4. Kapitel

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Molch war beerdigt und die letzten Worte gesagt worden. Und die ganze Zeit war da dieser Ausdruck in deinen Augen, der mir sagte, dass etwas falsch war. Dass etwas passieren würde. 

Und dass du enttäuscht und wütend warst. 

Ich habe damals gedacht, es würde aufhören. Du wurdest jeden Tag gereizter und verschlossener und das, was ich doch so sehr an dir liebte, war verschwunden. Deine sanfte, nette Art, dieses interessierte Lächeln und das Funkeln in deinen Augen. 

Doch es hörte nicht auf. Es wurde immer mehr, meine Gefühle für dich immer größer. Warum war ich dazu bestimmt worden, dieses Schicksal zu leben? Warum ausgerechnet ich, SternenClan?

Du knurrtest die Katzen barsch an, wenn du angesprochen wurdest. Sie wichen vor dir zurück, als wärst du ein tollwütiger Fuchs und es wurde viel getuschelt. 

Jeder Tag war ein schlechter Tag, weil ich wusste, dass du weg warst. Dass du anders warst. Die Liebe hatte mich gefangen, und nun war es zu spät, mich zu befreien. Nicht einmal die Geburt von Himbeersturms Jungen weckte Freude in mir, dabei war sie doch meine Schwester und ich sollte mich doch für sie freuen! 

Was blieb mir denn, wenn nicht einmal solche Ereignisse etwas in mir auslösten?

[...]

Schließlich war, zwei Sonnenaufgänge nach Molchs Tod, der Tag meiner Kriegerprüfung gekommen. Zusammen mit Lockenpfote, Kleepfote und unseren Mentoren verließ ich das Lager und ich wusste, dass es knapp werden würde. 

Ich war so schrecklich abgelenkt bei der Prüfung. Die ganze Zeit dachte ich nur an dich und als wir mit Beute beladen und mit lächelnden Mentoren ins Lager zurückkehrten, fragte uns jeder, wie es denn gelaufen sei. Ob wir gut abgeschnitten hätten, ob wir ein gutes Gefühl hätten. 

Während meine Schwestern eifrig erzählten, brachte ich nur ab und zu ein "Ja", "So war es", und "Mhm", heraus. Unsere Zuhörer schienen nichts davon zu merken, dass ich nicht wirklich Motivation hatte, davon zu erzählen. 

Später nahmst du mich zur Seite und fragtest mich, ob ich gut gewesen sei. Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich da gefreut habe, dass du Interesse an mir gezeigt hast. Sofort war die Leere in mir weggeblasen, die Sperre in meiner Kehle weg und die Schmetterlinge flatterten wild in meinem Bauch umher, während ich dir in die neugierigen, aber ernsten Augen sah und gar nicht darüber nachdachte, warum du auf einmal wieder normaler warst. 

"Es war... okay. Ich habe bei der Jagdprüfung erst eine Maus und dann zwei Meisen gefangen, und bei der Kampfprüfung habe ich Mondkristall knapp besiegt. Sie hat gesagt, dass ich gut war, und alle anderen haben auch bestanden. Weißt du, Lockenpfote und Kleepfote sind ja meine Schwestern, und wir haben alle bestanden! Aber wir fanden schon ein bisschen schade, dass Himbeersturm nicht zur gleichen Zeit wie wir gemacht hat, sie ist ja auch unsere Schwester und..."

"Ich weiß", hast du mich nur unterbrochen und mich sanft angeschaut. "Du wirst bestimmt eine wunderbare Kriegerin, Lilienpfote."

Und plötzlich konnte ich gar nicht mehr weiterreden und wir haben einander nur angeschaut und geschwiegen. Und trotzdem war es so ein wunderschöner Moment, wir haben zu dem Himmel heraufgesehen, wo langsam die Sterne zu sehen waren und es dämmerte, und die Situation einfach nur genossen. Und ich weiß noch sehr gut, wie sehr ich mich immer nach so einem Moment mit dir gesehnt habe. 

Es ist so schön gewesen, so unglaublich schön. Und hätte ich damals gewusst, dass das nur Schein war, dass du gar nicht vorhattest, so weiterzumachen, dass ich niemals mehr so einen Moment mit dir haben würde, weil du etwas tun würdest, was ich für dich bereuen würde - dann hätte ich mich jetzt an dich geschmiegt und dir gesagt, was ich fühle. Dass ich dich liebe. Und dass Molchs Tod Vergangenheit ist, du doch ein Krieger des LaubClans werden kannst und wir zusammen glücklich sein können, bis der SternenClan uns in seinen Reihen willkommen heißt. Das hätte ich zu dir gesagt, und vielleicht hättest du ja zugestimmt. 

Aber es kam nicht so. Natürlich nicht! Das Schicksal wollte doch immer etwas anderes, als ich es tat. 

Vorsichtig rückte ich ein Stück näher an dich heran und hoffte, dass du nicht von mir weg rutschen würdest. Was du auch nicht tatst. Du hast nur nachdenklich dein Fell betrachtet und ich automatisch auch meins, und dabei ist mir aufgefallen, dass mein Pelz sich weiß verfärbte. Heute weiß ich, dass das immer in der Blattleere passiert, dass es im Blattfall anfängt und sich die Farbe dann in der Blattfrische wieder normalisiert. Aber damals konnte ich das ja noch nicht wissen, denn ich war noch recht jung und in meiner ersten Blattlere war ich erst drei Monde alt, weswegen ich das nicht mitbekommen hatte. 

"Wie werde ich denn heißen, was glaubst du? Lilienblüte? Lilienschweif? Oder Lilienbrise? Das klingt doch auch schön... Vielleicht Lilienbrise", versuchte ich, die Stille zu durchbrechen. 

"Vielleicht, vielleicht, Fischteich", sagtest du in einem Tonfall zu mir, als würde das alles erklären und deine Augen blitzten mich belustigt an. Mein Herz schwoll an vor Zuneigung und ich lächelte ebenfalls, bevor das Schweigen wieder die Herrschaft an sich riss. 

Schließlich durchbrach dein Schnaufen die Stille und du erhobst dich. "Deine Kriegerzeremonie beginnt sicher gleich. Komm, Lilienpfote." 

Obwohl du ,Lilienpfote' absichtlich neckisch ausgesprochen hattest, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, als du meinen Namen nanntest. Lilienpfote... Aus deinem Mund klang es so weich und lieblich, als würde ich ,Traumpfote' oder so heißen. War das jetzt Absicht von dir gewesen? Wenn ja, hatte es auf jeden Fall gewirkt. 

Ein Funken Enttäuschung flammte in mir auf, doch ich unterdrückte ihn blitzschnell wieder. Solche Momente mit dir waren einfach zu kostbar und selten, als dass ich mir leisten konnte, ihn mir zu vermiesen. 

Mit aufkeimender Vorfreude folgte ich dir auf die Lichtung und unsere tappenden Schritte waren fast gar nicht zu hören. Stattdessen hallte Regensterns Stimme klar über die Lichtung, als sie den Clan zusammenrief und ich mich mit Lockenpfote und Kleepfote ganz nach vorne stellte. 

"Lilienpfote."

Mein Herz machte einen Sprung, als ich als erste aufgerufen wurde und ich machte ein paar Schritte weiter nach vorne. Hinter mir war es schon still geworden und Regenstern sah zum Himmel hinauf, wie wir es zuvor getan hatten, in diesem unvergesslichen Moment. 

"Ich, Regenstern, Anführerin des LaubClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diese Schülerin herabzublicken. Sie hat hart gearbeitet, um eure edlen Gesetze zu erlernen, und ich empfehle sie euch nun als Kriegerin.
Lilienpfote, versprichst du, das Gesetz der Krieger einzuhalten und deinen Clan zu beschützen und zu verteidigen, selbst, wenn es dein Leben kostet?"

"Ja, ich verspreche es", erwiderte ich feierlich. Ich hatte diesen Satz als Junges so oft gesagt, wenn wir Krieger gespielt hatten, so oft. Und nie hatte ich ihn ernster gemeint, als jetzt. 

Regenstern nickte und machte weiter: 

"Dann gebe ich dir nun mit der Kraft des SternenClans deinen Kriegernamen. Lilienpfote, von diesem Augenblick an wirst du Liliensee heißen. Der SternenClan ehrt deine Freundlichkeit und deine Treue und wir heißen dich nun als vollwertige Kriegerin des LaubClans willkommen."

Die Schildpattkätzin machte eine Pause und ich spähte über meine Schulter zu dir herüber. Du hast damals nur leicht gelächelt und als unsere Blicke sich trafen und meine Clangefährten lautstark meinen neuen Namen riefen, wusste ich, dass dieser Tag alles verändern würde. 

Warrior Cats - Als du kamstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt