Russland, Sankt Petersburg - 2013

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Tag 179 im Knast. Es sind fast sechs Monate vergangen, in denen ich hier eingesperrt war. Meine Mitbewohnerin kam vor zwei Tagen hier raus und an diesem Tag bekam ich eine Neue. Als wir uns das erste Mal trafen, bekam ich weder ein Hallo, noch eine andere freundliche Bemerkung.

Das erste was sie mich fragte, war, weshalb ich hier sei. Ich antwortete ihr nicht. Weshalb sollte ich auch? Ich war zu beschäftigt, mir eine Lösung zu überlegen. Da ich nicht bereit war mit ihr ein Gespräch zu führen, übernahm sie den größten Teil der Unterhaltung. „Ich habe einen Schnapsladen überfallen", erzählte sie. „Bin nicht wirklich stolz drauf, jedoch nachdem meine Mutter Selbstmord begann bin ich ziemlich abgestürzt."

Obwohl sie ziemlich viel sprach und nicht damit aufzuhören schien, war es eine Erleichterung nicht selbst sprechen zu müssen. Ich brauchte die Zeit zum Nachdenken.

Ich musste mir über diese Situation im klaren werden. "Man möchte mit dir reden",meinte plötzlich eine Wache aus dem russischem Gefängnis. Wir beide drehten uns zu dem Wärter um, welcher die Tür aufhielt und mich aufdringlich ansah. Ich folgte ihm. Nikita war derjenige der mit mir sprechen wollte. In unserer Kindheit haben wir eine Art Geheimsprache entwickelt und ausnahmsweise war sie uns vom Nutzen. Es waren Insider, die ich aus dem Zusammenhang zuordnen musste.

„Sobald du hier raus bist, werden wir nach Europa gehen."
Übersetzt bedeutet es soviel, dass ich die Flucht ergreifen werde. Das war einfach. Jedesmal wenn wir fangen spielten, schrien wir „Lauf bis nach Europa!".
„Am liebsten würde ich gleich morgen Abend fliegen", erzählte er. Das bedeutete genau das was er sagte. Ich werde morgen Abend fliehen. „Erinnerst du dich noch an das Klettergerüst von damals?" fragte er. Das bedeutete ich müsste springen. Es gab ein altes und kaputtes Klettergerüst, welches die größte Herausforderung bot. Es schien unmöglich zu sein es besteigen zu können und jedesmal wenn es hieß, dass wir es dieses mal schafften darauf zu klettern, brüllten wir „Spring einfach drüber!", aus voller Kehle. Obwohl wir nie aufgaben, erklommen wir das mörderische Gerüst nie.

Mehr Informationen bekam ich nicht und den Rest des Tages suchte ich nach einer Lösung. Wo müsste ich hingehen? Die Informationen, welche mir Nikita gab waren mager und mir viel keine Lösung ein. Am Abend wurde ich wieder mit Loreinne, meiner Mitbewohnerin in unsere Zelle gesperrt. Während sie mich an ihrer Lebensgeschichte ein weiteres mal teilhaben ließ, überlegte ich weiter an dem Rätsel. Der nächste Tag verlief ziemlich Routine mäßig und als wir unser Training um sechs Uhr morgens begonnen fiel mir plötzlich die Lösung ein. Wir rannten unsere Runden über das Feld und mein Blick fiel auf den hohen Zaun. „Spring einfach drüber", schrie eine Stimme ganz laut in mir. Ich studierte dieses Gefängnis schon sehr lange und genau wie meinen Vater war mir der tote Winkel an der Mauer bewusst. Das war es. Mein Weg in die Freiheit. „Loreinne!", sprach ich sie an, als wir endlich alleine in der Zelle waren. „Sie spricht!", merkte die Verbrecherin neben mir an. „Ich habe einen Fluchtplan, ohne dich schaffe ich es aber nicht", gestand ich. „Gut, ich bin dabei"; stimmte sie zu, ohne zu überlegen zu. „Aber nur unter einer Bedingung", sie grinste mich verstohlen an. „Sag mir weshalb du hier bist", verlangte sie.

Beleidigt sah ich sie an. „Es gab eine Schießerei und ich war darin verwickelt. Daraufhin wurde ich wegen versuchten Mordes, Körperverletzung, Überfall und unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt."
„Wie bist du da rein geraten?", fragte sie interessiert. „Keine Ahnung um ehrlich zu sein. Es ist irgendwie passiert"

Nachdem Loreinne zufrieden mit meinen Antworten war, weihte ich sie in meinen Fluchtplan mit ein. Es sollte schnell gehen, ohne Probleme. Ich legte mich ins Bett und wie in jeder Nacht bekam ich kaum Schlaf. Jede Nacht lag ich wach und suchte nach einer Lösung für alle meine Probleme, doch es schien aussichtslos.

Wie üblich wurden wir am nächsten Tag unsanft geweckt und zu unserem militärischen Training gezwungen. Der Drill begann bereits bei Morgengrauen und obwohl ich immer noch wach war wie die Nächte zuvor, fiel es mir dieses Mal besonders schwer aufzustehen. Die Unruhe in mir brachte mich zur vollkommenen Erschöpfung.

Dangerous LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt