Tag 8 - Letzte Stunde

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(Exorzisten AU)

"Dein Ernst?" Es war Gen, der eine Augenbraue nach oben gezogen hatte und nun mit verschränkten Armen die junge Frau vor ihm ansah. Ihm entkam ein Seufzen, als er merkte, seine Haltung konnte ihren Willen nicht ändern. Er gab klein bei. "Du bist dir wirklich sicher, dass du das alleine schaffst?"

Auf den Lippen der Dunkelhaarigen lag ein Grinsen. "Aber natürlich!" Mit einer Hand hielt sie ihre Mala hoch. Die kleinen lila schimmernden Perlen aus Amethyst reflektierten das künstliche Licht der Deckenlampe. "Das wird einfach werden." Sie drehte sich in Richtung des Flures. Beide standen im Treppenhaus einer Universität. "Und du wirst die Studenten evakuieren. Sie dürfen nicht dazwischen funken." Und noch bevor der Blonde etwas sagen konnte, hatte sie die glasige Tür aufgerissen und rannte den Flur entlang. Gen schüttelte nur mit seinem Kopf. Entschlossen rief er ihr hinterher. "Lilithian! Stirb mir nicht weg!"

Die junge Frau hörte die Worte ihres Bruders. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht, als sie eine Ecke umrundete und in den nächsten Gang lief. Voller Tatendrang blickte sie geradeaus. Dieses Monster zu vernichten sollte eine Kleinigkeit werden. Schließlich waren sie doch Exorzisten!

Die Schließfächer begannen zu klappern. Ihre Türen öffneten sich, nur um danach wieder zu geschlagen zu werden. Sofort stoppte Lilithian. Die Lampen flackerten und die Fensterscheiben bebten. Es war hier. "Du wirst uns nicht entkommen." Mit Schwung hob sie ihren rechten Arm samt der Gebetskette in die Luft. Die Amethysten begannen zu pulsieren. Das Zeichen, dass ein Dämon sich in ihrer Nähe befand.

Die Fenster sprangen auf und kalter Wind füllte den Flur. Er trug ein leises Flüstern durch die Luft und die Dunkelhaarige blickte auf den Eingang des nächsten Treppenhauses. Dort stand er. Eine unmenschliche und groteske Gestalt, die jeden normalen Menschen hätte zum schreien gebracht. Die grüne Haut platzte an einigen Stellen auf und ekelhafte schwarze Flüssigkeit tropfte aus den Stellen. Die Augen fehlten und die gelben Zähne triften nur so von Gift, welches den Boden schmolz, sobald die Tropfen auf den Belag fielen.

"Ein Ghoul?" Lilithian nahm die Mala herunter und stellte sich kampfbereit hin. "Nein. Für ein Ghoul noch zu menschlich." In Sekundenschnelle jagte sie auf das Wesen zu. Es machte keine Anstalten, ihr aus zu weichen. Stattdessen beugte es sich nach vorne und ließ sein Gift den Boden schmelzen. "Und zu intelligent!" Rechtzeitig konnte sie noch vor der Pfütze stehen bleiben. Nur eine Berührung würde sie auflösen. Sie musste vorsichtig sein!

Die junge Frau nahm ihre Kette in die linke Hand. Sie wollte erneut auf das Ding zu laufen, doch ein Wimmern ließ sie stocken. Jemand weinte. Sofort nahm Lilithian Anlauf und sprang an eine Lampe. Mit einer, für sie seltenen, Akrobatik schwang sie über das Wesen hinüber und landete vor der Glastür zum Eingang. Schnell stieß sie diese auf und blickte die Stufen hinunter. "Was zur Hölle?!"

Dort lagen unzählige Studenten. Ihre Körper waren verdreht und misshandelt. Allen fehlten Arme oder Beine. Und deutlich stachen die Bisswunden hervor, die von dem Gift begannen sich zu verätzen.

"Klar. Kein Ghoul." Schnell holte Lilithian ihr Handy aus der Manteltasche und rief ihren Bruder an. Nur nach wenigen Signaltönen nahm er ab. "Was gibt es?" Man hörte, wie er auf Parkett lief. "Im westlichen Treppenaufgang habe ich Leichen gefunden. Einige leben noch. Sie haben Bissspuren und ihnen fehlen Arme und Beine." Stille. Gen hielt anscheinend in allen Bewegungen inne. "Ein Ghoul?"

Ein Brüllen erklang. "Nein. Schlimmer. Er nutzt eine Säure, um Dinge zu verätzen." Das Wesen näherte sich der Dunkelhaarigen langsam. "Gen. Wir haben es mit einer Art Jikininki zu tun." Sie wich gerade einer Faust aus. Der Dämon hatte damit begonnen, sie anzugreifen. "Ich lege auf. Er wird aggressiv. Sammele du die andern ein." Und damit legte sie auf und warf ihr Handy zur Seite.

"Du Mistkerl. Schmecken dir die Studenten?" Aus ihrer Tasche zog sie einige Zettel. Sie waren blank, doch als die junge Frau sie auf den Jikininki warf, leuchteten sie auf und mit schwarzer Tinte standen dort Bannsiegel geschrieben. Sie explodierten, als sie den Dämon trafen, dieser war jedoch nicht sonderlich begeistert und grölte erneut los.

Schon öfters hatten die Geschwister es mit seltsamen Dämonen zu tun, aber dieses Ding schien den Rahmen zu sprengen. Seine Art konnte kein Gift einsetzen, aber warum er?

Lilithian und der Jikininki schienen wie ihn einem Tanz zu sein. Ihre Schläge wichen sie aus und keiner konnte treffen. Doch dann nahm der Dämon seine eine Hand und ließ seine Gift auf diese tropfen. So konnte die junge Frau nicht näher kommen. Die Wahrscheinlichkeit getroffen und verätzt zu werden, war zu groß. Sie konnte nichts riskieren.

"Du bist einfach nur lästig." Die Dunkelhaarige wollte einen Schritt nach hinten machen, doch durch ihren kleinen Schlagabtausch, war sie zu dicht an der Treppe. Sie taumelte und fiel die Stufen hinunter, doch bevor sie aufkam, fingen zwei Arme sie ab.

"Und du schaffst das wirklich alleine?" Gen setzte sie vorsichtig ab und blickte hinauf zu dem Wesen. Seine Miene ernst. "Roku-Jikininki. Ich mach das." Von seinem Gürtel nahm er drei Stäbe, die er zusammensteckte. Es war seine Waffe.

Erleichtert sah Lilithian, wie ihr Bruder diesen Stab schwang und unzählige kleine leuchtende Insekten aus dem Nichts kamen und den Dämon umzingelten. Dieser war davon so abgelenkt, dass er nicht merkte, wie der Blonde auf ihn zu lief und mit dem Stab ausholte. Ein satter Schlag auf den Schädel. Die Stelle leuchtete und die Insekten jagten auf die Kreatur zu. Sie fraßen sich durch das verfaulte Fleisch bis nicht mehr übrig war.

"Super, Brüderchen!" Die Dunkelhaarige legte ihm einen Arm um die Schulter und grinste.

"Du sollst Bescheid sagen, wenn jemand Gift nutzt. Wir wissen beide, dass du keine Chance hast mit Nahkampf." Mit einem Seufzer wandte er sich zu seinen Insekten, die noch im Raum flogen. "Du hattest Glück, dass ich sie immer aktiviert habe."

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