Kapitel 17

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Zum nun vierten Mal in den letzten paar Tagen muss ich mit dieser düsteren Ungewissheit um mich herum klarkommen. Aber ich spüre ganz eindeutig, dass sie sich sehr bald lüften wird. Schneller als ich denke. Vielleicht sogar schneller als ich es will.

Etwas Unheilvolles geht von dieser Dunkelheit aus. Eine Herausforderung, die ich meistern muss. Doch auch, wenn ich ihn im Moment nicht sehe, weiß ich, dass der Ausweg, der helle Kreis, noch immer da ist. Ich weiß, dass ich Hilfe haben werde. Und obwohl nicht klar ist, ob ich sie rechtzeitig finde und ob es mir gelingt, hier rauszukommen, atme ich ganz ruhig.

Ich schiebe keine Panik. Nicht mehr. Denn mehr, als nur nicht die Nerven zu verlieren, kann ich noch nicht machen. Ich spüre, dass mein Verbündeter da ist. Dass ich kurz davor bin, ihn zu finden. Nur warum kann er nicht näherkommen? Warum bin ich noch immer allein in dieser Schwärze?

Ein Teil von mir ist sich sicher, dass es mit der Ungewissheit zusammenhängt. Ich muss mir erst meiner Gefühle klar werden. Ich muss wissen, wen ich brauche. Ich kenne zahlreiche Menschen, manche sind weit weg, andere sehr nah. Manche kenne ich schon sehr lange, andere nur flüchtig. Und einer von ihnen ist es. Einer von diesen vielen Leuten. Mir wird heiß bei dem Gedanken an diese große Auswahl. Wer von ihnen ist mir die größte Hilfe? Auf wen kann ich unter keinen Umständen verzichten?

Schweiß bildet sich auf meiner Stirn. Meine Körpertemperatur steigt mit der der Umgebung weiterhin an. Mir wird immer wärmer. Und zunehmend schwindelig.

Ich will mir die Kleider vom Körper reißen, doch ich sehe nichts, ich kann nichts erkennen, in dieser Dunkelheit. Es ist mittlerweile zu einer regelrechten Höllenqual geworden, die auszuhalten ich nicht bereit bin. Die Schwärze wird immer dunkler, die Hitze immer wärmer. Verzweifelt renne ich los und suche nach einem Ausweg. Ich keuche. Und plötzlich verliere ich das Gleichgewicht. Ich taumele hilflos auf der Stelle und falle ohne mich halten zu können ins Nichts, während sich die Ungewissheit um mich herum immer weiter lichtet.


Ich wache auf. Alle im Raum starren mich besorgt an. Es ist dunkel geworden. Und warm. Nahezu heiß. Allmählich fällt mir wieder ein, wo ich bin. Das war nur einer dieser schrecklichen Träume, die mich in letzter Zeit leider ständig auf Trab halten. Hier im Lagerraum unter Freunden kann mir nichts passieren. I

ch bin aber vor allem erleichtert, dass die anderen im Gegensatz zu meinem Traum alle in Ordnung und vor allem in Sichtweite sind und ich mir keine Sorgen um sie machen muss. Sie scheinen sich in dem Punkt allerdings nicht so sicher zu sein.

"Alles gut bei dir?", erkundigt sich James vorsichtig, während ich mich langsam aufrichte. Sie lassen mich immer noch nicht aus den Augen. Meine Wangen beginnen zu glühen. Gott, ist das peinlich!

"Ja, ich bin okay. Ich hatte nur gerade... einen ziemlich miesen Albtraum", murmele ich ein bisschen schlaftrunken und fühle mich wie ein viel zu großes Kleinkind. "Es ist übrigens echt warm hier drinnen. Und warum ist es eigentlich plötzlich so duster?, versuche ich dann schnell von mir selber abzulenken. 

"Wahrscheinlich fahren wir gerade durch einen Tunnel ", mutmaßt James, zuckt gleichzeitig allerdings leicht mit den Schultern. "Das würde zumindest die Dunkelheit erklären."

"Aber warum ist es dann so heiß? Wir haben Mitte Oktober und Russland ist - im Gegensatz zur Sahara - ja nicht gerade bekannt für seine ganzjährig sommerlichen Temperaturen. Und sollte ein Tunnel nicht eigentlich vor Hitze abschirmen? Normalerweise sorgt doch das Licht für Wärme."

Mark nickt. "Von mir aus können diese Fragen allerdings auch unaufgeklärt bleiben, wenn es nur wieder abkühlt."

"Ein frommer Wusch", scherzt John, der inzwischen wieder ganz der Alte zu sein scheint. "Aber, um mal das Positive zu beleuchten", bei diesen Worten muss ich unwillkürlich lächeln. Ja, John ist ganz eindeutig wieder der Alte. "Nach dieser Durchfahrt sind wir - rein zeitlich gesehen - relativ wahrscheinlich am Ende unserer Reise."

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