Ich lag in einem Moosnest. Neben mir befanden sich eine Maus und noch ein großes Büschel des Nestmaterials, das mit Wasser getränkt war und überraschend stark duftete. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass ich so unglaublich durstig war und es direkt neben mir auf dem kalten Stein lag. Ein bisschen roch das Wasser nach SternenClan.
Obwohl die Müdigkeit immer noch in meinen Gliedern saß und mich wohl noch nicht loslassen wollte, griff ich nach dem Moos, steckte meine Schnauze hinein und sog das Wasser heraus. Ich hatte solch einen Durst! Gut, dass jemand vorausgedacht hatte und mich schon frühzeitig versorgt zu haben schien.
Nun konzentrierte ich mich auf mich selbst und nicht meinen Durst. Was war passiert? Schnell kehrten meine Erinnerungen zurück. Du hattest mich, die lästige Wache, kurzzeitig ausgeschaltet und mehr wusste ich nicht. Vermutlich warst du geflohen.
Vorsichtig, um meinen Kreislauf nicht zu übernehmen, setzte ich mich auf und nahm einige Bissen von der Maus. Mit Überraschung merkte ich, dass ich eigentlich schon wieder recht fit war und ich sah nach draußen. Ob Minzbart etwas dagegen hatte, wenn ich raus ging? Bestimmt... Nicht, dachte ich mir und erhob mich langsam, um mich erstmal noch mal zu strecken.
Schließlich tappte ich los und schlüpfte durch die Felsspalte aus dem Bau, bevor ich mich davor auch niederließ und die Wintersonne auf mein Gesicht strahlen ließ. Es kam mir so falsch vor, dass die Sonne einfach weiter schien, als wäre nichts passiert.
Schmerz wallte in mir auf, als ich an dich dachte. Du mit deinem dunkelroten Fell, den aussagekräftigen, bernsteinfarbenen Augen und deinem ernsthaften Wesen, mit dem du mich so schnell erobert hattest. Mit deiner Ruhe, die jetzt weg war. Die einer kühlen Verschlossenheit Platz gemacht hatte.
Und wärst du jetzt vor mir und ein normales Clanmitglied, hätte ich dir gesagt, dass mein Herz dir gehört.Im Laufe des Tages kamen mehrere Katzen vorbei und redeten mit mir.
Erst Kleefall, von der ich am wenigsten erwartet hätte, sie so verärgert zu sehen. Sie war normalerweise recht neutral und machte weiterhin ihre komischen Kommentare."Hallo", war das erste, was an diesem Morgen zu mir gesagt wurde. "Er war fies zu dir."
Und ich habe meine Schwester damals kein einziges Mal angeschaut.Kannst du dir das vorstellen? Einfach so angesprochen zu werden? Ja, sie hatte recht. Ja, sie brachte es exakt auf den Punkt. Aber warum musste sie es so ausdrücken? Du warst so viel mehr, als nur fies. Sie sah nur das, was du in deiner Wut getan hattest.
"Du hast mehr verdient als ihn. Vergiss ihn einfach", redete sie auf mich ein und ich verzog bei ihren Worten leicht das Gesicht.
Ich konnte dich nicht so einfach loslassen! Vergessen. Dieses Wort klang so bitter, so schwer. So... Enttäuscht.Kleefall lächelte mich aufmunternd an, während sie auch schon wegging. Ich sah nur in die Leere und schwieg, als sich Lockenreif neben mir niederließ.
"Es tut weh, oder?", fragte sie und ich erwiderte erstmal nichts.
"Ja", miaute ich schließlich und erschauderte in der Kälte. "Es fühlt sich an, als würde ich in Flammen stehen."
Und so war es wirklich. Der Schmerz loderte in meinem Herzen wie eine Flamme, die immer weiter wuchs und mich auffraß. Warum wurde ich ausgerechnet heute all das gefragt?
"Verstehe", antwortete meine Schwester mit dem weißen, gelb gepunkteten und gelockten Fell und nickte.
,Ich verstehe' ist gefährlich. Es kann so schnell falsch verstanden werden und wenn ich eins gelernt habe, dann ist es, dass man nie etwas komplett versteht, weil einem immer etwas verborgen ist, auch wenn man das glaubt. Ich habe so vieles geglaubt, damals, und so viel stellte sich als falsch heraus.
Nach einer Weile ging auch Lockenreif und die nächste, die daraufhin neben mir saß, war Himbeersturm. Hatten meine Schwestern das geplant oder war das Zufall?
Diesmal sah ich sie an und betrachtete die Wunde an ihrem Hals. Sie schien gut zu heilen, aber ganz normal waren die Haut und das Fell noch nicht, eine Narbe würde sowieso bleiben. Himbeersturm blickte mich direkt an und in ihrem Blick lag etwas Leeres.
"Er hat die Jungen mitgenommen", sagte sie tonlos und äußerlich sah ich wohl entsetzt aus, doch innerlich ließ mich das merkwürdig kalt. Ich interessierte mich nur für dich.
"Sprich doch mal mit Strömpfote", schlug meine Schwester nun zwinkernd vor, doch mir war nicht nach Lachen zumute. Himbeersturm schien das zu merken und erhob sich langsam.
"Bis später", verabschiedete sie sich und ich hörte sie leise fluchen, als sie aus meinem Blickfeld entschwand, sie hatte eine dünne Blutspur auf dem Boden hinterlassen.
Später kam noch Strömpfote zu mir. Der blaugraue Schüler mit der Tropfen-Zeichnung auf der Stirn hatte wohl beschlossen, mich aufzusuchen, statt dass ich zu ihm ging - was wohl auch besser gewesen war, denn hätte er es nicht getan, wäre es wohl nie passiert.
"Liliensee, weißt du - Ich finde, du solltest dich auf das konzentrieren, was jetzt ist", hob er an und hatte unser Gespräch damit schon beendet, noch so eine Konversation über dich und die Zukunft konnte ich jetzt nicht gebrauchen.
"Ich - Ich komme gleich wieder", krächzte ich und beachtete die Verletztheit in seinen zuvor erwartungsvollen Augen nicht.
Ich musste hier weg. Ich hielt es einfach nicht mehr aus! Alle redeten über dich, als wärst du ein Schwerverbrecher und taten so, als könnte man dich einfach vergessen. Ich wollte dich nicht einmal vergessen! Vergessen war etwas schlechtes.Ohne, dass jemand mich aufhielt, stürmte ich aus dem Lager. Meine Pfoten trugen mich immer weiter, an den Bäumen vorbei und schließlich über die Grenze, doch ich blieb nicht stehen.
Aber wenn ich damals gewusst hätte, dass ich dieses Territorium so schnell nicht wiedersehen würde, wäre ich vielleicht zurückgelaufen und alles wäre anders ausgegangen.
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Warrior Cats - Als du kamst
FanfictionManchmal frage ich mich, warum du es erst am Ende gemerkt hast. Als es schon zu spät war. Als es für dich schon zu spät war. Aber darauf folgt die Frage, was passiert wäre, wenn du einfach hingeschaut hättest. Wäre alles gut ausgegangen? Hättest du...