Kapitel 1.2

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"Ich hatte auch nicht vor, das Dorf aufzusuchen", sagte er nüchtern und legte ihr einen Arm um die Hüfte, um sie zu stützen. "Wenn man dich nicht verletzt hätte, wäre ich nicht hier gelandet", meinte er, als wäre er nur wegen ihr gelandet und hätte eigentlich wo anders hingewollt. Was nicht stimmte.

Dankbar über die Hilfe sah sie ihn entschuldigend an. „Es tut mir leid, Eure Reise gestört zu haben", sagte sie zerknirscht. Sicherlich würde sie sich etwas von ihren Eltern anhören müssen, weil sie zu weit vom Dorf entfernt gewesen war.

Die ersten kleinen Felder, die trotz des Waldes sehr gut bewirtschaftet waren und reiche Ernte trugen, kamen in Sicht.

"Es ist gut, dass ich von meinem Weg abgekommen bin", sagte Draakon ernst. "Die Utarer scheinen in euer Territorium eingedrungen zu sein", erklärte er und wirkte überhaupt nicht begeistert.

„Es ist nicht das erste Mal, dass sie Unruhe verursachen", erwiderte die junge Frau und blieb stehen. Mit verengten Augen sah sie den beiden Männern auf dem Feld zu, bevor sie ihnen heftig winkte.

"Das sah nicht nur nach Unruhe aus", sagte er mit ruhiger Stimme. "Fallen sie in euer Terrirotirum ein? Ich muss mit dem Dorfoberhaupt sprechen", entschied Draakon, der die junge Frau weiterhin hielt.

Einer der Männer auf dem Feld sah auf und wirkte überrascht. "Stella", rief er ihr zu und somit sah auch sein Bruder auf.

"Ach, Stella heißt du also", bemerkte Draakon gut gelaunt, als hätte er ein Geheimnis herausgefunden. Jetzt hatte er wenigstens einen Grund, warum er ihren Namen kannte.

Anstatt ihm auf die politischen Fragen, von denen sie rein gar nichts wusste, zu antworten, sah sie Draakon zuerst stirnrunzelnd an und winkte dann erneut den Männern zu. „Kain! Kurt! Helft mir bitte", rief sie ihnen zu und verbeugte sich halb vor dem Gesandten. „Entschuldigt mich bitte. Ich werde Linda aufsuchen. Meine Brüder werden Euch in das Dorf führen, damit Ihr mit dem Dorfoberhaupt sprechen könnt." Obwohl ihr Kopf gesenkt war, waren ihre Augen neugierig auf ihn gerichtet. Genau wie auf dem Fest.

Draakon schnaubte und hob sie erneut hoch, ohne sie zu fragen. "Ich werde dich erst bei einem Heiler abliefern", erklärte er und ließ keine Widerrede zu. Sein Blick dabei auf die beiden Männer gerichtet. "Stella wurde im Wald von Utarern angegriffen", erklärte er ihnen, da sie in Hörweite waren. "Sie braucht einen Heiler."

Ihren Protest überhörte er absichtlich und sie verstummte augenblicklich, als ihre Brüder sie erreichten. Beide waren voller Erde und Schmutz und ihre schlanke, aber dennoch muskulöse Figur zeigte, dass sie harte Arbeit gewohnt waren. Beide verneigten sich vor Draakon. „Mensch, Stella", seufzte der braunhaarige Kain, dessen Haare zu einem Zopf im Nacken gebunden waren. „Mach uns und vor allem unseren Eltern nicht so viel Ärger", tadelte er seine jüngere Schwester und seine blauen Augen waren vorwurfsvoll. Stella zog ihren Kopf ein und setzte zum Protest an, wurde durch eine energische Handbewegung seitens Kurt unterbrochen. „Wir bringen Euch ins Dorf", versicherte Kain und nickte in die Richtung, in der ihre Heimat lag.

Draakon nickte und folgte den beiden Männern. "Während sie beim Heiler ist, möchte ich mit eurem Oberhaupt sprechen. Euer Dorf ist in Gefahr. Ich kann weitere Angreifer spüren."

Ohne zu diskutieren nickten beide und brachten sie ins Dorf. Dort kamen die Leute, die draußen verschiedene Arbeiten verrichteten, herbeigeeilt. Für Stella hatten sie einen tadelnden Blick übrig, während sie sich vor Draakon ehrfürchtig verbeugten. Kurz informierte Kurt, dass Stella sich verletzt hatte und zu Linda musste. Eine ältere Frau, die ein ähnliches Kleid wie Stella trug und deren Haare unter dem grauen Tuch nicht sichtbar war, informierte Kurt, dass sie wie immer in ihrem Haus sei. Nur selten verließ sie es und wenn, dann nur um den Stand der Sonne und des Mondes zu bestimmen.

Stella zupfte an Draakons Oberteil und flüsterte ihm zu, dass er sie herunterlassen sollte. Bis zu Linda würde sie mit Sicherheit kommen. Zudem wollte sie den Gesandten nicht noch länger aufhalten.

Dieser blickte Stella tadelnd an. "Eine verletzte Frau sich selbst zu überlassen, gehört sich nicht", informierte er sie und trug sie direkt zu Lindas Haus, wo er ihr die Schiene aus Kristall wieder entfernte, damit sich die Heilerin darum kümmern konnte.

Stellas Augenrollen entging ihm, da sie sich abgewendet hatte und bei Linda anklopfte. „Danke fürs Herbringen und eine gute Weiterreise", sagte sie leicht lächelnd zu Draakon und wandte sich dann der alten, grauhaarigen und buckeligen Frau zu, die ihr die Tür öffnete.

Die Stimme von ihr hörte sich an, als hätte sie Rauch eingeatmet. So kratzig und undeutlich, was wohl auch daher kam, dass sie keine Zähne mehr hatte und sabberte.

Doch sie war trotzdem eine gute Heilerin.

Draakon ließ Stella bei ihr und begab sich stattdessen in Richtung des Dorfoberhauptes. Er musste mit ihm sprechen.

Nach einiger Zeit traten Draakon und das Dorfoberhaupt aus dessen Haus hinaus. Zu seiner Überraschung hatten die Dorfbewohner in Windeseile Tische aufgestellt, um den Gast zu bewirten. Oder auch, um ihren Dank zu zeigen. Stella stand in der Nähe eines Paares und nahm mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen den Tadel an. Jedoch erkannte Draakon, dass sie nicht ganz so reumütig wirkte, wie sie vielleicht hätte sein sollen. In ihren Augen blitzte es und es schien, als würde sie nur mit halben Ohr zuhören.

Das Dorfoberhaupt erhob seine Stimme, damit die Leute seine Aufmerksamkeit hatten und zu ihnen kamen. Auf den lauten und klaren Befehl hin versammelten sich die Dorfbewohner im Halbkreis um die Tische, denn dorthin hatte er den Gesandten geführt. Auch Stella fand sich mit ihren Eltern, Kurt, Kain und zwei weiteren Männern ein.

Mit kurzen Sätzen erklärte das Dorfoberhaupt, dass Draakon nicht nur Stella, sondern auch das Dorf mit seinem beherzten Eingreifen gerettet hatte. „Viel haben wir nicht zu bieten, aber die Leute möchten sich bei Euch mit einer Bewirtung bedanken. Zudem steht Euch noch mehr Dankbarkeit zu. Ihr dürft auswählen, welche Güter ihr haben wollt", erklärte das Dorfoberhaupt. Die Menschen um sie herum nickten heftig als Zustimmung. „Also, was möchtet Ihr als Bezahlung haben?", fragte er und sah Draakon abwartend an.

Das Dorf hatte nicht viel und egal, was er nahm, es würde sie sehr hart treffen.

Draakons Augen funkelten, als er sich umsah und dann grinste. "Da ihr mir bereits eine Belohnung anbietet, dürft ihr nach dem Brauch nicht ablehnen. Egal, was ich mir aussuche", vergewisserte er sich mit ruhiger Stimme und schien mit dem ganzen Tumult keine Probleme zu haben.

Einstimmig nickten alle. Einschließlich Stella, die neben Kain stand und sich stützen ließ. „Ihr dürft wählen, was Ihr möchtet", versicherte das Dorfoberhaupt. Seine Geste war ausladend, was bedeutete, Draakon konnte sich das Beste aussuchen.

Er schmunzelte. "Stella", meinte er und deutete auf die junge Frau. "Sie soll mir als Bezahlung reichen."

Dragons of Avalon - Drachenhaut (Band 1) [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt