Das rießengroße uralte Herrenhaus in der Region Yorkshire ragte imposant in die Höhe. Ganz anders, als der Rest der Welt schien in England manchmal vergessen worden zu sein, dass sich die Welt mittlerweile im 21 Jahrhundert zu befinden schien. Es war mittlerweile schon nach neun Uhr und der schwarze Mercedes mit den getönten Scheiben fuhr die Auffahrt entlang, auf das Herrenhaus zu. Liya hatte ihr Gesicht müde an der Scheibe angelehnt. Sie war den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte sich einen Überblick über die Ländereien im Süden verschafft.
Als der Wagen vor den großen Steintreppen zum halten kam konnte Liya hören, wie die Kiesel unter den Reifen knirschten. »Danke George. Einen schönen Feierabend!« Mit diesen Worten stand sie auf und kletterte aus dem Wagen. Der Mann mittleren Alters am Steuer grinste nur leicht. Von der ganzen Familie hatte er definitiv Liya am liebsten gewonnen. Es hatte eine Weile gebraucht, bis er sich mit der widerspenstigen Dame arrangiert hatte aber nun fing er immer mehr an sie zu mögen. Sie hatte nie akzeptieren wollen, dass er dafür bezahlt wurde ihr die Türen zu öffnen. Liya hatte sich einfach geweigert und hatte das ganze immer selber in die Hand genommen. »Wenn ich jemand brauche, der mir die Tür öffnet, dann kann ich auch gleich meine ganzen Freiheiten aufgeben.« Genau das hatte sie wieder und wieder gesagt, bis George irgendwann aufgegeben hatte mit ihr zu diskutieren.
In Gedanken versunken beobachtete er die junge Frau dabei, wie sie ihre Tasche schulterte und damit halbwegs elegant die Steintreppen nach oben stieg. Ihre roten Haare wippten im Takt und sie schien keinerlei Probleme damit zu haben die sichtlich schwere Tasche zu tragen. Oben an der Treppe angekommen stellte Liya die Tasche ab und fuhr sich einmal über ihre schmerzenden Handflächen. Natürlich war die Tasche schwer aber sie würde einen Teufel tun und jemandem Befehlen ihre Sachen zu tragen. Die Bediensteten wurden von ihren zwei Geschwistern schon genügend durch die Gegend gescheucht. Ihr Blick glitt für einen Moment über den wunderschönen englischen Garten, welcher im Mondschein ruhig dalag. Wie ihre Familie an so ein Reichtum gekommen war, war ihr immernoch unklar. Immerhin war es für eine deutsche Familie nicht gerade typisch über so große Ländereien in England zu verfügen. Jede Frage war bisher aber mit einem kurzen Abwinken oder einem »Wir reden später drüber.« abgetan worden.
Unruhig fuhr sie sich einmal durch die Haare und blieb dabei in ihren Ohrringen hängen. Ein leises fluchen glitt ihr über die Lippen, als sie den kurzen stechenden Schmerz an ihrem Ohr spürte. Liya war froh wieder zu Hause zu sein und gleichzeitig wollte sie die Türschwelle nicht überwinden, weil das für sie den gleichen öden Alltag tagein tagaus bedeuten würde.
Unzufrieden öffnete sie die Tür, nur um erstmal in einen lautstarken Streit zwischen ihren Eltern zu platzen. »ES IST MIR EGAL, WIE AUFDRINGLICH SIE IST! WIMMEL SIE AB ODER BEKOMMST DU SONST NOCH IRGENDWAS AUF DIE REIHE?! WIR KÖNNEN UNS NICHT LEISTEN,DASS... Oh hey Schatz.« Ihre Mutter hatte sie entdeckt und sofort wieder die Maske der liebevollen Mom aufgesetzt. Als ihr Blick jedoch zu Liyas Tasche wanderte fiel die Maske so schnell, wie sie gekommen war. Die Wut, welche Emilia Beck vorher an ihrem Mann ausgelassen hatte richtete sich nun auf Liya. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dich nicht verhalten sollst wie eines dieser Straßenmädchen?! Es ziert sich nicht für eine Beck die Tasche selber zu tragen! Wir haben Bedienstete, die dafür bezahlt werden also nutz das auch. Du bist undankbar!« Die junge Frau ließ das Gekeife einfach über sich ergehen und rollte in einem unbeobachteten Moment ihre Augen. Es war jedes Mal die selbe Diskussion und wie immer endete sie im Nichts. Liya wusste genau, dass ihre Mutter nicht nachgeben würde. Allerdings würde sie selber einen Teufel tun und auf ihre Mutter hören.
»Theo Anton Beck! Sag etwas zu dem unpassenden Verhalten deiner Tochter.« wendete ihre Mutter sich nun an ihren Mann, welcher die Arme verschränkt hielt. »Tu das was deine Mutter sagt!« giftete nun auch dieser in Liyas Richtung und brachte sie unweigerlich dazu genervt zu Seufzen. Für einen Moment schluckte sie ihren Stolz hinunter. Eine andere Reaktion hätte sowieso nur die Stimmung angeheizt und für weitere Streitpunkte gesorgt. Langsam ließ sie die Tasche auf den Boden sinken, wo sie sofort von einer Bediensteten aufgehoben wurde, welche mindestens 3 Nummern kleiner war als Liya. Mitleidig beobachtete sie die Frau, während sie sich mit der Tasche die Treppe nach oben kämpfte. Ihr Blick wanderte wieder zurück zu ihren Eltern, welche sie äußerst kritisch zu mustern schienen.
DU LIEST GERADE
Speechless- Kontra K
FanfictionDas Leben ist ein Tanz auf der Klinge. Liya ist in England bei ihrer Familie aufgewachsen und obwohl sie nie wirklich das Gefühl hatte zu dieser zu gehören liebt sie sie trotzdem. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass die Familie einige tiefsc...