»So, Rafman, dein letztes Stündlein hat geschlagen. Spürst du das? Ja? Na, wie schmeckt das Metall in deinem Mund, he? Gut? Fein, dann wird dir die Kugel runtergehen wie Öl.«
Ich schrecke hoch, mein Herz rast. Mit weit aufgerissenen Augen versuche ich im Dämmerlicht auszumachen, wo ich mich diesmal befinde.
Der Angstschweiß auf meiner Haut kühlt mich auf unangenehme Art und Weise.
Ich schnuppere in der Luft, berühre mit den Händen den Grund unter mir... und da wird mir bewusst, dass ich im Wald bin.
In letzter Zeit war es meistens das ‚Gladys' Gas & Snacks', in dem ich mich wiederfand.
Ein wahrlich... ungünstiger Name für eine Tankstelle, das ist meine Meinung. Gladys' Gas... ich weiß nicht recht.
Die gleichnamige Besitzerin war in den Fällen immer so freundlich, meine Mutter zu verständigen, wenn sie mich mal wieder zwischen den Autos stehen sah, wie einen Zombie.
Nicht, dass ich davon etwas mitbekäme – das erzählt man mir so. Lediglich der beißende Benzingeruch in meinem Schlafhemd zeugte bisher von meinen nächtlichen Ausflügen zu der alten Dame. Ansonsten kann ich mich an nichts erinnern. Nie.
Denn ich, Stella Rafman, schlafwandle.
...
Während ich mich aufrappele und von Dreck und Tannennadeln befreie, denke ich nach.
Um mich herum herrscht unheilvolle Stille. Einzig und allein ein Uhu schreit sein nächtliches Lied über die Wipfel der Tannenbäume.
Diesmal ist etwas anders. Ich bin im Wald aufgewacht, was an und für sich schon verrückt genug ist – allerdings ist es nicht das erste Mal passiert. Dann kommt noch die Tatsache hinzu, dass ich von einem Albtraum geweckt wurde.
Nein, vielmehr von einer Erinnerung.
Dad. Wer war es? Wer hat dir so grausam das Leben genommen?
Ich war schon bei Psychologen wegen meinem Problem. Nicht bei vielen im Laufe meines bisherigen dreiundzwanzig-jährigen Lebens, da meine Mutter die Kosten nicht tragen konnte. Aber bitterererweise hätte sie sich selbst das, was sie sich aus den Fingern saugen konnte, sparen können. Sonderlich viel ist scheinbar nicht zu machen: Ich schlafwandle – Ende der Geschichte.
Medikamentöse Behandlungen sind nicht empfehlenswert. Und eine Therapie für den sogenannten Somnambulismus gibt es auch nicht.
Die Ursache für mein Schlafwandeln scheint klar: ein Trauma aus der Vergangenheit, wie die ganzen Prof. Dr.s sagen.
Der Tod meines Vaters. Mein Trauma, der Auslöser für mein Schlafwandeln – da haben wir ihn.
Energisch durchquere ich den Wald und bete, nicht als Mitternachtssnack für irgendeinen Bären zu enden. Hier, im Bonding Hills Forest, wurde erst vor einer Woche einer gesichtet...
Ich bin einen Meter achtzig groß. Ich bin recht kurvig. An mir hätte er einiges zu fressen.
Okay, was zur Hölle-?!
Ich brauche definitiv einen Filter für die Gedanken, die mein Hirn mir immer wieder ausspuckt.
Angst kriecht meinen Nacken hoch. Was, wenn in eben diesem Moment ein Bär im Gebüsch sitzt und mich beobachtet?
Ein eiskalter Schauer schüttelt mich und ich reibe mir über die Arme. Ängstlich werfe ich einen Blick über die Schulter. Meine langen, weinroten Nägel graben sich in mein weiches Fleisch, doch das merke ich kaum.
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Lacuna
Mystery / ThrillerSTELLA schlafwandelt. Immer zu den gleichen Orten. Denkt sie. Und seit Kurzem scheinen es nicht mehr die Orte zu sein, die sie so anziehen... sondern ein ganz bestimmter Mann. Es ist KANE. Und er ist der allseits verhasste Outcast der Stadt. ... St...
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