XVII

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Dendor sieht nichts. Ist geblendet vom strahlend weißen Licht. Es ist überall um ihn herum. Frisst die Dunkelheit, vertreibt sie, schlägt sie in die Flucht. Er hört das Zischen der Dämonen, das Brüllen des Riesen. Dann nichts mehr. Stille.

Titor schnaubt, tänzelt hin und her. Nervös. Die Steine unter seinen Hufen springen davon. Dendor streicht ihm blind über den Hals. Schickt ihm eine Gedankennachricht der Dankbarkeit. Aber er weiß, dass da noch jemand sein muss. Jemand, der den Fuß des Riesen mit einer Lichtexplosion zerschmettert hat. Er fühlt den Schock der Welle immer noch in seiner Brust. Niederdrückend. Heftig.

Schritte. Knirschen von Stiefeln, Flattern von Kleidung, Stampfen eines Stabes. Ein Fuß zieht nach, verletzt. Eine alte Wunde. Unverheilt, bleibend, vielleicht magisch. Kiesel rollen. Schnee steigt in die Luft. Feines Pulver, das zärtlich Dendors dunkle Haut streift. Er wartet. Wartet, bis die Schritte verhallen.

»Komm.« Die Stimme – uralt wie die Welt. Ein Wesen der Vergangenheit. Verschollen, verborgen, immer noch versteckt.

»Komm, Shaderon, dunkler Schatten. Der Weg ist steinig und steil. Aber deine Hufe sind flink. Rette deinen Reiter erneut.«

Dendor spürt das Zögern des Rappen. Er beruhigt ihn, gibt ihm die Erlaubnis. Titor schnaubt, schreitet voran. Der Wind ist kalt, zerrt an ihnen, möchte sie in den Abgrund wehen. Die Berge sind hoch, so hoch, dass die Luft zu einem dünnen Nebel wird. Der Schnee wird zu Eis. Glatt, tückisch. Doch die Hufe eines Shaderon sind unbezwingbar.

»Komm.«

Der Wind flieht vor der Stimme. Das Eis schmilzt und gefriert, sobald sie sie betreten. Die Höhle. Die magische Wand ist nur ein Prickeln auf Dendors Haut. Die Wärme gibt seinem Körper das Leben zurück. Er hört das Echo des Hufstampfens. Hierhin, dorthin, hierhin, dorthin. Verschwindet im Berg, in den unendlichen Tunneln.

»Komm.«

Dendor weiß, dass nun er gemeint ist. Blind steigt er ab. Tastet nach der Wand, die andere Hand auf Titors Rücken. 

»Komm«, sagt die Stimme. »Lass die Dunkelheit dich heilen. Lass sie deine Augen sehen. Lass sie über deine Haut tanzen.«

Dendor hört das leise Summen der Finsternis. Er lächelt nicht, aber sein Herz lacht. Seine Dunkelheit ist immer da. Um ihn herum. In ihm drin. Sie streicht ihm über die Augen, lockend. Und er sieht. Er sieht den grauen Fels vor sich. Dann das fahle Licht vom Eingang der Höhle, gedämpft. Für ihn. Für die Dunkelheit, für seine treue Freundin.

»Der letzte seiner Art«, sagt die Stimme.

»Der letzte freie«, antwortet Dendor. »Viele weinen in den Verliesen des Schlosses, wo er, der gesiegt hat, sie gefangen hält.«

»Viele. Oder keine mehr.«

Dendor dreht sich um. Schaut in das entstellte Gesicht, die roten Narben über dem rechten Auge. Und durch es hindurch. Der Blick, voller Schmerz. Die Hand um einen hölzernen Stab, knorrig, krumm.

»Was bist du?«

Der Mann blinzelt. Überrascht. Oder bedauernd? Mitleidig? »Du kennst mich.«

»Naguun?«, fragt Dendor.

Der Mann nickt.

Und Dendor fällt auf die Knie. Er kennt ihn. Kennt seine Geschichte, seine Legende, sein Leiden. Er weiß um seinen Schmerz. Um seine Macht. Um das Licht in seinem Herzen. Das Licht, das beinahe erloschen wäre.

 Das Licht, das beinahe erloschen wäre

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Schattenherz - Das Böse erwachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt