In den nächsten zwei Wochen spielt sich langsam der Schulalltag ein. Sof und ich verstehen uns immer besser und ich fange sogar im Unterricht an, öfter mal eine Antwort zu geben, sehr zum Erstaunen der Lehrer und Sof. Mir geht es soweit gut. Sof tut mir gut. Meine Wunden werden langsam zu Narben und verblassen immer mehr von Tag zu Tag, auch wenn ich weiß, dass sie nie vollständig verschwinden werden. Es wird leichter sie zu verstecken. Niemand fragt nach.
Sof kommt nach der Schule meist mit zu mir, entweder lernen wir dann für Bio oder singen ein wenig, während ich Gitarre spiele. Es hilft uns beiden. Sie holt langsam den Stoff von Bio auf, der ihr durch den Schulwechsel gefehlt hat und ich spiele regelmäßig mein geliebtes Instrument. Ich habe ihr mittlerweile den Song gezeigt, an dem ich arbeite und sie ist begeistert. Noch war sie so rücksichtsvoll und hat nicht nach den Hintergründen des Songs gefragt und ich bin ihr dankbar für jeden Tag, an dem sie es nicht tut, denn mit jedem Tag fühle ich mich gewappneter ihr zu erzählen, was passiert ist und was die Gründe für den Song sind.Heute ist Freitag, das heißt wirr haben Spanisch zusammen und sehen uns dann, abgesehen von den Pausen natürlich, in Mathe wieder, bevor wir gemeinsam nach Hause fahren. Es ist mittlerweile normal geworden, dass sie mich morgens und nach der Schule mit dem Auto mitnimmt und es erspart mir einiges an Zeit und Gedränge.
Spanisch ist eher unspektakulär. Dank Sof, rede ich in zumindest diesem Fach oft über irgendwelche andern Themen mit ihr, als dem eigentlichen Unterrichtsthema zu lauschen. Sie ist wirklich im richtigen Moment gekommen. Zumindest für ein paar Wochen.Wir gehen zu mittlerweile unserem Stammplatz auf dem Schulhof.
"Du hast mitten in Spanisch gelacht und die ganze Aufmerksamkeit auf dich gezogen! Hab ich heute morgen eausversehen einen Clone von dir mitgenommen?" Als ich wieder daran denke, was sie gesagt hat, beginne ich erneut zu lachen. Sof stimmt mit ein. "Du hättest deine Grimassen sehen sollen, es war urkomisch." Wir müssen noch mehr Lachen.
Als wir uns langsam wieder beruhigt haben und nur noch grinsen müssen fragt Sof schließlich: " Weißt du schon, was du dieses Wochenende machst? Ich meine immerhin haben wir nicht allzu viele Hausaufgaben auf." "Mal schauen", erwidere ich, "meine Mom hat eine größere Bestellung an Blümensträußen und -gestecken bekommen, bei denen ich ihr heute Abend helfe, dass sie rechtzeitig fertig wird und morgen alles pünktlich ausliefern kann. Und du?"
"Ach wahrscheinlich gar nichts. Einfach mal faul rumliegen und Fernsehen, denke ich."
"Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du uns auch helfen. Meine Mom würde sich sicher über zwei weitere helfende Hände freuen", schlage ich ihr vor.
"Es wäre eine willkommene Abwechslung zu meinem sonstigen Wochenendplan. Ich bespreche das nachher einfach kurz mit meinen Eltern, aber ich denke das sollte kein Problem darstellen." Es klingelt zur nächsten Stunde.Der Schulalltag ist vorbei und ich warte Zuhause auf meine Mom. Sie kommt gerade zur Tür herein.
"Hey, mein Engel. Wie war die Schule?" "Ach, so wie immer", entgegne ich. "Ich habe Sofia gefragt, ob sie helfen würde, die Bestellung mit fertigzustellen. Sie fragt gerade noch ihre Eltern, ob sie Zeit hat und helfen darf. Ich hoffe, das war okay." Meine Mom guckt mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. "Ihr Kinder braucht doch nicht euren Freitagabend für meine Arbeit verschwenden." "Aber du weißt doch, dass ich gern helfe und Sof-", ich komme nicht dazu meinen Satz zu beenden, denn es klingelt an der Tür. Es ist Sof.
"Meine Eltern sind einverstanden. Unter der Bedingung, dass ich hier schlafe, sollte es zu spät werden." Meine Mom lächelt und nickt zustimmend. "Das stellt kein Problem dar. Ich danke euch beiden vielmals, dann lasst uns mal gleich zum Laden fahren."Die Fahrt dauert nicht lang. Wir hören Musik und singen wie immer, wenn wir einen Song kennen, mit. Dass die Lyrics, die wir singen, nicht immer die Richtigen sind, interessiert keinen von uns.
Mom öffnet die uLadentür nd bedeutet uns reinzugehen, sodass sie nach uns die Tür wieder abschließen kann. Ich traue mich fast schon nicht zu fragen, aber wenn sie so dringend Hilfe braucht, würde ich gern wissen, wieviel es eigentlich wird. "Wie groß ist denn die geplante Hochzeit, dass du Hilfe benötigst?", fragt Sof und scheint damit meine Gedanken gelesen zu haben. "Es sind wohl mehr als 700 Gäste eingeladen und jede Stuhlreihe bei der Trauung und jeder Tisch bei der anschließenden Feier, soll mit Gestecken aus meinem Laden gemacht werden. Ich habe fast 10.000 weiße Rosen, Orchideen, Lilien und kleine beige Blumen, für Akzente, bestellt um das alles anzufertigen. Hier liegt der Plan", sagt sie und deutet auf die Ladentheke zu der Sof und ich uns nun begeben. Ein großer Notizzettel mit vielen Zahlen und verschiedenen Blumengestecken liegt vor uns.
"Es kommen also ungefähr 100 Leute allein zur Trauung?", beginne ich. Mom nickt zustimmend. "Dafür brauche ich Gestecke, die wir an den Stuhlreihen befestigen können. Zehn Stück insgesamt. Zudem brauchen wir für den Zeremonieteil einen Blumenstrauß für die Braut, fünf Handgestecke für die Brautjungfern und die Trauzeugin und insgesamt sechs Ansteckblumen für die Männer."
Sof steht neben mir. Ich sehe ihr an, wie sie versucht die ganzen Zahlen zu verarbeiten. Ich flüstere ihr zu:"Bereust du es zugesagt zu haben?" Ich muss lächeln. Ich wecke sie mit meinem Satz wohl aus ihrer Starre. "Nein, nein. Ich wusste nur nicht, dass es so viel wird." Na warte nur ab, denke ich leise.
"Und zur eigentlichen Party kommen dann 700 Leute?", frage ich weiter. Sof wird immer blasser. "Ja, ungefähr, aber sie haben große Tische. Daher brauchen wir "nur" -sie deutet die Anführungszeichen mit ihren Fingern in der Luft an- 35 Gestecke, für die ganzen Tische und ein längeres Gesteck für den Tisch, an dem das Brautpaar sitzt."
Ich vergewissere mich, dass bei Sof alles in Ordnung ist und sie immer noch helfen möchte. Sie nickt nur stumm. Dann richte ich mich an meine Mom:" Hast du einen Plan, an dem wir dann abhaken können, wenn etwas fertig ist, dass wir sicher sind, dass alles vorhanden ist, bevor du die ganzen Sachen morgen auslieferst?" Sie schaut mich mit einiem Blick an, der bedeutet, dass ich die Liste gern erstellen kann. Ich erstelle die Liste, während Mom und Sof bereits mit den Tischgestecken anfangen. Sie zeigt uns einige, bis wir keine Anleitung mehr benötigen.
So arbeiten wir zu dritt an der Bestellung für diese riesige Hochzeit. Wer wohl so groß heiratet und dann in Moms kleinem Laden Blumen für die Feier bestellt? Bestimmt hat sie jemand von einer anderen Hochzeit weiter empfohlen. Auf Nachfrage von Sof erzählt Mom uns von der aufgeregten Braut, der Bräutigam kam wohl nie in den Laden um die Bestellung zu besprechen, er hat es alles seine Freundin bestimmen lassen. Er wird staunen, denke ich bei mir, während Mom anfängt zu erzählen."Sie sah sehr verliebt und glücklich aus, so wie eine Braut aussehen sollte, wenn sie über ihren Verlobten redete. Sie hatte wohl von irgendeiner Freundin von meinem kleinen Laden erfahren", beantwortet Mom meine unausgesprochene Frage. "Diese meinte, dass meine Blumen qualitätsmäßig die Besten in der Umgebung seien, vor allem in Verbindung mit meinen Preisen." Das flüchtige, stolze Lächeln, welches sie trägt, während sie davon erzählt entgeht mir nicht. Es bringt mich ebenfalls zum Lächeln. Sie hat es verdient.
"Hättest du dann nicht schon früher anfangen können, die Bestellung abzuarbeiten?", stellt Sof nun eine an meine Mom gerichtete Frage. Sie sieht verständlicher Weise etwas müde aus, denn von der ganzen Bestellung fehlen nur noch die fünf Handgestecke für die Brautjungfern und Trauzeugin. Meine Mom überhört den schroffen Ton in Sofs Frage und antwortet: "Leider nicht, nein. Hätte ich eher angefangen, hätten die meisten Blumen schon zu welken angefangen und wer will schon welkende Blumen auf seiner eigenen Hochzeit", sagt sie lachend.Nachdem alles erledigt und alle Blumen in Kisten verpackt und bereit zum Transport sind, verlassen wir zusammen den Laden und fahren nach Hause. Sof schläft bei uns, denn als wir Zuhause ankommen ist es bereits nach eins in der Früh.
Wir machen uns gemeinsam fürs Bett fertig. Ich leihe ihr eines meiner Shirts zum Schlafen und suche nach einer neuen Zahnbürste im Badschrank, während sie sich in meinem Zimmer umzieht.
Ich erledige wie jeden Tag noch meine Abendroutine, als Sof sich schon ins Bett legt und fast auf der Stelle einschläft. Als ich daher ins Zimmer komme,, nutze ich die Gelegenheit noch kurz in mein Tagebuch zu schreiben, bevor auch ich mich ins Bett lege.21.08.2020 (12. Klasse)
Liebes Tagebuch,
es ist bereits spät in der Nacht. Sof und ich haben Mom noch bei ihrer Bestellung für die große Hochzeit morgen geholfen.
Es war schön etwas mit Sof zu machen. Trotz des ganzen Geredes über Hochzeit bleibt in meinen Gedanken alles schwarz. Ich werde nie heiraten. Ich will nie heiraten, denn es ist alles schwarz. Es stimmt mich etwas traurig, denn Hochzeiten können so schön sein, wenn man den richtigen Partner gefunden hat. Es muss wundervoll sein, zu wissen, dass man das restliche Leben gemeinsam verbringt. Das wird es bei mir nicht geben. Nur noch ein paar Wochen, dann ist alles vorbei. Jeden Tag, den ich näher an mein geplantes Datum rücke, freue ich mich mehr. So sollte es nicht sein, würde ich wirklich Leben wollen. Es ist alles so verdammt schwarz.Heute Nacht schläft Sof bei mir, da es so spät geworden ist. Es ist mittlerweile fünf Tage her, dass ich mich das letzte Mal selbst verletzt habe, daher muss ich einen langen Schlafanzug tragen, dass Sof nicht merkt und sieht, wie und wer ich eigentlich wirklich bin, hinter der Fassade. Für heute widerstehe ich dem Druck und gehe einfach ins Bett.
Bis morgen!
Ich bin vor ihr wach. Ich höre, wie die Autotür meiner Mom zufällt. Ich ziehe meinen Bademantel über, lege einen Zweiten für Sof bereit und gehe runter in die Küche, in der ich auf meine Mom treffe. Als ich sie sehe, hätte ich genauso gut ein Gespenst sehen können, so blass ist sie. Sofort eile ich auf sie zu. "Um himmelswillen, was ist passiert? Hattest du einen Unfall?", sprudelt es nur so aus mir hervor. "Was ist? Sprich doch mit mir!", dränge ich sie. Ihr Kopf dreht sich langsam zu mir und mit dem bleichen Gesichtsausdruck den sie trägt sagt sie nur: "Es ist die Hochzeit deines Vaters."
Sofort schalten sich alle meine Sinne aus und ich sacke auf dem Küchenboden zusammen. Meine Gedanken überschlagen sich und ich sitze einfach nur da, mit den Knien vor meiner Brust und den Händen in den Haaren. Tränen rennen über meine Wangen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da gesessen habe, Sofia holt mich schließlich aus meiner Trance. Sie stellt keine Fragen und nimmt mich einfach nur in den Arm. Ich lasse es zu. Sie weiß nicht, was passiert ist, was die gründe für meinen Zusammenbruch sind, trotzdem ist sie da. Sie ist einfach so für mich da. Es ist Freundschaft, schießt es zwischen all den anderen Gedanken durch meinen Kopf.
05.05.2015 (6.Klasse)
Liebes Tagebuch,
er hat sich immer noch nicht gemeldet. Seit Tagen ist er nun einfach verschwunden. Ohne ein Wort. Mom weint immer noch jeden Abend. Sie denkt, ich höre sie nicht, aber es ist als würde sie neben mir sitzen und weinen. Hört dieser Schmerz denn niemals auf? Wenn er wieder da ist, wird alles wieder gut. Er muss einfach nur wiederkommen. Vielleicht musste er wegen der Arbeit länger verreisen und konnte nicht mehr Bescheid geben. Ja, so wird es sein. Morgen ist er sicher wieder da. Morgen sehe ich sicher meinen Papa wieder.
Bis morgen. Ich berichte dir dann morgen, wieso Papa so lange weg war und dass er wieder da ist. Er muss wieder da sein.
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Wäre es nicht deutlich einfacher zu gehen? (Wird Überarbeitet)
Novela JuvenilZu lange schon lebt sie in dieser undankbaren Welt, in der es scheint, als würde sich alles gegen sie wenden. Alles, was sie anfängt, wird vom Leben zunichte gemacht. Zumindest denkt sie das. Die Wahrheit ist oft das, was eine Person selbst nicht w...