Als ich Montag aufstehe habe ich absolut keine Lust auf Schule. Weniger wegen der Fächer an sich, im Gegenteil, ich habe Mathe und Chemie und das ist eigentlich einer der besten Tage in der Woche, aber ich war so lange wach gestern, dass ich einfach nur müde bin.
Ich konnte nicht einschlafen und musste immer wieder der Versuchung widerstehen in mein Tagebuch zu schreiben. Ich weiß genau, dass ich mich sonst wieder selbst verletzt hätte und ich habe keinen Platz mehr am Bauch, ohne dass es dort tagsüber schmerzt, wenn ich mich bewege. Meine Beine kann ich nicht als Druckausgleich nutzen, da man es durch die Strumpfhosen sehen würde, zumindest am Anfang. Und meine Arme gehen schon gar nicht. Ich muss mich einfach zusammen reißen.
Wie es immer von anderen heißt: Sei einfach glücklich und nicht traurig.
Alleine dass ich diesen Satz denke, lässt mich schon wieder wütend werden. Menschen, die nicht wissen, wie es wirklich ist, am Tiefpunkt zu sein und nichts mehr zu fühlen, sollten sich aus solchen Angelegenheiten raus lassen.
Es nutzt nichts, ich muss langsam aufstehen, sonst bin ich zu spät und das war ich noch nie.Ich rappel mich also auf und mache mich für die Schule fertig. Kleidung, Haare, Makeup. Dann in der Küche etwas Essen und etwas für die Schule einpacken. Schultasche packen. Ich darf mein Sportzeug heute nicht vergessen, vor allem meine Strickjacke nicht, erinnere ich mich.
Pünktlich wie immer, steht Sof um 7.30 Uhr vor meiner Tür und wir fahren gemeinsam zur Schule.
Ich versuche ihr während der Fahrt noch etwas Mathe einzuflößen, aber wir beschließen es nach nicht mal fünf Minuten zu lassen. Ihrer Meinung nach würde es eh nichts mehr bringen.
Wir hören also wieder unsere Musik und singen stattdessen die restlichen 15 Minuten der Autofahrt.Der Test verläuft soweit ohne Probleme, ich schaue immer wieder mal zu Sof, die aussieht, als würde sie den Test am liebsten zerknüllen und wegwerfen. Ich muss schmunzeln.
Der restliche Tag verläuft unspektakulär. Ich Sport ziehe ich mich nicht in der Allgemeinen Mädchenumkleide sondern in der Damentoilette um, dass Niemand meine Narben und aktuellen Wunden sieht. Niemand fragt nach, denn ich mache es seit Beginn des Schuljahres so.
Volleyball entspannt mich ein wenig und blockiert meine negativen für ein paar Stunden, dementsprechend geht es mir nachmittags etwas besser, als Sof und ich uns zum dehnen und Hausaufgaben machen treffen.Daher entscheide ich mich abends endlich wieder in mein Tagebuch zu schreiben.
28.09.2020 (12. Klasse)
Liebes Tagebuch,
ich weiß, es ist eine Weile her, dass ich geschrieben habe, aus Angst vor den Gefühlen, die es mit sich bringt, wenn ich mich wirklich öffne, was ich nur kann, wenn ich schreibe. Ich weiß, dass ich quasi einen Monolog schreibe, aber ich ignoriere das für den Moment und glaube daran, dass ich es jemandem erzähle. Auch wenn dieser Jemand zunächst ich selbst bin.
Der Ballettuntericht ist wunderbar, er versetzt mich zurück in die Grundschule. Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch gut, denn ich hab den Unterricht damals geliebt. Ich habe gelernt das Ballett zu lieben und habe es wirklich vermisst, ich merke es mit jedem Tag, aber mit jedem Tag und jeder Ballettstunde mehr erinnert es mich auch die schlechten Zeiten von damals. Den Verlust meiner Freunde, meines Vaters. Es tut so weh und der Druck wird immer stärker und ich habe nicht geschrieben, aus Angst dass der Druck noch stärker wird, als er so schon ist, doch heute geht es mir dank des Volleyball-Unterrichts etwas besser und ich hoffe, dem ganzen stand halten zu können. Bisher geht es mir gut und ich merke nicht, ob der Druck stärker wird. Ein gutes Zeichen.
Denn, wenn ich nach gebe, wird es jeder bei der nächsten Stunde sehen, ich darf auf keinen Fall nach geben. Ich muss stark sein, aber es fällt so verdammt schwer.
Ich muss mich dem Schmerz stellen. Der Ballettunterricht war perfekt, ich habe gehasst es aufgegeben zu haben. Ich habe für so kurze Zeit Mom gehasst, weil sie es nicht ermöglicht hat, dass ich weiter tanzen konnte, aber dieser Hass richtete sich schnell gegen meinen Vater, der es verdient gehasst zu werden. Er hat erneut geheiratet und egal, was seine Braut auch immer erzählt hat, ich glaube nicht an den Zufall, dass sie ausgerechnet den Blumenladen meiner Mom gefunden hat. Mein Vater wollte, dass wir wissen, dass es ihm bestens geht. Aber weißt du was? Uns geht es prächtig. Der Laden meiner Mom läuft so gut, dass ich endlich wieder Ballett tanzen kann, das lasse ich mir nicht von ihm kaputt machen, er hat nicht verdient, dass wir noch weiter über ihn reden oder gar nachdenken. Für mich ist und bleibt er gestorben. Er hat einen Fehler gemacht und wir mussten darunter leiden, aber es geht uns bestens.
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Wäre es nicht deutlich einfacher zu gehen? (Wird Überarbeitet)
Teen FictionZu lange schon lebt sie in dieser undankbaren Welt, in der es scheint, als würde sich alles gegen sie wenden. Alles, was sie anfängt, wird vom Leben zunichte gemacht. Zumindest denkt sie das. Die Wahrheit ist oft das, was eine Person selbst nicht w...