Azrael.

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"Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Chiara!"

"Wo bin ich?"

Mein Atem wird wieder schneller und ich spüre wie mir eine kräftige Hand über den Kopf streicht. Ich kann nichts sehen. Meine Augen sind verbunden.

"Ich kann nichts sehen!", rufe ich ins nichts. Unter meinem Körper spüre ich nur trockenes Gras. Es riecht nach Rauch, Tieren und einem strengen süßlichen Geruch, den ich nicht einordnen kann. Wo zur Hölle bin ich? Ich schwitze immer mehr und meine Stirn juckt unter der Augenbinde. Vielleicht bin ich ja gestorben und das ist die Hölle?

"Alles ist gut, mach dir keine Sorgen, Süße." Trotz meiner benebelten Sinne fühlt sich meine Brust immer enger an bei dem Klang der Stimme. Gleichzeitig hat die Stimme eine durchaus sehr beruhigende Wirkung auf mich. Halt ist das nicht...

Mit einem Ruck wird mir die Augenbinde von den Augen gerissen. Ich sehe nichts außer ein sehr grelles Licht. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt haben erblicke ich das Gesicht von niemand anderem als... mein Atem bleibt stocken...

"Mein Name ist Azrael, darf ich mich vorstellen?", er grinst mich mit einem so breiten Grinsen an, dass sein Mund aufreißen müsste.

"Gule!?", kommt es aus mir heraus und ich fange an am ganzen Körper zu zittern.

"So habe ich mich dir vorgestellt, das stimmt, aber nenn mich bitte Azrael, so heiße ich richtig", sagt er mit einer Heiterkeit in der Stimme, als wäre er auf einer Geburtstagsfeier und hätte sich mir gerade vorgestellt.

Ich lag richtig. Ich bin in der Hölle. In der Hölle auf Erden.

Ich blicke mich langsam um. Ich befinde mich in einem großen Zelt in dessen Mitte ein Feuer brennt. Das erklärt das Schwitzen. Über dem Feuer räuchert ein Stück Fleisch. Das erklärt den Rauchgeruch. Aber woher kommt dieser süßliche Geruch!? Von draußen entnehme ich Stimmen, die eine fremde Sprache sprechen. Sie scheinen zu tanzen und zu singen.

"Was hast du mit mir gemacht!? Bring mich zurück nach Hause, du Arschloch!", beschimpfe ich ihn und versuche aufzustehen. Da meine Beine immer noch nicht aufgehört haben zu zittern, klappe ich zusammen und falle in die Arme von Gule. Er setzt sich auf einen Lehmtopf und zieht mich vor ihn, sodass mein Kopf auf seinen Beinen liegt. "Ich würde dir nicht raten in deinem momentanen Zustand aufzustehen. Leg dich nochmal etwas hin, ich bringe dir etwas zur Stärkung!" Mit den Worten verlässt er das Zelt.

Ach du Scheiße. In was bin ich den hier geraten!? Entführt von einem Psychopathen, der anscheinend ein Doppelleben lebt und besessen von mir ist!? Ich versuche aufzustehen, aber komme nicht weit. Kurz bevor ich am Zelteingang ankomme wird mir wieder schwarz vor Augen.

"Chiara?" Jemand rüttelt an meinen Schultern. Ich mache die Augen auf und blicke direkt in die funkelnden Augen von Gule. "Ich hab doch gesagt du sollst liegen bleiben. Möchtest du an deiner eigenen Kotze ersticken!?" Er trägt mich zurück zu dem Platz wo ich vorher lag. Dann reicht er mir eine Flasche aus der ich trinken soll. "Ich trink das nicht!", rufe ich, aber meine Stimme bricht ab. "Dann wirst du hier verhungern, das kann ich doch nicht zulassen, meine Liebe!" Er hockt sich neben mich und reicht mir erneut die Flasche. Widerwillig nehme ich sie entgegen. Ich nehme einen Schluck. Es schmeckt süß und bitter zugleich. "Was ist das für Teufelszeug!?", ich spucke ihn an. Mit bösem Blick streicht er sich die Spucke aus dem Gesicht. "Mach den Häuptling nicht wütend!", grollt er und ehrlich, seine Augen machen mir immer mehr Angst. "Häuptling!?", frage ich und nehme noch einen Schluck von dem grässlichen Zeug, weil ich sonst tatsächlich verhungere. "Ja, jetzt lernst du endlich meine richtige Familie kennen. Alles andere was man als meine Familie bezeichnet hat kann man nicht so nennen, aber das hier, das ist noch viel mehr als nur eine Familie für mich!", erklärt er und sieht dabei so glücklich aus wie ich ihn noch nie gesehen habe. "Und jetzt bist du ein Teil davon. So wie ich es mir immer gewünscht habe." Ich gucke ihn so böse an wie es meine Angst zulässt. "Guck nicht so, Kleine!" "Bring mich sofort wieder zurück und verschwinde für immer aus meinem Leben!", schreie ich ihn an und für einen kurzen Moment verstummen die Stimmen draußen. Gule ruft irgendetwas in einer unverständlichen Sprache und die Stimmen fangen wieder an zu singen. "Dein Leben findet jetzt hier statt, gewöhn dich dran. Du schuldest mir schließlich dein Leben, ich habe es dir gerettet!" Er streichelt mir dabei über den Kopf. Ich hätte seine Hand gerne weggeschlagen, aber das lassen meine Kräfte nicht zu. "Lieber wäre ich gestorben als hier zu sein. Ja genauer gesagt würde ich immer noch lieber sterben als hier zu sein!" Tatsächlich scheint sein Gesichtsausdruck plötzlich verletzt, wechselt aber schnell wieder zu dem üblichen Gesichtsausdruck, der einem Angst macht. "Glaub mir ich werde dafür sorgen, dass du am Leben bleibst, schließlich bist du alles was ich je wollte", lächelt er und streicht mir wieder über den Kopf. "Und deshalb entführst du mich und sperrst mich in dein Tippizelt bei deinem Volk ein und denkst so kannst du mich nicht verlieren? Armselig ist das!", lache ich. Er guckt mich mit bösem Blick an: "Noch einmal so ein Tonfall und..." "Und was!? Dann tötest du mich? Folterst du mich? Verge...", ich kann das Wort nicht aussprechen. "Das würde Gule tun. Der Gule, der dich nicht haben konnte. Der dich mit Noel und Lake und wem sonst noch teilen musste. Der dich dafür gehasst hat, dass du ihn nicht wolltest. Aber jetzt redest du mit Azrael. Mit mir. Vergiss Gule und alles was er zu dir gesagt hat. Lerne mich neu kennen: Ich bin Azrael, nicht Gule und ich liebe dich, Chiara!" Er guckt mich dabei die ganze Zeit mit strahlenden Augen an. Ach du Scheiße, er scheint wirklich einen an der Klatsche zu haben. Glaubt er das wirklich oder was geht hier vor sich!? Was zur Hölle habe ich dieser Welt so Schlimmes angetan, um jetzt mit diesem Psycho in einem Zelt in der Savanne von Südafrika irgendwo im nirgendwo  zu sitzen!? Ich schaue mir sein Gesicht genauer an und plötzlich fällt mir auf, dass seine Haare nur noch ein paar Millimeter kurz sind und seine Augen wirken auf mich heller als sonst. Mir wird ganz komisch und ich lege mich auf den Boden. "Ich kann das alles nicht...", murmle ich. "Chiara?"

Never Stop Fighting Like A LionessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt