Kapitel 2.5

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Natürlich wusste sie das. Den Haushalt führen, auf dem Feld helfen oder andere Arbeiten verrichten, auf die Kinder aufpassen und für das Essen sorgen. Der letzte Teil würde wohl wegfallen, nachdem hier Essen serviert wurde. Sie blieb stehen und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Ich bin nicht mit allen Punkten einverstanden", sagte sie klar, als ihr bewusst wurde, auf was er wohl hinaus wollte.

"Das solltest du aber sein", meinte Draakon. "Denn es wird erwartet, dass du die Ehe vollziehst", sagte er belehrend. "Zudem ist es nicht viel anders, als wärst du verheiratet worden. Du hast einfach nur eine bessere Partie erwischt."

Erneut rollte Stella mit den Augen. So war das also. Die Frau hatte das zu tun, was der Mann sagte. Wieder zog sie einen Schmollmund, weil es ihr nicht passte. Mit einer wegwerfenden Handbewegung murmelte sie, dass er sehen würde, was er davon hatte. „Ihr habt mir immer noch nicht verraten, was genau ich als Königin arbeiten soll", sagte sie, um von dem anderen Thema abzulenken. Dass die Ehefrau etwas zu tun hatte, wusste sie schon irgendwie. Aber nicht, was genau. War es Papiere bearbeiten? Jemanden beaufsichtigen?

"Vielleicht wirst du irgendwann diesen Haushalt führen, vielleicht auch nicht", meinte Draakon schulterzuckend. "Das wird sich alles zeigen", erklärte er und öffnete eine Tür, die in einen weiteren Flur führte. "Das hier sind deine Räume."

Wenigstens war seine Antwort zufriedenstellend. Als sie den Flur erblickte, wurden ihre Augen groß vor Staunen. Edle, dunkle Teppiche zierten den Boden und wiesen goldene Muster auf. Durch die Fenster wirkte der Flur alles andere als dunkel, denn die Sonne schien genau in dem Moment hinein und ließ es leuchten. So, als wolle es Stella locken und ihr ein gutes Leben versprechen. Die Pflanzen, die in großen Töpfen links und rechts der verschiedenen, dunklen Türen standen, ließen es wie ein warmes Paradies wirken. Die aus Eichenholz gefertigten Türen hatten ebenfalls hübsche Verzierungen, die selbst von der Ferne aus gesehen werden konnten. „Das sind meine Räume?", wiederholte sie verblüfft.

"Das sind deine Räume", bestätigte er und deutete ihr an, dass sie sich umsehen konnte. Dabei beobachtete er sie sehr genau.

Es sah stolz aus, wie Stella langsam und gemächlich auf dem weichen Teppich entlanglief und ihre Finger an der Wand entlangfahren ließ, als würde sie testen, ob es Wirklichkeit war, oder nicht. Neugierig öffnete sie die erste Tür und entdeckte dahinter tatsächlich ein Arbeitszimmer. Ein dunkler, großer Tisch mit einem gemütlichen Sessel sowie Bücherregale und Pflanzen waren vorhanden. Damit war sie zufrieden, fühlte sich jedoch ein wenig in dem großen Raum verloren.

Da Draakon nichts von sich gab, erkundete sie die nächsten Räume. In einem befand sich ein sehr hübsches Bad. Auch dieses hatte ein eingelassenes Viereck, aber auch einen hölzernen Waschzuber. Zudem einen Schrank, in dem sie wohl Düfte finden konnte. Beinahe liebevoll sah sie in die Bibliothek, die Stella mit ihrer Büchermenge überzeugte. Schon immer hatte sie gerne gelesen, doch es hatte nur einige Bücher im Dorfzentrum gegeben. Jetzt würde sie die Möglichkeit haben, sich mit Büchern zurückzuziehen. Hoffte sie zumindest.

Hinter der letzten Tür versteckte sich ihr Schlafzimmer. Es verschlug ihr die Sprache, als sie fast das gleiche Himmelbett wie in Draakons Zimmer zu Gesicht bekam. Nur waren die schweren Vorhänge nicht dunkelblau, sondern dunkelrot. Gepaart mit dem Gold sah es sehr edel und elegant aus. Das Bett stand ebenfalls auf einem Podest und als Stella näher trat, ließ sie liebevoll ihre Hand über die weichen Vorhänge, die mit Goldketten an den Bettpfosten befestigt waren, wandern. Zudem gab es einen Schrank gegenüber vom Bett und einen Tisch mit zwei Stühlen, die einen Blick auf den Balkon ermöglichten.

"Die Dienstmädchen werden dir helfen, sollte etwas sein. Ria ist dein persönliches Dienstmädchen. Sie wird in einer kleinen Kammer nebenan schlafen", informierte Draakon sie.

Liebevoll fuhren Stellas schlanke Finger die Bettdecke entlang, nachdem sie sich auf der weichen Matratze niedergelassen hatte. „Sie ist so jung", bemerkte sie. „Hat sie denn keine andere Zukunft außer ein Dienstmädchen zu sein? Wie leben die Menschen hier eigentlich?" Vielleicht konnte sie so herausfinden, wie Draakon zu ihnen stand. So ganz wusste sie immer noch nicht, was sie von seinen Worten, dass er sie hatte wiedersehen wollen, halten sollte.

"Sie wurde hier geboren und konnte sich aussuchen, in welchem Bereich sie arbeiten wollte", erklärte er. "Du musst verstehen, dass es für viele eine Ehre ist, einer hohen Persönlichkeit zu dienen."

Verständnisvoll nickte Stella. Damit hatte er nicht ganz Unrecht. Viele Menschen strebten danach, einem Reichen zu dienen, nur um besser leben zu können. „Sie ist sehr nett. Ich mag sie", meinte Stella und legte sich für einen Moment ausgestreckt auf das Bett. Wie gut es sich anfühlte, sich nach einem ereignisreichen Tag strecken zu können! Allerdings wollte sie noch den Innengarten sehen und versuchte, wieder aufzustehen doch durch das ungewohnte Korsett erinnerte Stelle eher an einen Käfer, der auf dem Rücken lag und nicht mehr hochkam.

Draakon musterte sie. "Es wird denke ich auch besser sein, wenn du Unterricht in Politik und Etikette bekommst", murmelte er und schien sich an ihr nicht sattsehen zu können.

Umständlich drehte sich Stella zur Seite und rollte zur Bettkante. Bevor sie fallen konnte, fing sie sich wieder und sah Draakon strafend an. „Ihr hättet mir helfen können, wenn Ihr mich schon in so ein Teil zwängt, anstatt mich anzusehen", klagte sie ihn vorwurfsvoll an.

"Das hätte aber nicht so viel Spaß gemacht", meinte er grinsend. "Es ist erfrischend zu sehen, wie du dich mit all den neuen Dingen herumschlägst."

Grummelnd richtete sich Stella auf und zeigte anklagend auf Draakon. „Für Eure Unterhaltung habt Ihr Gaukler", behauptete sie ernst.

Draakon schmunzelte. "Ja, das habe ich", gestand er, wirkte aber trotzdem noch immer belustigt, als er plötzlich das Thema wechselte. "Hast du schon einmal einen echten Drachen gesehen?"

Stella schüttelte den Kopf. „Nein. Wie auch? Die Drachen leben auf den Gebirgskämmen. Dort kommen wir nicht hin, obwohl Taskia näher an ihnen dran ist", erklärte sie und verengte die Augen. „Hört auf, mich so anzustarren. Ihr seid zwar attraktiv, aber ich starre Euch auch nicht ständig an. Zeigt mir lieber den Innengarten, um auf andere Gedanken zu kommen", verlangte sie, denn es wurde unangenehm, wenn er sie die ganze Zeit ansah.

"Du bist sehr schön. Es wäre Verschwendung, dich nicht anzusehen", behauptete er mit einem Grinsen, bevor er sich leicht verneigte. "Aber wie Ihr wünscht, meine Dame. Ich zeige Euch den Innenhof."

Wenigstens gehorchte er ihr in gewisser Weise, was sie mit einem zufriedenen Lächeln feststellte. Wenn er sie schon zur Hochzeit zwang, wollte sie auch etwas zu sagen haben. Stella kam die vier Stufen vom Podest hinunter und stellte sich zu ihm. „Wann habt Ihr vor, Euren Willen durchzusetzen?"

"So schnell wie möglich", meinte er. "Es ist schon zu lange her, dass ich eine Gemahlin hatte", erklärte er und reichte ihr einen Arm. "Aber du bekommst genug Zeit, dich vorzubereiten."

Dass er eigentlich Sadi als Gemahlin hätte nehmen können, verschwieg sie lieber. Stattdessen nickte sie. Ihr war nicht klar, was genug Zeit bei ihm bedeutete, doch Draakon hatte es eilig. Das war deutlich zu spüren. Doch erst einmal würden sie den Innenhof besichtigen und dann hoffentlich bald über die Hochzeit reden. So schlimm fand Stella es nicht mehr, obwohl sie ein gemischtes Gefühl hatte.

Dragons of Avalon - Drachenhaut (Band 1) [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt