Kapitel 1.1

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Kapitel 1

Obwohl es noch gar nicht so lange her war, dass Draakon zuletzt in Taskia war, zog es ihn immer wieder hierher.

Leise und ungesehen schlich er sich durch das Unterholz des Waldes und wusste, dass der Pflanzendrache, der über diesen Wald gebot, ihn gewähren, sogar schützen würde.

Ein Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Mannes, der so weiblich wirkte, wie kaum ein anderer Mann, der unter den Selatanern lebte. Er war auch kein Mensch und störte sich kaum an seinem Äußeren. Dabei entsprach er sogar unter seinesgleichen nicht der Norm.

Wie es dem Dorf wohl ergangen war, nachdem er das alte Dorfoberhaupt, das einfach viel zu alt geworden war, abgelöst hatte? Sein Sohn war ein ehrgeiziger, junger Mann mit Führungspotential. Zwar hatte er auch einen Hang zum Narzissmus, doch Draakon hoffte, das dies nicht so schlimm war.

Ein Windhauch trug einen bekannten Duft zu ihm. Einen, den er schon seit dem Fest vor vier Jahren ständig in der Nase hatte.

Sofort machte Draakon kehrt und änderte seinen Weg. Statt in das Dorf zu gehen, das er hatte besuchen wollen, ging er zurück in den Wald. Richtung Velik Nyanja See. Dort würde er hoffentlich fündig werden.

Leise schlich er durch das Unterholz und war sich sicher, dass er nicht gesehen werden würde, als er Stimmen hörte. Männliche Stimmen. Sie waren gehässig und schienen über irgendetwas zu lachen.

Der Geruch von Blut stieg ihm in die Nase und sein Puls begann zu raßen. Seine Schritte beschleunigten sich und dann trat er aus den Schutz der Büsche, um zu sehen, was da vor sich ging.

Sein Blick fiel auf eine Gruppe Männer, die eine junge Frau, die er nicht auf Anhieb erkennen konnte, gegen einen Baum drängten. Ihr Geruch stieg ihm in die Nase und er wusste sofort, wer es war. Dazu musste er die Frau nicht einmal erkennen.

Als der kleinste der Männer sich jedoch bewegte, erhaschte er einen Blick auf die, nicht sonderlich große, junge Frau. Sie war in ein braunes Leinenkleid gehüllt, das mit Blut besudelt war.

Ihre Haare waren fein säuberlich unter einem grauen Tuch versteckt und es gab keinen Hinweis darauf, was für eine Farbe sie hatten. Ihre meerblauen Augen fixierten die Männer ärgerlich, aber mit deutlichem Schrecken.

Ein Korb, der mit Kräutern und Blumen gefüllt gewesen war, hatte seinen Inhalt über den geamten Waldboden verstreut.

Die Männer sprachen eindringlich und laut. Es gab keinen Grund, leise zu sein. Die dichten Bäume verschluckten die Laute einfach und so blieben sie unbemerkt.

Ihre Worte voll Spott und Hohn waren eindeutig an die junge Frau gerichtet.

Das machte Draakon so wütend, dass er die Hand zur Faust ballte. Durch seinen eher weiblich und schmächtig wirkenden Körper musste es nicht sonderlich beeindruckend wirken, doch das gereichte ihm oft zum Vorteil. Er wurde unterschätzt und das würde er auch jetzt nutzen. "Was treibt ihr da?", fragte er und klang überrascht, während er versuchte, so zu tun, als wäre er ebenfalls auf der Suche nach Kräuter oder ähnlichem. Dadurch, dass er einfache Kleidung und einen langen Mantel trug, würde man es ihm hoffentlich abkaufen. Die Schuppen auf seinem Gesicht waren durch eine Paste verdeckt, die er nur nutzte, wenn er nicht auffallen wollte. Es ließ ihn menschlicher erscheinen.

Der größte der Männer, wohl der Anführer, drehte sich zu ihm um und entblößte beim Grinsen sein Pferdegebiss, das mit seinen Narben im Gesicht angsteinflößend wirkte. Seine hellbraunen, halblangen Haare wiesen Blätter und kleine Hölzer auf, was ein Beweis dafür war, dass er der Frau aufgelauert hatte. Aber nicht nur er hatte diese kleinen Beweise, sondern auch die anderen drei Männer. Einer von ihnen, ein Jüngling mit hellblondem, wirr aussehendem Haar, hielt die Frau fest, die sich zu befreien versuchte. Ihr Arm war blutig und Draakon erkannte ein Messer in der Hand des schwarzhaarigen, kleinen Mannes. „Verzieh dich. Wir haben etwas zu tun", zischte der Anführer ihm zu und machte eine wegwinkende Handbewegung. Er schien von dem schmächtigen Mann nicht beeindruckt zu sein, was auch kein Wunder war. Sie selbst hatten einige Muskeln, die wohl von harter Arbeit herrührten.

Dragons of Avalon - Drachenhaut (Band 1) [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt