Lass es hinter dir

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Bevor ich an seine Bürotür klopfte, atmete ich nochmals tief ein und aus. Was wollte ich sagen? Wollte ich überhaupt etwas sagen? In Wirklichkeit erhoffte ich mir doch eher Worte von ihm oder?
„Name und Anliegen", drang die wohlvertraute Stimme an mein Ohr.
„Ich bin es...", sagte ich zaghaft, doch bekam keine Antwort. Stattdessen hörte ich, wie Levi aufstand, zur Tür ging und mir schließlich öffnete.
„Du bist aufgestanden", war seine Begrüßung, während ich eintrat.
„Wie es aussieht, ja... ich bin wieder auf den Beinen", die Stimmung war unangenehm. Wieso nahm er mich nicht in den Arm, wieso...-
„Darf ich.. darf ich dich..?", fragte Levi mich zögerlich.
„Natürlich", hauchte ich und fiel ihm um den Hals. Tränen stiegen mir in die Augen, das war genau das, was ich jetzt brauchte. Er umschlang mich sanft aber doch stark und murmelte in mein Ohr.
„Ich liebe dich, ich liebe dich so sehr. Es ist.. es ist furchtbar was passiert ist...aber..", langsam löste er die Umarmung und blickte mir tief in die Augen, „aber wieso..", er schüttelte den Kopf.
„Wieso was?", hackte ich nach und runzelte meine Stirn.
„Hast du es gewusst?", fragte Levi mich direkt und streng.
„Nein!", kam es sofort von mir, „Nein.. ich.. hatte vielleicht eine Vermutung..?"
„Eine.. eine VERMUTUNG?", Levi wurde laut und ballte seine Fäuste, „Fuck, Lea! Selbst bei einer „Vermutung" hättest du es mir sagen sollen! Wieso – hast – du -mir -nichts -gesagt!?"
„Was hätte das geändert?", auch ich wurde nun laut.
„Alles! Das hätte verdammt nochmal alles geändert! Denkst du, ich hätte dich dann mit auf diese Expedition genommen?"
„Ach? DU hättest das dann entschieden? Ich hätte das nicht entscheiden können oder wie?"
„Ich bin immer noch dein Vorgesetzter!", empörte sich Levi, „Und ich hätte nie, niemals zugelassen, dass du das Leben unseres Kindes aufs Spiel setzt", sagte er mit einer bedrohlich leisen Stimme und starrte mich an.
Ich konnte es nicht fassen, warf er mir gerade vor, ich wäre schuld am Tod des ungeborenen Kindes? Meine Kehle schnürte sich vor Wut zu, ich wusste nicht was ich erwidern sollte oder wie, keinen Ton hätte ich raus gebracht. Stattdessen lief ich zur Tür und floh auf mein eigenes Zimmer.
Eine Mischung aus Wut, Trauer und Verzweiflung gärte in mir. Eigentlich hätte ich mich ausruhen sollen, doch meine Emotionen hielten mich wach und am Grübeln. Ich sah auf die Uhr: es war inzwischen Abend. All diese zwischenmenschlichen Probleme! Warum bin ich nochmal in den Aufklärungstrupp gegangen? Ich wollte helfen, mich selbst verwirklichen. Eine Beziehung, ein Partner oder gar ein Kind waren nie geplant! Lass es hinter die Lea, sagte ich mir, lass es hinter dir.
___________
In meiner fast kompletten Montur betrat ich den Speisesaal. Ich hatte die 3-D-Manöver Riemen an und meinen Dolch unter meiner Jacke. Damit sollte ein Zeichen gesetzt werden: Ich war wieder voll im Spiel, ich würde mich in Zukunft wieder auf meinen Job konzentrieren. Nur ein paar Augen richteten sich auf mich, anscheinend hatte man tatsächlich dicht gehalten, was meine „Verletzung" anging. Selbst Hanji begrüßte mich ganz normal, als hätte ich nur einen Schwächeanfall gehabt.
„Du hast es dir wohl gut gehen lassen auf der Krankenstation was?", sie lächelte mich an und zwinkerte. Sie hatte keine Ahnung, was für ein Gefühlschaos die letzten Tage und Stunden waren. Äußerlich war ich ruhig aber innerlich geladen.
Ich holte mir eine Schüssel und schlang den ekligen Haferbrei in mich rein. Fast war die Schüssel leer als ich sah, das Levi an den Tisch trat und sich setzen wollte – gegenüber von mir. Ich senkte den Blick und vermied es ihn anzusehen. Plötzlich sah ich, wie vor mir in meinem Blickfeld eine gefüllte Teetasse abgestellt wurde und mit der Hand weiter zu mir geschoben wurde. Ich sah auf und sah in Levis graue Augen, er setzte sich mir gegenüber und wartete auf meine Reaktion. Ein Friedensangebot? Eine beschissene Tasse Tee? Nach dem was er zu mir gesagt hat? Ich stand auf, nahm die Teetasse und lies sich die Flüssigkeit langsam auf den Boden ergießen. Dabei sah ich Levi wütend in die Augen. Der Speisesaal war komplett still geworden, so dass man hörte, wie ich die Tasse langsam auf den Tisch absetzte. Zufrieden drehte ich mich um und wollte einen Abgang hinlegen, wurde jedoch am Arm zurück gehalten. Wie konnte er so schnell sein?
„Was sollte das?", fragte Levi angepisst, während er meinen Arm gepackt hielt.
Vor Wut entriss ich ihm meinen Arm und stellte mich ihm entgegen. Ich war einfach nur sauer, ich wusste doch auch nicht was das eben sollte!
„Dr. King, ich habe gefragt, was das eben sollte!", alle Soldaten hörten gespannt mit.
„Ach, jetzt bin ich wieder „Dr. King" was? Das ist so... so lächerlich Levi!", schrie ich ihn an. Ja! Diese ganze Wut, sie musste raus. Es war mir einfach nur noch alles egal, er sollte sich doch sonstwo hinverpissen! „Diese ganze Sache war einfach nur LÄCHERLICH!", schrie ich ihn nochmal an.
„Lächerlich? Ja?", seine Wut war aus der Stimme zu hören, „weißt du was ich nicht lächerlich finde, das DU UNSER KIND GETÖTET HAST!", er hatte es gesagt. Er hatte es tatsächlich gesagt, das was er also die ganze Zeit schon dachte.
Meine Sicht wurde schlechter, denn meine Augen füllte sich mit Tränen. Tränen der Wut, Fassungslosigkeit und Trauer. Ich schüttelte den Kopf und sagte immer wieder „Nein.. nein.. nein".
Man sah wie Levi seine Worte bereute, er versuchte einen Schritt auf mich zu zu machen.
„Lea..", fing er an und streckte seine Hand aus, doch ich hatte eine Kurzschlussreaktion. Schneller als ich denken konnte, hatte ich meinen Dolch in der Hand und hielt die Klinge unter Levis Kinn. Dieser blieb erstarrt stehen.
„Fass – mich – nicht an...", sagte ich mit jeder Silbe betont und mit Wut in der Stimme. Doch ich merkte wie meine Hand zu zittern begann. Was zur Hölle tat ich da? Ich weinte, ich weinte nur noch und zitterte überall, immer noch die Klinge nach Levi ausgestreckt, unter Tränen erstickt, stammelte ich jetzt nur noch schwach:
„Fass.. mich.. nie mehr an.."
Ich nahm die Klinge runter und drehte mich um. Niemand folgte mir, ich lief aus dem Hauptquartier raus in die Nacht.

Der Corporal und die Ärztin 🍋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt