Enne huschte in die Kellergewölbe, wo sie sich bisher immer versteckt hatte. Sie besaß dort ihr eigenes Gemach, wenngleich Anuwe alles andere als begeistert davon war, dass sie im Keller lebte.
Sie wohnte dort aber nicht nur um sich vor den Menschen zu verbergen, sie zog sich dorthin zurück, um ihr dunkles Geheimnis mit aller Macht zu bewahren. Sie hatte ein dunkles Geheimnis, dass sie mit niemanden teilen wollte. Nun ja, so dunkel war es nicht, aber manche Menschen verstanden es einfach nicht.
Und eben deswegen lief sie nun in ihr altes Gemach, denn dort befand sich noch etwas, was ihr sehr gefährlich werden könnte, wenn man es entdeckte.
Ohne Nachzudenken stieß sie die Tür auf und hörte gleich ein schmerzvolles Uff.
Erschrocken sah sie auf Jefrandt, der seine Nase rieb.
„Was machst du hier?", kreischte sie erschrocken.
Er brummte leise.
„Das könnte ich dich fragen. Stürmst du immer ungefragt in das Gemach eines dir fremden Mannes? Wir kennen uns kaum, und doch stürmst die hier herein, als ob du dringend mit mir sprechen müsstest."
Enne riss die Augen auf.
„Dein Gemach? Dein Gemach? Es ist mein Gemach."
Er legte den Kopf schief. Blut lief aus seiner Nase, aber ihn schien das nicht zu stören.
„Du bist doch eine Drachenbraut. Also hast du ein Gemach, das meines Erachtens um einiges schöner ist, als dieses hier."
Sie schnaubte.
„Meines Erachtens, bist du ein Prinz. Also hast auch du ein Gemach, dass schöner ist, als dieses hier."
Er kam näher und wischte sich das Blut von der Nase, so dass es in seinem Bart hängen blieb.
Enne wusste, dass er sie damit vertreiben wollte, aber sie hatte schon viel Schlimmeres gesehen, als das bisschen Blut, dass in einen Bart tropfte. Es juckte sie in den Fingern, ihm das Blut vom Gesicht zu wischen, aber sie unterdrückte den Impuls.
Nein, das durfte nicht sein.
Eine ganze Weile sahen sie sich gegenseitig an, als ob sie einander allein durch Blicke taxieren wollten.
Er kam noch näher, so dass seine Schuhspitzen beinahe ihre berührten.
„Du bist sehr frech. Ich bin der Drache des Todes. Hast du keine Angst?"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Du solltest Angst haben, denn, wenn ich nicht meine Sachen holen kann, dann bist du des Todes. Ich kann ziemlich fies sein."
Wieder starrten sie sich gegenseitig an, bis er seinen Mund verzog und grinste.
„Ich hätte mir denken können, dass du keine Angst hast. Schließlich hast du mich Müffi genannt."
Sie verzog das Gesicht.
„Ich habe gehofft, du hast das nicht gehört."
Wieder ein Grinsen, aber es sah sehr gequält aus, als ob er schon lange nicht mehr seine Mundwinkel nach oben gezogen hätte.
„Ich habe es gehört. Doch ich fand es erfrischend mal eine Frau vor mir zu haben, die keine Angst zeigt."
Sie schnaubte.
„Lässt du mich nun meine Sachen holen, oder nicht?"
Er trat einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Geste mit der rechten Hand.
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Die Drachen von Wikuna - Jefrandt (Band 3)
FantasíaEigentlich war es ein einfaches Vorhaben: Für einen Tag ins Drachenschloss, die Zeremonie irgendwie überstehen und dann wieder zurück in die Einsamkeit, wo die schwarzen Drachen schon immer ihr Leben fristen mussten. Immerhin wurde schon seit Gener...