10. Kapitel

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Ich bin damals weit gegangen. Sehr weit. Mit jedem Schritt habe ich mich mehr vom Territorium des LaubClans entfernt und ich habe ganz tief in meinem Herzen gespürt, dass ich so auch dir näher komme. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich nicht umgekehrt bin. 

Irgendwann habe ich Halt gemacht und aus einem kleinen Bach getrunken. Das Wasser war eiskalt und hinterließ ein komisches Gefühl in meiner Kehle, doch ich hörte erst auf, als mein Durst gestillt war. 

Schließlich begab ich mich auf die Suche nach Beute und als ich schließlich unter einem Busch mit hohen, ausladenden Ästen saß und meinen Star verspeiste, fiel mir erst auf, wie naiv ich gewesen war. Es war dumm von mir gewesen, einfach wegzurennen. 
Ja, es war verlockend gewesen, dich zu finden und einfach neu anzufangen, aber auch so unglaublich naiv. Ich hatte den Schritt getan und jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Vielleicht sogar nie mehr. 

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und schnell schob ich den Gedanken beiseite. Nein, nicht daran denken. Ich musste dich finden. 

Hastig fraß ich den schwarzen, weiß gepunkteten Vogel auf und erhob mich. Ich musste weiter. Zu dir. 

Ohne mich umzusehen, ging ich wieder los. Die Zeit verging, während ich nach dir suchte und als mir schließlich dein Geruch in die Nase stieg, machte mein Herz einen Hüpfer. Du warst nicht mehr weit entfernt! Ich würde dich heute noch finden! Wenn ich Glück hatte. 

Aufgeregt schnupperte ich und meine Begeisterung legte sich ein wenig, als ich merkte, dass dein Geruch schon schal war. Aber nur ein bisschen. 

Ich suchte noch bis tief in die Nacht hinein. Überall, wo ich nur hinkam, schnüffelte ich, lauschte und sah mich nach blutrotem Fell oder bernsteinfarbenen Augen um, die in der Dunkelheit leuchteten, doch ich fand dich nicht. Nur immer mehr Gerüche, die überall zu kleben schienen. Aber kein frischer Geruch. 

Ich entdeckte auch den Duft einer anderen Katze. Du und Kratzer schient fast überall gewesen zu sein, doch da war auch etwas anderes. In einem Busch hing auch ein graues Fellbüschel und daraus schloss ich, dass ihr mit einer anderen Katze unterwegs wart, denn ich wusste, dass du keine Eindringlinge dulden würdest. 

Es dauerte einige Sonnenaufgänge, bis ich auf einen frischen Geruch von dir traf. Ich war immer spät schlafen gegangen und früh aufgewacht, weswegen ich auch müde war, als ich schließlich diese Spur von dir fand. Aufregung zuckte durch meinen Bauch und ließ mein Herz schneller schlagen. Du konntest nicht mehr allzu weit entfernt sein, da war ich mir sicher. Auch, wenn ich das zuvor auch schon gedacht und dich nicht gefunden hatte. 

Die frische Duftspur führte ins Dickicht. Voller Erwartungen folgte ich ihr in die dichten Büsche hinein und bereute es einen Moment später wieder. Überall waren so viele Pflanzen, die mich von dir ablenkten! Die Büsche wurden zwar kleiner und kleiner und waren leicht zu durchqueren, doch um mich herum befanden sich unzählige Mohnblumen, Knoblauchpflanzen, allerlei duftende Kräuter und das schlimmste: Katzenminze. All die Gerüche verwirrten mich und erschwerten es zunehmen, deiner Fährte nachzugehen. 

War das ein Trick von dir? Vermutlich. Du warst gerissen und kreativ, was das anging, das hatte ich ja schon gemerkt. Aber ich war zu stur, um einfach aufzugeben und zu gehen. Das war eine Chance. Meine Chance. 

So lief ich, angestrengt an der Erde schnuppernd, weiter durch die Blumen und mir die Überraschung war entsprechend groß, als etwas Schweres auf meinem Rücken landete und ich in die Knie ging, weil ich das Gewicht nicht halten konnte. Ich spürte die Zähne, die sich in meinen Nacken gruben, mehr als deutlich und brach zusammen. 

Und obwohl meine Nase immer noch von den vielen Blumen leicht betäubt wurde, nahm ich deinen herrlichen Geruch wahr, der mir die Sicherheit gab, dass mir hier nichts passieren würde. Nicht ich hatte dich gefunden, sondern du mich. 

Ich wollte den Kopf heben und dich begrüßen, doch du drücktest mein Gesicht in die Erde und knurrtest mir unerwartet barsche Worte ins Ohr, während du meinen Nacken noch immer drohend umfasst hieltest. Was war mit dir los? 

"Wer bist du und was willst du hier?"

Mein Herz rief mir zu, dass das ein Scherz war und du gleich von mir runtersteigen und mich lächelnd begrüßen würdest, doch mein Verstand sagte mir, dass etwas faul war. Dass das hier kein Scherz war, wie ich glauben wollte. 

Du hast den Druck auf mein Gesicht damals verringert, ich habe meinen Kopf gedreht und dir in die bernsteinfarbenen Augen gesehen, während ich mit möglichst vertrauter Stimme geantwortet habe: 

"Ich habe dich gesucht, Royal!"

Dein Blick hat sich verhärtet und du hast mich aggressiv angefaucht, als hätte ich einen wunden Punkt erwischt. 

"Ich heiße nicht Royal! Wer ist das überhaupt? Mein Name ist Blutfänger! Ich kenne dich nicht mal!"

Ein Zittern lag über deiner Stimme wie ein Schatten und ich konnte mich unter dir vor Schreck nicht rühren. Blutfänger? Was war das denn für ein schlimmer Name? Das warst nicht du. Niemals. Nicht du...

Ungehalten sahst du mich an und fragtest mit widerstrebender Stimme: 

"Und was willst du jetzt? Wie heißt du überhaupt?!"

"Ich... Ich suche eine Gruppe, der ich mich anschließen kann", flüsterte ich und spähte mit großen Augen zu dir auf. Warum sahst du nicht, wer ich war? Benebelten die Blumen dich? Ich war doch Liliensee! Deine Liliensee. Oder hatte ich mir das immer nur eingebildet? Wo war der Kater, den ich liebte? Wo warst du?

"Dein Name?", hast du dich bei mir erkundigt und hast mich aufstehen lassen. 

"Li-Lilie", habe ich mit schwacher Stimme erwidert und du hast mich warnend angestoßen, während ich dir gefolgt bin. Nicht Liliensee. Nie wieder. 

"Komm mit, du kannst meiner Gruppe beitreten, Lilie."

Nachdenklich hast du mich angeblickt und ich hoffte, etwas wie Verstehen in deinen Augen aufblitzen zu sehen, doch da war nichts. Nur diese Gier und das Misstrauen, das mich traurig machte. 

Du hast mich nicht erkannt. Nicht an diesem Tag und nicht später. Mich, mit meinem nun braunen Fell mit den weißen Blattleere-Streifen. 

Vielleicht hätte ich es dir sagen sollen. Vielleicht hättest du es dann verstanden. 

Vielleicht...

Warrior Cats - Als du kamstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt