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Bastian Wood.

Der Typ, dem ich am liebsten nie wieder begegnet wäre, sitzt nun direkt vor mir in dem geräumigen Audi und lenkt ihn aus der diesigen Stadt heraus. Dennoch ist er mir so nah, dass ich noch immer sein Aftershave rieche.

Natürlich war selbst ich nicht so blöd zu denken, dass die Rechnung tatsächlich aufgehen könne - schließlich ist er Lauras großer Bruder und eine erneute Begegnung deshalb vorprogrammiert. Allerdings hatte ich wirklich gehofft, dass sie im Vorbeigehen bei einem Besuch bei ihr stattfinden würde. Eine Begegnung, bei der ich mich vorher darauf einstellen und ihm einfach ein kurzes Nicken als Begrüßung zuwerfen könnte, um anschließend in Lauras Zimmer zu fliehen.

Mit dieser Situation hier bin ich auf jeden Fall komplett überfordert. Zumal es sich als sehr schwierig erweisen sollte, jemandem mehrere Tage aus dem Weg gehen, wenn man unter dem gleichen Dach schläft.


Obwohl ich weiß, dass ich es nicht tun sollte, kann ich nicht anders, als ihn heimlich durch den Rückspiegel hindurch zu mustern.

Seine Miene ist entspannt, als er schließlich über die Autobahn heizt und sich nebenbei mit Mike unterhält. Als würde es ihm gar nichts ausmachen, hier im selben Wagen mit mir zu sitzen. Als wäre nichts passiert.

Zu meinem Bedauern sieht er zudem auch noch ebenso gut aus wie damals. Wenn nicht sogar attraktiver. Das dunkle Haar, von dem ich weiß, wie weich es sich anfühlt, fällt ihm, gesund glänzend, ins frisch rasierte Gesicht. Mit den hohen Wangenknochen, den buschigen Augenbrauen und dem kantigen Kiefer, in Zusammenspiel mit diesen tiefblauen Augen, könnte er direkt einem Hochglanzmagazin entspringen. - Wäre da nicht die verwegene Narbe über seiner linken Augenbraue, die sich wie ein drastischer Stilbruch durch ein perfektes Gemälde zieht.

Den Makel den ich an ihm liebe. Zum einen, da er ihn menschlicher und weniger perfekt wirken lässt und zum anderen wegen der Geschichte dahinter. Er hat ihn sich nämlich in der Kindheit zugezogen, als er Laura vor einem Nachbarjungen verteidigt hat.

In diesem Moment schaut er ohne jede Vorwarnung hoch und ertappt mich beim Gaffen. Für einen Bruchteil treffen sich unsere Blicke im Spiegel. Dann verziehen sich seine Mundwinkel zu einem belustigten und zugleich wissenden Grinsen. Schnell reiße ich meinen Blick los, während mir das Blut mir ins Gesicht schießt. Unwohl rutsche ich auf meinem Sitz hin und her. Doch das Gefühl seiner Augen auf mir will einfach nicht verschwinden. 

Auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Sicherlich amüsiert ihn der Gedanke an unsere letzte Begegnung so prächtig! Wie erniedrigend! Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten.

Laura, die anfänglich von unserem gemeinsamen Urlaub und mittlerweile von ihrem Studium quasselt, scheint die seltsamen Schwingungen im Wagen zu bemerken und hält mitten in ihrer Erzählung inne.

"Alles in Ordnung mit dir?" Besorgt runzelt sie ihre feine Stirn. "Sag nicht, dir wird bei langen Autofahrten immer noch schlecht."

"Neinnein", beeile ich mich zu sagen, während ich versuche, meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Wenn es überhaupt im Bereich der Möglichkeit ist, färbt sich meine Hautfarbe jedoch noch dunkler. Nur bei langen Autofahrten mit Basti, füge ich in Gedanken hinzu.

Meine beste Freundin ist zu Recht noch immer wenig überzeugt. "Ist wirklich alles okay? Du wirkst so..." Sie sucht nach den richtigen Worten.

Mir ist durchaus bewusst, dass er jedes einzelne Wort unserer Unterhaltung mitbekommt, weshalb ich ihr schnell das Wort abschneide, um größeren Schaden abzuwenden: "Ja, Laula. Mir geht es gut. Ist sicherlich nur der Jetlag."

Sie scheint mir die Notlüge, welche gar nicht so weit hergeholt ist, da ich erst gestern zurückgeflogen bin, tatsächlich abzukaufen. "Oh. Vielleicht solltest du dich ausruhen, bevor wir ankommen."

"Ja, vielleicht sollte ich das", stimme ich ihr zu. Ich sehe einen Hauch Enttäuschung über ihr Gesicht huschen, auch wenn sie sich bemüht, diese zu verstecken. Wahrscheinlich darüber, dass sich unsere Unterhaltung dadurch nach hinten verschiebt.

Augenblicklich erfassen mich Schuldgefühle. Doch da der Schlafmangel, tatsächlich an mir zehrt und ich unbedingt fit sein möchte, wenn wir ankommen, schließe ich letztendlich meine Lider. Kurz bevor ich in den Schlaf gleite, nehme ich mir vor, Basti davon überzeugen, dass mir seine Gegenwart auch nichts ausmacht. - Und am besten mich selbst gleich mit. Denn ich werde mir sicherlich nicht den Urlaub mit meiner besten Freundin von ihm verderben lassen!

Sparkling eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt