Tag 14 - Januar

3 1 0
                                    

(Ausschnitt aus "Urteil und Bestrafung", ein Buch in Entwicklung)

Die Lichter der alten und verrosteten Laternen, die wahrscheinlich seit Jahrzehnten unberührt stehen, wirkten fahl und erleuchteten nur einen kleinen Teil der dunklen Straße. Der eisige Wind des Winters blies mir die unzähligen kleinen Flocken in das blasse von Narben übersäte Gesicht und lies mich eklig erschaudern. Wie ich es hasste so spät noch durch die leeren verkümmerten Straßen zu wandern. Wäre ich alleine, so würde ich laut stark die schlimmsten Flüche, die die Hölle je gehört hätte, ausstoßen. Doch das kleine Mädchen an meiner Hand, so rein und unschuldig, sollte den bösen Worten eines Mannes, wie ich es einer bin, nicht lauschen.

>>Wo gehen wir hin?<< Ihre grauen Augen wirkten so voller Leben, welches mich tatsächlich zu überraschen schien. In einer Gasse liegend, alleine und zusammengekauert, wartend auf den süßen Tod, als Erlösung ihres erbärmlichen Daseins.

>>Zu mir.<< Ich war nie ein Mann der vielen Worte. So auch jetzt fand ich es nicht nötig, mehr als die wichtigsten Worte zu sprechen und dem Mädchen die Information unseres Zieles zu übermitteln.

>>Wie ist dein Name?<< Ihr zögerlicher Blick war auf den abgenutzten Stein des alten Kopfsteinpflaster gerichtet. Die verfilzten langen blonden Haare, wahrscheinlich mit Läusen und diversen Ungeziefer, hing ihr tief ins Gesicht und ich fragte mich, ob ich nicht wirklich auch gerade Spinnen herumwandern gesehen zu haben.

>>Brauchst du nicht wissen.<< Leider machte es die Kleine nicht glücklich und mir war so, als hörte ich sie enttäuschend ausatmend und ihre Schultern sackten etwas nach unten. Es entkam mir ein Seufzen. >>Nenn mich Circle.<<

Überraschend erhob sie Haupt und die Augen glitzerten verwirrt auf, mir war es unheimlich, wie ihre Iriden so viel Emotionen ausdrücken. >>Circle? Wie Kreis?<< Alle Achtung. Dumm schien sie nicht zu sein. Bevor sie so von Elend heim gesucht wurde, durfte sie zur Schule? Ihr zierlicher Körper wirkte nicht älter als ein Jahrzehnt, aber der zerrissene Zustand ihrer Lumpenkleider zeigte eher, dass sie ärmliche Verhältnisse lebte, also dachte ich nicht, dass sie eine Art an Bildung genossen hatte.

>>Genau.<< Danach blieb es still auf unserem Weg in meine vier Wände. Das einzige, was noch in dieser kalten Nachtwanderung zu hören war, war ihre leise Stimme, die mir ihren eigenen Namen verriet. >>Jane<< Einfach und unauffällig. In der Masse für ihr zarter Name untergehen und in der Menge der anderen gänzlich ertrinken und vergessen werden.

Nach dem fahlen Austausch unserer Namen, hüllte uns endlich wieder diese bescheidene Stille ein, die Tag für Tag stets aufrecht erhielt und genoss. Das Mädchen schien es, so wie sie sichtlich versuchte es nicht zu zeigen, zu mögen. Gedanken und Fragen schwebten durch den kleinen Kopf und wollten in die weite Welt entlassen werden. Jedoch schien ihre, für mich sehr erstaunliche, Intelligenz sie davon ab zu bringen, ihre Sorgen zu äußern.

Shot-ventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt