POINT.OF.VIEW.AT.THE.PARTY.«

,,Einmal Wodka-Cola, bitte!'', rief ich dem gut aussehenden Barkeeper zu, der konzentriert ein Glas mit einem hellen Geschirrtuch abtrocknete und schwach zum Beat der Musik mitwippte. Er warf mir einen kurzen Blick aus seinen dunklen Augen zu und nickte kaum merklich, was mich leise seufzen ließ. Jetzt half nur noch eins, damit ich wenigstens etwas Spaß auf dieser Party haben konnte und sich meine Stimmung heben konnte. 

Alkohol. 

Meine Nerven lagen nach den letzten vier Monaten komplett blank und ich war an einem Punkt angekommen, den ich niemals erreichen wollte. Es war niemals mein Plan gewesen hier zu enden und mich so miserabel zu fühlen. Ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte, denn momentan war es aussichtslos und ich war ratlos. Das ich mich erneut auf Colton eingelassen hatte war genauso unnötig, wie mich hier zu betrinken ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Es war sinnlos auf diese Art und Weise meine Probleme zu lösen, aber was sollte ich sonst dagegen tun? 

Ich zog meine Augenbrauen kaum merklich zusammen und blinzelte die verräterischen Tränen weg, welche sich langsam in meinen Augen ansammelten. Mit gesenktem Blick betrachtete ich gedankenverloren das durchsichtige Glas mit seiner dunkelbraunen Flüssigkeit in meiner rechten Hand, welches mir vor ein paar Sekunden vor die Nase geschoben wurde. Würde mich jemand danach fragen, wie es mir ginge, wüsste ich keine Antwort darauf. Ich fühlte mich komplett ausgelaugt und wusste nicht, wie sich das ändern könnte. Galt mein Zustand einer Art von Trauer? Nein, nicht mal so empfand ich gerade. Trauer beschrieb es nicht ansatzweise, denn es war etwas anderes, viel mehr belastenderes und fast schon zerreißendes Gefühl.

Ich fühlte mich leer.

Eine unbeschreibliche Leere hatte sich in mir ausgebreitet und übernahm jede einzelne Zelle meines Körpers. Das traf es auf den Punkt. Überall schien sie vorhanden zu sein und mich damit überschwemmt zu haben, als würde es keinem anderen Gefühl mehr Platz lassen. Bis in die Fingerspitzen spürte ich, dass etwas in mir fehlte und diese Taubheit beständig war, welche mich an die Leere erinnerte, die in mir ruhte und mich lenkte.

Mir schien die Idee ein neues Leben, in einem neuen Umfeld, mit neuen Menschen zu beginnen anfangs so schlau, jedoch war es in meinen Augen plötzlich doch nur noch unglaublich lächerlich. Was sollte ein simpler Umzug schließlich an dem eigentlichen, beständigen Problem ändern, welches mir meinen Verstand und mein Glück geraubt hatte? Es hätte mir von Anfang an klar sein sollen, dass mein Plan nichts werden konnte, dieser Schritt war einfach zu leicht. Schließlich wiederholte es sich immer wieder, jeden Tag und bleib gefangen in diesem Gefängnis aus Leere. Mein Alltag glich dem jedes anderen, ich verhielt mich wie jeder andere in meinem Umfeld, knüpfte Kontakte, führte Gespräche, lachte mit anderen über belanglose Dinge und tat genau das, was jeder andere auch machte. All diese Normalität führe auf eine geregelte Lebensweise zurück, aber ihn zu vergessen gelang mir letztendlich doch nicht, egal mit welchen Mittel ich seine beständige Anwesenheit bekämpfte. Ich scheiterte jeden Moment kläglich daran, während ich mir vormache, dass ich ihn vergessen habe. Noch vor wenigen Monaten war er Hauptbestandteil meines Lebens gewesen und jetzt wo er weg war, fiel alles in sich zusammen, wie ein lächerliches Kartenhaus, das von einem schwachen Windzug den letzten Stoß bekam, um in sich zusammenzubrechen.

Tja, und jetzt saß ich mal wieder hier. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich einfach nicht mehr weiter wusste. Der Neuanfang war eigentlich eine gute Entscheidung, wenn ich es aus einer anderen Sicht betrachtete. Ich hatte tolle neue Freunde gefunden, die mich dann doch etwas abgelenkt hatten und mich mit dem Schmerz einigermaßen klarkommen ließen, aber es hatte nicht komplett geholfen. Das Loch welches er hinterlassen hatte würde wohl nie verheilen. Irgendwie war es aussichtslos. Aussichtslos je wieder richtig glücklich zu werden und ohne diesen Ballast auf den Schultern zu leben. Gott, ich fühlte mich so schwach.

Ein schwaches Lächeln schlich sich auf meine rotgemalten Lippen, als ich an meine blondhaarige, beste Freundin, die komische Affenherde, bekannt als die Jungs aus dem Footballteam, und die Bad Boys, die eigentlich gar nicht so bad waren, dachte. In diesen vier Monaten waren sie mir wirklich an mein Herz gewachsen und wenn ich die Möglichkeit hätte diesen Neuanfang rückgängig zu machen, würde ich mich dagegen entscheiden. Und doch war es so aufwendig es allen recht zu machen. Ich hatte versucht meine Persönlichkeit und mein Verhalten zu ändern, andere Entscheidungen zu treffen und ruhig zu werden. Ganz ehrlich? Es war kompletter Mist. Denn genau das machte mich aus. Mein Drang laut zu sein, hin und wieder doch mal sarkastisch zu werden, im Unterricht zu quatschen und Blödsinn zu machen, auf Partys die Sau raus zu lassen und das Leben einfach in vollen Zügen zu genießen. Letztendlich hatte ich meine 'Vorsätze' doch nicht so ganz eingehalten und fand, mehr oder weniger, wieder zu mir, aber trotz allem war es mit ihm anders und mit seinem Verschwinden hatte er einen gewaltigen Teil von mir mit sich genommen.

* *

Keine Ahnung, wie lange ich in Gedanken versunken gewesen war, jedoch war mein Glas leer und ein neues schob sich vor meine Nase. Ich schaute auf und sah einem dunkelhaarigen Mädchen ins Gesicht. ,,Danke'', gab ich kurz und knapp von mir, bevor ich einen großzügigen Schluck von der dunkelbraunen Flüssigkeit nahm. Ich liebte das Wodka-Cola Gemisch. ,,Ich bin Lou und du hast ein Problem, das sehe ich dir an. Willst du vielleicht darüber reden? Ich bin eine gute Zuhörerin'', bat das Mädchen an und warf mir einen freundlichen Blick zu. Ihre Augen waren etwas glasig, was mich darauf schließen ließ, dass sie auch schon einiges an Alkohol intus hatte. ,,Lily'', stellte ich mich nach kurzem Zögern vor und lächelte sie schwach an. Lou hatte ein Glas mit einer hellgrünen Flüssigkeit in ihrer linken Hand und nippte nach einem aufmunternden Lächeln an mich gerichtet daran. Wahrscheinlich würde es wirklich gut tun, mal alles von der Seele zu reden. Hieß es nicht auch, dass Fremde die besten Zuhörer waren und eine neutrale Meinung hatten? Ich kannte sie nicht, deswegen war es mir egal was für ein Bild sie letztendlich von mir haben würde und was sollte sie schon mit der Geschichte einer Fremden anfangen? Nichts. Also beschloss ich ihr als aller Erste überhaupt von meinen Gedanken und Gefühlen aus den letzten Monaten zu erzählen. Ich schluckte schwer und atmete tief durch. Ich war noch nie gut darin, über solche Dinge zu reden.

,,Ich kann's nicht glauben, wie leichtgläubig ich war", fing ich langsam an und murmelte noch ein ,,Einfach lächerlich'', während ich mir mit meiner freien Hand durch die Haare fuhr und den Blick von ihr abwandte. Ich nahm einen weiteren Schluck meiner Wodka-Cola Mischung und beobachtete die dunkle Flüssigkeit einige Sekunden, bevor ich bitter auflachte und sie wieder anschaute. ,,Ich dachte ernsthaft, ich könnte es schaffen über ihn hinweg zu kommen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass es klappen würde und alles besser wird. Aber letztendlich bin ich nur vor meinen Problemen davon gerannt und sitze jetzt doch wieder hier und weiß nicht mal, was oder wie ich mich im Moment fühle. Alles begann, als ich nach Long Beach, hier in L.A., mit meinem Onkel Greyson gezogen bin. Unser Haus liegt an einem schönen Strand und eigentlich ist es eine große Villa, aber ich mag das Wort Villa nicht besonders, weil es sich meiner Meinung nach nicht wirklich häuslich anfühlt und anhört und einfach keinen persönlichen Wert hat. Auf jeden Fall...''

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Hey, nur kurz eine wichtige Anmerkung für's Lesen!!

Diese Geschichte ist in insgesamt drei verschiedenen Zeiträumen geschrieben, also lasst euch nicht verwirren und achtet immer auf den Point Of View, der über jedem Kapitel steht. Es gibt einmal den ,,LILYS.POINT.OF.VIEW.AT.THE.PARTY.'', also die Sicht, wo sie auf einer Party ist - was auch die Hauptsicht und Gegenwart ist. Dann gibt es noch den normalen ,,LILYS.POINT.OF.VIEW.'', wenn etwas in der Vergangenheit geschrieben ist, das sie dem Mädchen Lou, welches sie hier in dem Kapitel kennengelernt hat, immer erzählt. Und zu guter letzt gibt es noch den ,,LILYS.POINT.OF.VIEW.AFTER.THE.PARTY.'', wie man es sich schon denken kann, ist diese Sicht dann nach der Party, ebenfalls die Gegenwart. Sie kommt dann eher zum Ende hin vor.

Würde mich über Meinungen und Votes zu dem Buch freuen! :) - Michelle

Copyright, 2015, michihaha

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