Fuchsjagd

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Der Boden war feucht, das Gras glänzte durch den Morgentau. Ein leichter Nebel umhüllte die umliegenden Berge und Wälder. Das Schnauben der Pferde wurde lauter, ihre Anspannung stieg. Artali scharrte bereits mit den Hufen und war bereit alles zu geben.

"Bis zur großen Tanne am Fuße des Berges!", schrie Ivar zu mir rüber, setzte ein breites Grinsen auf und fügte noch ein "Möge der schnellere Gewinnen", hinzu.

Ich schüttelte meinen Kopf, niemals könnte ich ihm diesen Sieg gönnen, dafür war ich zu ehrgeizig.

"Seid ihr bereit?“, fragte Ubbe.

" Schon mein ganzes Leben", lachte Ivar lauthals.

"Dann... Los!!"

Ich gab Artali einen beherzten Stoß mit den Fersen und schon, rauschten wir über das vor uns lang erstreckte Feld. Natürlich brauchte Ivar viel länger um mit seinem Streitwagen Fahrt aufzunehmen. Siegessicher blickte ich wieder nach vorne mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich wusste nun dieser Sieg war meiner.
Doch kurz vor dem Ziel, spürte ich wie wir langsamer wurden. Der Untergrund gab etwas nach. Als ich bemerkte das wir in eine Art Schlammlandschaft geritten sind, war es schon zu spät. Wir steckten fest. Als ich mich nach Ivar umblickte um ihn zu warnen, konnte ich ihn nirgends sehen. Verwundert darüber musste ich absteigen um Artali das gehen in dieser Matschhölle zu erleichtern.
Gerade als ich und Artali aus diesem Schlammloch stapften, kam Ivar mit seinem Streitwagen aus dem naheliegenden Wald.

"Ich würde sagen, ich habe gewonnen", sagte er triumphierend, in seinen Händen die Zügeln, weit nach vorne gebeugt mit einem breiten Lächeln.

"Was? Du wusstest das hier ein Schlammloch ist und bist es umgangen? Das ist doch geschummelt",protestierte ich vehement.

"Kleiner Tipp am Rande, man sollte sich immer zuerst einen Überblick über sein Schlachtfeld verschaffen, bevor man in den Krieg zieht."

Ich war fassungslos, er hat mich reingelegt, ich war so felsenfest davon überzeugt gegen ihn zu gewinnen, dass ich nicht mal im Traum daran gedacht hätte mir irgendeinen Vorteil zu schaffen. Immer noch verärgert und grübelnd stand ich da, während ich Artali streichelte.

"Also ein Tag meiner Wahl, richtig?"

Ich riss mich aus meinen Gedanken los und blickte zu ihm auf.

"Ja, ich halte mein Wort."

Sichtlich glücklich über diese Antwort, nickte er mir zu.

"Du bist ein echter Fuchs, Ivar", schrie Hvitserk ihm entgegen, "Oh und apropos Fuchs, ihr wisst was jetzt ansteht eine Runde Fuchsjagd."

Als Ubbe meinen fragenden Blick bemerkte sagte er nur "Keine Sorge Keyla, keine klassische Fuchsjagd, die Spielregeln sind simpel es gibt die Jäger und es gibt die Füchse. Ziel der Jäger ist es die Füchse bis spätestens Sonnenuntergang gefangen zu haben und Ziel der Füchse ist es sich...

" Bis dahin nicht fangen zu lassen", unterbrach ihn Hvitserk aufgeregt. Keyla und ich werden die Füchse sein, einverstanden? Und diesesmal werdet ihr nicht gewinnen, meine Brüder. "

" Sind alle damit einverstanden? ", fragte Björn in die Runde.

Alle nickten und machten sich bereit.

" Ihr bekommt einen Vorsprung, oh und Keyla keine dieser "Bändigungstricks" wie damals bei unserem Trainigskampf in Ordnung? ", gab mir Sigurd zu verstehen.

Ich rollte mit den Augen und spielte die schmollende.

" Ja ist gut. "

Danach ging es für Hvitserk und mich ab in den Wald, auf halber Strecke trennten sich unsere Wege um für Verwirrung zu sorgen und um nicht gleich geschnappt zu werden.
Ich versuchte mich so leise wie möglich über den Waldboden hinweg zu bewegen. Es war natürlich nicht einfach bei dem ganzen Geäst und Laub das hier so rumlag. Bei jedem Geräusch zuckte ich unweigerlich zusammen und musste mir ein kichern unterdrücken, irgendwie machte es wirklich Spaß. Es vergingen bereits um die 2 Stunden und von Zeit zu Zeit, versuchte ich auf Bäume zu klettern und mir von weiter oben einen Überblick zu verschaffen.

Als ich gerade von oben die Lage erspähte, konnte ich Hvitserk durch den Wald laufen sehen, dicht gefolgt von Björn und Sigurd, zu seinem Pech wurde er auch noch von Ubbe eingekesselt

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Als ich gerade von oben die Lage erspähte, konnte ich Hvitserk durch den Wald laufen sehen, dicht gefolgt von Björn und Sigurd, zu seinem Pech wurde er auch noch von Ubbe eingekesselt.

"Aaach, verdammt diesesmal habe ich wirklich geglaubt ich könnte GEWINNEN", hörte ich Hvitserk laut schreien.

Wieder musste ich mir ein Kichern unterdrücken, wohlwissend das nun der Moment gekommen ist um von diesem Baum runter zu klettern und weiter zu kommen, sonst würden sie mich auch bald erwischen.

Unten angekommen machte ich mich in die entgegengesetzte Richtung auf um mehr Abstand zu gewinnen. Es würde nicht mehr lange dauern bis Sonnenuntergang. Gerade als ich an einem großen Fels vorbeiging, schoss mir der Gedanke: wo war Ivar überhaupt? Ich hatte ihn nicht bei seinen Brüdern gesehen.
Und bevor ich den Gedanken zu Ende fassen konnte, packte mich etwas an meinen Beinen und riss mich zu Boden. Ich fiel nach vorne und versuchte mich mit den Händen abzufangen, reflexartig drehte ich mich auf den Rücken und in diesem Moment sah ich Ivar der blitzschnell auf mir lag und seine Axt leicht an meine Kehle hielt. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt und seine Lippen kamen meinen immer näher. Ich war in Schockstarre und konnte mich unter seinem Gewicht nicht mehr bewegen. Kurz bevor sie sich trafen, stoppte er, sah mir tief in die Augen und begann zu grinsen :"Schon wieder gewonnen", hauchte er, "heute ist mein  Glückstag, aber wir sollten ein andermal damit weitermachen, wie wäre es mit morgen?“

Ich bekam noch immer kein Wort raus. Erst als er langsam von mir runter ging, traute ich mich Luft zu holen. Ich setzte mich auf und sah ihn an.

" Woher wusstest du?"

"Ich bin unberechenbar, vergiss das niemals."

Wir gingen zu den anderen, wo Hvitserk bereits die ganze Zeit von Sigurd und Ubbe aufgezogen wurde weil er mal wieder verloren hatte.

"Keyla, hat länger durchgehalten als du Hvitserk, schäm dich", lacht Ubbe.

"Aber gegen Ivar hatte sie scheinbar auch keinen Chance", merkte Björn an.

"Das ist wohl einfach Ivars Spiel, niemand sonst bewegt sich so leise und vorausschauend durch den Wald", sagte Ubbe sichtlich stolz.

"Scheint so als könnte ich noch eine Menge lernen, bei euch", musste ich wohl oder Übel eingestehen.

"Na kommt schon gehen wir wieder ins Dorf zurück, ich glaube wir haben uns alle ein langes heißes Bad verdient", sagte Björn und marschierte voraus Richtung Kattegat.

Den ganzen Weg über grübelte ich vor mich hin, wie Ivar das bloß gewusst hat in welche Richtung ich gehen würde und wie er sich so an mich anschleichen konnte. Dabei beobachtete ich ihn immer wieder und kam schließlich zu dem Schluss, dass durch seine körperliche Einschränkung sein Geist umso stärker sein musste. Während die anderen sich nur auf das kämpfen konzentrierten, war Ivar zu einem unglaublichen Strategen aufgezogen worden. Aber das er durchaus in der Lage ist auch zu Kämpfen, hatte er damals bei unserem gemeinsamen Training unter Beweis gestellt. Ich selbst habe auch schon miterlebt wie stark er war. Dafür bewunderte ich ihn.

Die SeherinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt