Kapitel 2.1

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Kapitel 2

Ein Raunen ging wie eine Welle durch die Dorfbewohner und wurde vom lauen Wind fortgetragen. Mit geweiteten Augen starrten die Menschen Draakon an. „Meine Tochter?", fragte eine Frau, mit höchster Wahrscheinlichkeit Stellas Mutter, mit zitternder Stimme. Ihr Griff an Stellas Schulter verfestigte sich.

Die junge Frau selbst stand stocksteif da. Sie sollte als Bezahlung herhalten? Das konnte nicht sein Ernst sein! Ihre trocken gewordenen Lippen befeuchtete sie sich mit der Zunge und brachte kein Wort heraus.

"Ja, Stella", wiederholte Draakon mit einem zufriedenen Lächeln. Er wirkte nicht, als würde er sich etwas anderes aufschwatzen lassen und von seinem Wunsch abweichen.

„Sein Wunsch ist geäußert", sagte das Dorfoberhaupt und winkte Stella zu sich heran. Diese blieb jedoch bewegungslos stehen, noch unter Schock. Nur mit einem Schubs von Kain bewegte sie sich und stolperte fast erneut. Die Menschen sahen sie forschend, aber auch unwohl an. Hatte sie ihn verärgert, weshalb er sie aussuchte? Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Stella Draakon erreicht hatte. Sittsam trug sie ihre Hände vor sich gefaltet und wirkte nicht, als machte es ihr etwas aus. Doch bei genauerem Hinsehen konnte man ihre Gefühle sehen. Sie fühlte sich unwohl. Ihre Eltern wollten protestieren, aber das Dorfoberhaupt ließ sie gar nicht zu Wort kommen. Stattdessen wandte er sich an Stella und befahl ihr, ihre Kleidung zu packen. Ihm schien es egal zu sein, ob sie da war oder nicht.

Draakon hob die Hand, legte seine Finger unter ihr Kinn und hob es hoch, sodass sie ihn ansehen musste. Seine Augen in dieser seltsamen, seifenblasenartigen Farbe ließ sie schwummrig werden. "Pack nur ein paar wichtige Stücke. Du wirst nicht viel brauchen", sagte er mit ruhiger Stimme.

Er spürte, wie sie leicht nickte. „Verstanden", brachte sie mit zitternder Stimme hervor. Es fiel ihr schwer, ihn nicht weiter anzustarren. Sein Blick hielt sie regelrecht gefangen und nur mit Mühe riss sie sich los. Stella trat einen Schritt zurück und verbeugte sich mit klopfendem Herzen, bevor sie sich umdrehte und mit Hilfe ihrer Familie zu ihrem Haus ging, um zu packen. Seine Worte, dass sie nicht viel brauchen würde, hallten in ihrem Kopf, während die aufgeregten Stimmen der Dorfbewohner mehr und mehr in den Hintergrund traten. Diese waren über Draakons Wunsch äußerst überrascht.

Allerdings nicht, dass er sich eine Frau ausgesucht hatte. Es ging ihnen mehr um den Wert, den sie für zu niedrig hielten. Sie verstanden nicht, wie eine einzige Frau seine Hilfe aufwerten konnte.

Stella war nicht mehr wert als ihre besten Tiere. Jedoch hatten sie seinem Wunsch nichts entgegenzusetzen. Während Draakon wartete, gingen die Menschen wieder ihren Arbeiten nach. Ihm entging das Getuschel über das Ereignis nicht. Das Dorfoberhaupt blieb bei ihm, bis Stella samt Familie wieder auftauchten. Die wenigen Habseligkeiten eilig in einen kleinen Jutesack gepackt, kam sie humpelnd auf den Gesandten zu.

Als sie vor ihm stand, verbeugte sie sich erneut, wurde aber gleich darauf an seine Brust gezogen. Er war nur wenig größer als sie und wirkte noch immer so klein und schmächtig.

"Halt dich gut fest", forderte er sie auf und hob sie wieder hoch, wie er es schon getan hatte, als er sie zum Dorf getragen hatte.

Mühsam unterdrückte Stella ein Quietschen und drückte den kleinen Jutesack an sich. Stellas Eltern traten hervor. „Bitte passt gut auf unsere einzige Tochter auf", baten sie eindringlich. Mit einem Blick auf Stellas Mutter erkannte Draakon, dass sie zu alt war, um noch Kinder zu gebären. Er würde ihnen ihre einzige Tochter entreißen.

"Ich bin sicher, dass es ihr gut gehen wird", meinte Draakon und plötzlich falteten sich hinter seinem Rücken zwei riesige, fledermausartige Schwingen auf, deren Schuppen in allerlei Farben schimmerten. Wie es auch seine Augen taten.

Dragons of Avalon - Drachenhaut (Band 1) [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt