Kapitel 7

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"Ganz schön taff, das Mädchen", tönt James lachende Stimme eineinhalb Stunden später zu mir herauf, nachdem ich ihm von meinem Gespräch mit Jenny erzählt habe. "Aber ich muss sagen, du kannst echt gut mit Kindern umgehen."

Ich werde unweigerlich rot. "Na ja, da wäre ich mir nicht so sicher. Ich hatte schließlich nie Geschwister, und deswegen keine Übung."

"Das kenne ich. Es geht mir im Übrigen genauso. Aber es hat auch Vorteile, ohne Geschwister aufzuwachsen."

"Oh ja, die hat es. Trotzdem hätte ich mir manchmal einen Bruder gewünscht", gebe ich in leicht sehnsüchtigem Ton zu.

"Ja, manchmal hat irgendwie etwas gefehlt. Jemand, mit dem man Streiche aushecken kann und so."

Ich schmunzele belustigt über seine Bemerkung. "So, so.... Da kommt ja eine völlig neue Seite von dir zum Vorscheinen, mein lieber Herr...", fange ich mit gespielt entrüstetem Tonfall an, gerate dann allerdings schnell ins Stocken. Wie heißt er nur mit Nachnamen?, grüble ich in Gedanken.

"Raidom", hilft James mir sofort auf die Sprünge.

"Nun gut", fahre ich mit meiner gespielten Strafpredigt vor. "Herr Raidom, also ich verbittere mir vorzustellen, dass du dich für solch eine Machenschaft begeistern lässt."

Wir witzeln noch eine ganze Weile, bis es plötzlich an der Tür klopft. "Äh...Herein", antworte ich verwundert, während James zeitgleich "Ja, bitte", sagt.

Wir müssen kurz darüber lachen, haben uns aber sofort wieder im Griff, als erneut Lucy eintritt. "Es freut mich zu hören, dass Sie einer so guten Stimmung sind."

Ich wende meinen Blick rasch von der gegenüberliegenden Wand ab und Lucy zu. Sobald ich sie ansehe, versinke ich automatisch in ihren Augen. Es ist mir wirklich peinlich und ich befehle meinem Körper, damit aufzuhören, aber es scheint, als müsse ich mich dafür gegen unsichtbare Fesseln wehren, was mir ziemlich schwer fällt. Da ist sie wieder, diese unerklärliche, fremde Macht, die mir befielt, einfach beeindruckt zu sein. Das Lächeln auf Lucys Gesicht wird schöner. Und breiter. Die Verbindung zwischen uns scheint immer stärker zu werden und es ist immer schwerer, sich dagegen zu wehren. 

Doch dann gelingt es mir schließlich doch, mich von ihr loszureißen und ich schaue möglichst konzentriert auf meine Finger, um nicht wieder in so eine Situation zu geraten. Aus dem Augenwinkel sehe ich Lucy fortwährend schmunzeln. Sie scheint amüsiert zu sein über meine Reaktion. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, was gerade in meinem Kopf vorging, aber irgendetwas sagt mir, dass sie es längst weiß. Wenigstens ist die Fahrt schon zur Hälfte vorbei. Danach werde ich sie wohl nie wiedersehen und das ist in Anbetracht meiner ständigen Verwirrung und auch für die Beziehung mit Charlie wohl besser so.

"Kann ich denn irgendetwas für Sie tun?", erkundigt sie sich freundlich und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie sich dabei auch James zuwendet. Ein kleiner Stich Eifersucht keimt in mir auf, den ich allerdings sofort aus meinem Bewusstsein verbanne. Das ist doch lächerlich!

"Danke, ich bin versorgt", antwortet James nur ruhig. Er empfindet wohl nicht das Gleiche für sie. Warum auch? Ich beneide ihn für seine Gelassenheit. Wenn es mir nur genauso ginge. Wenn ich sie nur behandeln könnte wie jeden anderen auch. Nun warten mal wieder alle auf mich. "Äh...ich denke, ich vorerst auch", bringe ich stotternd hervor. 

Mein Gehirn ist wie gelähmt. Wenn ich mit Charlie rede, bin ich alles andere als irritiert. Viel entspannter. So muss es auch sein, versichert mir eine Stimme tief in mir. Genauso ist es auch gut. Charlie gibt dir Rückenwind. Sie macht deine Gedanken klar.

"Gut, dann lasse ich Sie mal wieder alleine", meldet sich Lucy erneut zu Wort. "Oh, äh eines noch bevor ich gehe: Das Bistro ist zum Mittagessen in grob einer Viertelstunde geöffnet. Ich wünsche schon einmal einen guten Appetit." Damit steuert sie immer noch lächelnd auf die Tür zu.

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