Kapitel 15

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Nachdenklich lag Elizabeth in ihren Krankenhausbett und hielt ihr Handy fest in der Hand. Warum warst du nicht hier als ich erwachte? Wo bist du? Im Deinem Büro? Auf Arbeit?
Bei jedem weiteren Gedanken wurde sie immer wütender und sehr traurig, dass seine Arbeit ihm wichtiger sein könnte. Sein Prestige und sein Erfolg bedeuteten ihm anscheinend mehr als sie. Das er nicht sehen wollte, was sie erreicht hat. Es schien bedeutungslos für ihn zu sein, wenn er hier nicht erschienen ist. Der Monitor über ihr alarmierte, was sie noch wütender und trauriger machte. Denn warum musste ihr das so nahe gehen, dass er nicht hier war, dass selbst der Monitor über ihr das merkte? Warum hat sie ihn in ihr Herz gelassen? *Ich weiß, ich werde nie wie seine makellosen Modelfreundinnen sein. Hier eine Narbe und dort eine.*

Dabei verfiel Elizabeth in eine tiefe Traurigkeit und starrte in den sternenklaren Himmel über Boston. Vielleicht gäbe es dort eine Lösung für ihr Problem. Denn auch wenn sie ihm keine Last auferlegen möchte, dass er für immer bei ihr dem „Sprachlosen Krüppel" bleibt, so sehnte sie sich doch eigentlich nach seiner starken Schulter und seiner Nähe. Sie war innerlich hin und her gerissen.

*Bing* eine Nachricht von Harvey.
Gute Nacht, bis morgen.

Sie antwortete nicht und schon war sie wieder in ihren Gedanken gefangen. Sollte sie sich etwa freuen, dass er sie hier so sehen wird, so schwach? Schon wieder alarmierten diese ganzen Monitore. Da war wieder diese Unsicherheit. Die ganzen verdeckten Wunden an ihrem schwachen Körper. Zwar keine Kanüle mehr im Hals , aber ein Pflaster über der frischen Narbe am Hals. Als Erinnerung an die letzten 8 Monate.

Sie strich mit den Fingern über das Pflaster am Hals und raffte sich auf, denn sie hatte es ja nicht anders gewollt. Sie wollte einen Schlussstrich ziehen, für sich. Es gab also keine Ausrede mehr. Jetzt muss ich sprechen üben. Morgen. Vielleicht.

Roberta, die heutige Nachtschwester, kam leise aber freudestrahlend herein. Na Prinzessin war dein Prinz schon da?

Elizabeth drehte langsam ihren Kopf zu ihr und konnte ihre Traurigkeit nicht verbergen.

Warum so traurig? Die Operation ist gut verlaufen. Keine Komplikationen und morgen geht es zurück in ihr altes Zimmer.  Roberta versuchte sie aufzumuntern, denn sie wusste, dass sie seit der Operation heute morgen nicht gesprochen hat. Nicht einmal versucht hat sie es und dabei war es doch ihr größter Wunsch gewesen. Diese Operation. Endlich wieder sprechen können. Diese ehrgeizige junge Frau hatte so viel erreicht und stand jetzt kurz vor ihrem persönlichen Ziel nach 8 Monaten! Acht lange Monate in denen Roberta sie viele Nächte betreute. Nach dem sie Harvey kennengelernt hatte, wusste sie ihre Prinzessin wird erwachen. Wie er ihr mehrere Stunden lang in der Woche Geschichten erzählen und aus Büchern von Shakespeare oder auch vom Kleinen Prinzen vorlas. Irgendetwas war zwischen ihnen, etwas sehr Vertrautes. Roberta vertraute auf Harvey, er würde schon kommen.

Brauchst du etwas gegen Schmerzen? Roberta lächelte. Elizabeth nickte traurig und drehte ihren Kopf wieder zum Fenster um sich ihren Gefühlen hin zu geben.

Ich bring dir etwas. Schlaf ein wenig Prinzessin, er wird schon kommen. Er liebt dich. Mit diesen Worten verliess Roberta das Zimmer um ihren Rundgang über die Station fortzusetzen.

——————

Es war 6:30Uhr. Die Sonne ging auf und Harvey stand in seinem Apartment über die erwachende New York City schauend. Einen Kaffee in der Hand und seine gepackte Reisetasche zu seinen Füßen. Er war fertig zur Abreise.

Aber der heutige Fall wird einer der schwersten in seinem Leben, denn er konnte heute alles verlieren und verlieren tat er nicht gern. Schließlich hat er noch nie verloren. Er schloss Kompromisse, aber verliert nicht.

Was ist wenn ich wirklich alles verliere? Ich bin zwar nen Spieler, aber hier kann ich meinen ganzen Einsatz verlieren. Alles. Fünf Monate meines Lebens mit einer Frau, die mich zum Lachen bringt, die mich all meine Schmerzen vergessen liess.
Elizabeth war für mich da, als ich jemanden brauchte. Sie verbrachte viele lange Nächte hier, an meinem Bett. Sie dachte, ich sehe sie nicht, aber ich sah sie. So wunderschön saß sie da und lächelte mich ermutigend an. Sie gab mir die Ruhe um in den Schlaf zu finden. Die langen Abende auf der Couch. Einfach nur nebeneinander sitzen, der Musik lauschen, die sie auflegte, ein Buch lesen. Sie war einfach da. Irgendwann konnte sie wohl nicht mehr nur zu sehen wie ich litt. Da war sie. Ihre wundervolle Stimme.
Harveys Herz schlug schneller und ein Lächeln kam über sein Gesicht als er daran dachte.
Wer wagt gewinnt, wer nicht, hat schon verloren.

Plötzlich klopfte es an seiner Wohnungstür. Da Harvey um diese Uhrzeit niemanden erwartete, öffnete er etwas skeptisch die Tür.

Donna, sagte Harvey überrascht. Was machst du hier? Solltest du nicht mit Simon unterwegs nach Boston sein?

Guten Morgen, Harvey. Und solltest du nicht bei Ray im Auto sitzen und dich nach Boston fahren lassen? Sie sah die gepackte Tasche auf dem Boden stehen und bemerkte: Gut, gepackt ist sie schon und nun lass uns gehen.

Donna, ich kann noch nicht. Lass mir Zeit.

Harvey, was ist los? Du musst zu ihr! Gib jetzt nicht auf! Nur in Boston wirst du eine Antwort finden und du wirst es für immer bereuen, wenn du ihr nicht diese Chance gibst. Wenn du euch nicht diese Chance gibst. Ermutigend legte sie ihre Hand auf seinen Arm und lächelte ihn an.

Ich weiß Donna. Danke. Seine anderen Gedanken verschwieg er ihr, denn es klappte was sie vorhatte. Donna hatte ihm Mut gegeben nach Boston zu fahren und seine Zweifel wegzuwischen. Sie nahm Harveys Arm und dann verließen sie gemeinsam sein Appartement.

Ray hab ich heute freigegeben. Ich fahr alleine. Sagte er zu ihr.

Harvey bestieg seinen grün metallic Ford Mustang, der fahrbereit am Straßenrand parkte und fuhr los.

Donna stieg zu Simon in den schwarzen Lexus, der hinter dem Ford Mustang stand.

Erledigt?  fragte Simon neugierig.

Ja, er schafft es. sagte Donna siegessicher und gab Simon einen innigen Kuss. Sie war mit sich und Harvey zufrieden. Sie war glücklich mit Simon und Harvey würde es auch werden.

Ein Schutzengel für Harvey - Band 1 von 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt