Kapitel 8

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Enne zog das dünne Tuch enger um ihre Schultern und starrte in den Himmel. Es dämmert schon, doch noch immer gab es keine Zeichen von Jefrandt. So langsam machte sie sich Sorgen, denn sie stand nun schon gefühlte Stunden bei dem Steinkreis. Es wurde immer kühler, aber sie wollte nicht zurück. Sie wollte auf Jefrandt warten.

Langsam lief sie die Steine entlang, die für je einen Drachen standen. Die Schriftzeichen, die in die Steine eingemeißelt waren, konnte sie nicht lesen. Es war eine uralte Schrift und sie wagte zu bezweifeln, dass selbst Kanoran um ihre Bedeutung wusste.

Ein Stein schien etwas abseits zu stehen. Er war verwittert und mit Moos überwuchert. Leicht runzelte sie die Stirn. Warum war ihr das vorher nie so aufgefallen?

Sie kratzte das Moos weg, so gut es ihr eben möglich war und strich dann sanft über die Schrift. Kaum berührte sie die Zeichen, leuchtete der Stein seltsam auf. Es war kein heller Schein, der nun auftauchte, aber es war warm und es war so, als ob man sie willkommen hieß.

War das etwa das Zeichen, dass Lana erwähnt hatte?

Noch einmal fuhr ihre Hand darüber und wieder kam das wohlig warme Gefühl über sie.

Sie lachte leise.

"Ich habe es ja schon verstanden. Ich werde auf ihn acht geben. Er wird nie mehr einsam sein, wenn er das nicht will. Ich werde bei ihm bleiben."

Kaum hatte sie das ausgesprochen, hörte sie ein Flügelschlag und sie schaute zum Himmel.

Der schwarze Drache kam auf den Steinkreis zu. Seine roten Augen schienen sie zu fixieren und sie hatte den Eindruck, er freute sich, dass sie auf ihn wartete.

Er landete sanft vor ihr, wandelte sich aber nicht zu Jefrandt.

"Enne! Du wartest auf uns?"

Sie nickte.

"Ja, Noir. Ich warte auf euch."

Langsam kam der Drache näher.

"Warum?"

Nun blieb er stehen, als ob er abwarten wollte, was sie tat. Enne kam auf ihn zu und legte ihre Hand auf seine Nüstern.

"Ich machte mir Sorgen, Noir."

Er lachte arrogant.

"Ich bin der Todesdrache. Uns geschieht nichts."

Sie strich ihm über die schwarzen Schuppen und schmiegte sich an den Drachenkopf, was dem Drachen ein Keuchen entlockte.

"Warum hast du keine Angst vor uns, Enne? Du scheinst nie vor uns Angst gehabt zu haben, nicht ein einziges Mal. Du ekelst dich auch nicht vor unserem Geruch. Jefrandt hat dir gesagt, dass es ein einsames Leben an unserer Seite werden könnte., doch auch das lässt dich nicht zurück schrecken."

Sie lächelte.

"Es ist kein einsames Leben. Ich habe Jefrandt und er mich. Und du hast uns beide. Ihr ekelt euch auch nicht vor mir. Nicht einmal seid ihr vor meinen Narben zurück gewichen. Ihr berührt sie sogar. "

Sanft blies der Drache seinen Atem in ihr Gesicht und nur dadurch fühlte sich Enne so geborgen wie schon lange nicht mehr.

"Natürlich. Du bist unsere Braut und damit das schönste Geschöpf für uns."

Sie schüttelte den Kopf.

"Ich verstehe das nicht. Ich gelte für die Menschen als hässlich. Warum seht ihr mich als schön an? Gerade ihr, die ihr mächtig und schön seid und jede Frau haben könntet."

Die Drachen von Wikuna - Jefrandt (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt