Kein Ausweg

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>Liya hatte ihre Chance gewittert. Schnell hatte sie so hart zugeschlagen, wie sie konnte und dabei ihr Ziel nicht verfehlt. Mit einem schmerzvollen Stöhnen ging er in die Knie. Sie hatte ihn dort getroffen, wo es wirklich weh tat. »Liya warte! « schmerzverzerrt sah er der jungen Frau nach, wie sie Barfuß zur Tür rannte und durch diese verschwand. Eine einzelne Träne lief über Maxs Wange, als sie durch die Tür verschwand. Er hatte alles falsch gemacht und sie auf ewig verloren. <

Ihre Lunge schien zu zerbersten, als sie über den nassen Asphalt rannte. Es war so kalt, dass sie ihren Atem sehen konnte, der stoßweise ihren Mund verließ. Liya wusste nicht wohin sie rannte, sie wollte einfach nur weg. Weg von Max und weg von all ihren Problemen. Alles lag in Scherben. Sie hatte doch gedacht, dass sie alles unter Kontrolle hatte. Wohl oder übel musste sie sich jetzt aber eingestehen, dass sie einfach nur in einer Traumwelt gelebt hatte. Sie konnte keinem Menschen hier vertrauen. Die Blase in der sie die letzten Tage gelebt hatte war einfach geplatzt und hatte sie wieder all dem Schreck und Grausamkeit der Welt ausgesetzt.

Sie nahm gar nicht wahr, wie sehr ihr Körper malträtiert war. Das einzige was sie spürte war ihr schmerzendes Herz und die warmen Tränen, welche ihr über die Wange liefen. Wie hatte sie sich so sehr in Max täuschen können? Ein stechender Schmerz fuhr in ihr Knie, als sie strauchelte und hinfiel. Liya schaffte es nicht mehr sich aufzurichten. Eine Welle von Tränen beutelte die junge Frau. War es wirklich zu viel verlangt glücklich zu sein?! Sie konnte nichtmal einschätzen, was ihr mehr wehtat. Der Fakt, dass Max sie verraten hatte oder ihre eigene Naivität ihm einfach blind zu vertrauen. Eins wusste sie aber ganz genau. Es hatte ihr Herz auf die wohl grausamste und schmerzhafteste Art und Weise in Stücke gerissen.

Die ersten Regentropfen trafen ihre Haut, wie kleine Geschosse. Leise schluchzend zwang Liya sich dazu aufzustehen und zu einem Unterschlupf zu wanken. Ihre Füße und ihr Knie bluteten, da musste sie sich nicht auch noch obendrauf eine Lungenentzündung zuziehen. Es dauerte eine Weile, bis sie es schaffte wieder einen rationalen Gedanken zu fassen. Er hatte all ihre Sachen. Ein eiskalter Schauer lief über Liyas Rücken. Ihre Tasche mit all ihren Sachen lag bei Max im Haus. Da waren ihre Kleider, ihre Papiere und ihr Geldbeutel. Ein frustrierter Laut verließ Liyas Mund. Sie wollte weinen, war aber zu schwach dafür. Mit zitternden Händen fuhr sie sich durch ihr Gesicht und versuchte eine Lösung zu finden. Sie konnte ohne Geld und ohne Papiere nicht verschwinden. Vermutlich würde sie nichtmal bis zum anderen Ende Berlins kommen, bevor sie erkannt wurde oder ihre Geldbeutel brauchte.

Genau in diesem Moment fuhr ein schwarzer AMG auf der Straße vorbei und Liya duckte sich nur weiter in den Hauseingang. Sie hatte den Fahrer genau gesehen, allein schon die Geschwindigkeit mit der er seinen Wagen steuerte zeigte ihr, dass er nach ihr suchte. Fröstelnd zog sie die Ärmel ihres Pullis weiter nach unten und verharrte wie erstarrt, während der Wagen langsam die Straße entlang fuhr. Liya konnte sehen, wie das Bremslicht am Ende der Straße aufleuchtete und der Wagen hielt. Kurze Zeit später hörte sie die Fahrertür zuknallen. Hatte er sie gesehen?

Sie presste sich noch stärker an den rauen Putz des Hauses und starrte auf den blonden Mann in der Straße. Er hatte immernoch die Sachen an in denen er geschlafen hatte. »Liya bitte! Lass es mich erklären.« Verzweifelt starrte Max in die Dunkelheit. Sie musste ihn doch hören. Weit konnte sie barfuß und bei diesem starken Regen nicht gekommen sein. Sie würde sich noch den Tod hier draußen holen. Und diese ganze Situation war seine Schuld. Er hatte Emilia versichert es war kein Problem und er würde ihr helfen ihre Stieftochter wieder zurück nach England zu bringen. Woher hätte er auch wissen sollen, dass er sich Hals über Kopf in Liya verlieben würde. Zudem war es um einiges komplizierter, als er beim ersten mal angenommen hatte.

Er hatte die Panik in Liyas Augen gesehen. Sie war nicht einfach nur wegen eines Streits abgehauen. Da steckte mehr dahinter. Er hatte nicht vor Emilia zu helfen aber wie konnte er das Liya verklickern, wenn er sie nicht fand? Maxs schwarzes T-Shirt klebte mittlerweile durchnässt an seinem Oberkörper. Immer schneller fielen der Regen auf die Straße und sorgte dafür, dass ein kleines Rinnsal am Rande der Straße entlangfloss. Man könnte es auch als Rinnsal des Trübsals bezeichnen. Zu seiner Stimmung passte es allemal. Er kannte dieses Mädchen seit maximal einer Woche und trotzdem hatte sie sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Sie hatte das Loch gefüllt, was seit einer gefühlten Ewigkeit in seinem Herzen klaffte.

Speechless- Kontra KWo Geschichten leben. Entdecke jetzt