Kapitel 3

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Es waren einige Wochen vergangen, seit Jefrandt das letzte Mal mit Enne gesprochen hatte.

Sie zeigte ihm offensichtlich, dass sie ihm aus dem Weg ging, aber Jefrandt hatte Spaß daran, sie zu suchen und ihr immer einen Schritt voraus zu sein, so dass er ihr Gesicht und ihre Reaktion auf ihn sah. Es war immer der gleiche Vorgang. Sie sah ihn erschrocken an, bevor sie genervt von dannen zog. Wenn er gespürt hätte, dass Enne, wie die anderen, ihn meiden wollte, weil er eben das war, was er war, hätte er sie in Ruhe gelassen. Doch das war nicht der Fall. Sie ging ihm einfach aus dem Weg, weil sie ahnte, dass er ihr Geheimnis kannte.

Gerade spazierte er durch den Wald hinter dem Schloss.

Calarion hatte beschlossen, dass er einen Ball geben wollte, damit seine Brüder die Frauen kennenlernen konnten.

Erpicht war Jefrandt darauf nicht, dennoch sah er die Notwendigkeit darin. Doch bevor er sich dem gesamten Hof stellen musste, suchte er erneut die vertraute Einsamkeit und Ruhe. Mitten im Wald war ein kleiner Tümpel, den keiner gerne aufsuchte. Die großen Tannen um diesen Tümpel verschluckten das meiste Sonnenlicht, so dass es dort immer dämmrig wirkte.

Als Kind war er oft dorthin spaziert und war so lange geblieben, bis jemand von seiner Familie kam, um ihn zu holen. Meist war es sein Vater gewesen.

Der silberne Drache.

Jefrandt hatte ihn immer bewundert und sehr oft geweint, weil er der schwarze Drache war, doch sein Vater hatte ihn immer wieder aufgerichtet und erklärt, was für eine große Verantwortung er hatte.

Er seufzte leise, als er daran dachte, dass er sich nicht einmal von seinem Vater und seiner Mutter hatte verabschieden können, als sie mit den anderen Drachen und deren Frauen vor drei Jahren fortgeflogen waren. Zu dem Zeitpunkt war der amtierende schwarze Drache gekommen und hatte ihn in die Einsamkeit verbannt.

Jefrandt seufzte.

Er würde das nicht machen. Es war ein grausames Ritual, denn man konnte den jungen Drachen nicht darauf vorbereiten, dass auf einmal ein riesiger schwarzer Drache vor ihm auftauchte und ihn zum Kampf forderte, den der Junge nicht gewinnen konnte.

Sein Vater hatte es in gewisser Weise versucht, dennoch war Jefrandt wie erstarrt auf der Lichtung gestanden, bis er sich wandelte und der Gestank beider Drachen noch in großer Entfernung die Menschen zum Würgen brachte.

Jefrandt hielt inne und strich über die Tunika. Drei riesige Narben, welche von der Klaue seines Gegners herrührten, erinnerten ihn immer wieder an seine erste Niederlage.

Die schwarzen Drachen waren gefährlich. Sie waren immer die Größten und Stärksten. Sie waren gefährlich und gerade er hatte eine Gabe, die er eher als Fluch ansah.

Anuwe, der ihn am Anfang oft auf seinem einsamen Berg besucht hatte, versicherte ihm immer wieder, dass dieser Kampf episch gewesen wäre und ihr Vater mehr als einmal gemurmelt hatte, dass Jefrandt den alten Drachen besiegen könnte. Geändert hätte es nichts, denn Jefrandt kannte die Angst der Menschen. Wenn er als Kind in der Drachenstadt war, bewarf man ihn oft mit faulem Gemüse oder sogar mit Steinen. Sie hatten Angst vor ihm und so lange er noch klein war, drückten sie ihre Angst ebenso aus. Er konnte es ihnen nicht verdenken.

Was er aber noch weniger ertragen konnte, war der Spott. Er hatte das Getuschel hinter seinen Rücken immer versucht zu ignorieren, doch es gelang ihm nicht immer. Es war verletzend gewesen, auch wenn seine Drachenbrüder ihn immer verteidigt hatten. Doch sie konnten nicht nachvollziehen, wie es für ihn war. Während sie menschliche Freunde hatten, gab es für Jefrandt nie jemanden, der auch nur mit ihm reden wollte.

Er war schon immer einsam gewesen und er wusste, dass seine Mutter und sein Vater deswegen oft traurig waren. Auch wenn sie ihm immer versicherten, dass sie ihn liebten, so konnte er sich vorstellen, dass ihnen ein anderer Drache lieber gewesen war.

Die Drachen von Wikuna - Jefrandt (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt