Der Poltergeist

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Am nächsten Morgen erwachte Sirius voller Vorfreude – es war also kein Traum gewesen. Er setzte sich in seinem Bett auf und sah sich um. Nein, definitiv kein Traum. Die Vorhänge der Betten waren immer noch tiefrot, und die Betten standen kreuz und quer im Raum verteilt. In ihnen schliefen dieselben drei Jungen, mit denen er im Abteil gesessen hatte.

Nach und nach wachten die anderen auf. Ihre Blicke sprachen Bände. Vermutlich freuten auch sie sich darüber, dass es kein Traum gewesen war. Bis auf James. Der war lässig wie eh und je.

Gemeinsam zogen sie sich an und machten sich auf den Weg in die Große Halle – oder besser gesagt auf die Suche danach, denn den Weg zu finden, war schwerer als gedacht. Es gab nämlich insgesamt einhundertzweiundvierzig Treppen, die teilweise einfach nach Belieben die Richtung änderten. Noch dazu sahen die Gänge bei Tageslicht allesamt anders aus als vergangenen Abend, und einige Wände gaben vor, eine Tür zu sein, sodass regelmäßig ein Erstklässler mit blutiger Nase davonschlich. James vermutete, dass sie dies nur taten, um die Schüler zu ärgern, denn manchmal hörte man aus der Wand ein leises Kichern.

Als sie nach gut einer halben Stunde noch immer nicht den Weg in die Große Halle gefunden hatten, stießen sie auf einen der Geister, den sie noch nicht gesehen hatten. Er war klein und hatte böse, dunkle Augen. Sie wussten gleich, dass er nicht so war wie die anderen Geister, denn als sie ihn sahen, war er gerade aus der Luft heraus vor einem Schüler aufgetaucht, der daraufhin kreischend davongelaufen war. Der Geist lachte gackernd und wartete – wieder unsichtbar werdend – auf sein nächstes Opfer.

Peter packte James am Umhang. „Sollen wir da wirklich vorbeigehen?"

James' Antwort war wie erwartet. „Wir sind Gryffindors, verdammt nochmal. Also los."

Sie gingen los, Peter stammelte leise vor sich hin. Als sie an der Stelle ankamen, an der der Geist erschienen war, drehten sich James und Sirius – die beide dieselbe Idee zu haben schienen – um und riefen zugleich mit dem Geist: „BUH!"

Vor lauter Überraschung machte dieser einen Salto in der Luft.

James lachte. „Erwischt! Uns legst du nicht so leicht rein!"

Die Miene des Geistes erheiterte sich kein bisschen. „Euch werde ich im Auge behalten. Niemand spielt Peeves ungestraft einen Streich!" Mit diesen Worten schwebte er leise fluchend davon.

„Verdammt, James", murmelte Sirius, „wir hätten ihn nach dem Weg fragen können."

Remus sah ihn entgeistert an. „Einen Poltergeist nach dem Weg fragen? Viel Glück dabei..."

Ein leises Räuspern drang plötzlich aus einem der Portraits an der Wand. Ein älterer Zauberer mit dunkelviolettem Umhang lächelte ihnen aus seinem Bilderrahmen aus freundlich zu. „Ihr sucht den Weg in die Große Halle, nicht wahr? Geht den Gang weiter, dann nach links, zwei Treppen hinunter und dann nach rechts."

Die vier bedankten sich und eilten den Gang entlang, so wie es der Zauberer im Portrait beschrieben hatte. Damit war es ein Leichtes, die Große Halle zu finden – allerdings hatten sie nur wenige Minuten Zeit, ihr Frühstück hinunterzuschlingen, da schon bald die erste Unterrichtsstunde anfing.

Also hasteten sie erneut durch die Gänge des Schlosses, und sie waren heilfroh, Lily zu sehen, denn so wussten sie, dass sie richtig waren. Sie stand, wie einige weitere Erstklässler auch – sie hatten gemeinsam mit den Ravenclaws –, vor einer Tür und wartete darauf, den Raum betreten zu dürfen. Als sie James und Sirius sah, wandte sie ihnen demonstrativ den Rücken zu und verschränkte die Arme.

Ihren ersten Unterricht hatten sie in Verwandlung. Unglücklicherweise war Professor McGonagall, die Hauslehrerin von Gryffindor, genauso streng, wie ihr Aussehen vermuten ließ. Nur weil sie Gryffindors waren, wurden sie keineswegs bevorzugt.

The Marauders' Book - Jahr 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt