X

1.9K 90 2
                                    

Wanda und Pietro starrten mich einige Zeit an. Genauso wie die Avengers. "Das ist nicht möglich", sagte Wanda bestimmt und kam näher auf mich zu. Ich sah sie einfach an und bewegte mich keinen Centimeter von meinem Standpunkt weg. Wanda kniff ihre Augen zusammen und nahm eine meiner Haarsträhnen zwischen ihre Finger. Sie sah mir direkt in die Augen. "Beweise es", sagte sie dann nach einiger Zeit. Ihre Augen hatten einen leichten rötlichen Schimmer angenommen. Ich biss mir leicht auf meine Lippe. Mir viel absolut nichts ein, wie ich es ihr beweisen konnte. Pietro hatte sich währenddessen zu Wanda gestellt und einen Arm um ihre Schulter gelegt.

"Ich- weiß nicht wie. Ich erinnere mich kaum noch an die Zeit damals", gab ich leise zu. Wanda verengte ihre Augen noch mehr. Sie gab den Anschein, als wollte sie mir glauben, konnte es aber nicht wirklich. In dem Moment fragte ich mich, für was ich im Red Room trainiert worden war. Ich fühlte mich so verletzlich. Obwohl ich eigentlich keine Gefühle zeigen sollte. Ich wollte eigentlich gar keine Gefühle zeigen und mich so angreifbar fühlen. Mir schossen die Bilder der Zerstörung durch den Kopf. Bilder, die ich eigentlich schon längst vergessen haben sollte, weil die Zeit ihrer Entstehung viel zu lange her war.

Aus meinem Augenwinkel sah ich, dass Wandas Augen mittlerweile feuerrot leuchteten. Ich wich leicht vor ihr zurück und merkte, dass mich die Situation viel zu stark überforderte. "Ich-", brachte ich leise hervor. Etwas in meinem Inneren schrie auf. Irgendetwas erinnerte mich an die Zeit im Red Room zurück. Ich fühlte mich absolut nicht mehr sicher genug und merkte, wie sich die Haare in meinem Nacken und auf meinen Armen aufstellten. Alarmbereitschaft.

Natasha trat schnell an die Zwillinge und mich heran. Sie nahm vorsichtig meine Hand und ich merkte, wie sich auch Wandas Augenfarbe wieder veränderte. "Vielleicht wäre es besser, wenn wir dieses Gespräch auf später verschieben?", fragte Natasha. Doch ihre Stimmlage lies keinen Funken an Widerspruch zu. Sie legt ihre Hand auf meine Schulter, als würde sie mir den Weg weisen wollen und deutete den Zwillingen an vorzugehen.

Wanda umgriff Pietros Hand und ich hatte kurz das Gefühl, dass sie dies früher auch schon immer gemacht hatte, traute mich aber nichts mehr zu sagen. Ich richtete meinen Blick starr nach unten und ohne Natashas Führung wäre ich gestolpert. Ich wusste nicht, was gerade mit mir los war und um ehrlich zu sein, wollte ich es auch nicht wirklich. Je länger wir gingen umso fester klammerte ich mich an Natashas Hand. Diese strich mir dann sanft über meinen Handrücken. Wanda wandte alle paar Meter ihren Blick zu mir zurück. Das konnte ich an ihrem Schrittmuster ausmachen. Sie kam dann immer kurz ins Schwanken.

Meine Erleichterung wurde sehr groß, als wir endlich im Quinjet waren. Natasha drückte mich sanft auf einen Stuhl und fast automatisch schnallte ich mich an. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, dass sich jemand neben mich setzte, aber ich konnte nur Haare sehen. Es vergingen einige Momente – wir waren schon in der Luft – als die Person neben mir leise zum Sprechen anfing:" Tut mir leid, dass ich dir vorhin nicht getraut habe Mila" Ich sah vorsichtig zu meiner Linken und bemerkte, dass Wanda neben mir saß. Sie starrte auf ihre Hände und traute sich selbst nicht aufzusehen. Ich gab ein leises "schon gut" zurück. Sie griff, bedacht darauf, dass ich nichts dagegen hatte nach meiner Hand und sah mich schließlich auch an. Ihre Augen blitzten kurz rot auf und ich hatte das Gefühl, dass sie kurz ihre Gefühle unterbinden musste. Dem roten Blitzen folgte ein Schimmer der Besorgnis. Wanda drückte meine Hand sanft. Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen, denn als sie zu sprechen begann, war es nur stockend: "Wenn du über irgendwas reden möchtest, egal was, sag es bitte. Okay?" Ich brachte es nur zustande zu nicken.

***

Ich hatte schon Sekunden, nachdem ich sie gesehen habe gewusst, dass Mila eine Maximoff war. Seitdem ich meine Kräfte habe, ist es eine mehr oder weniger nervige Angewohnheit von mir sofort herauszufinden, was die größte Angst meines Gegenübers ist. Milas war es ihre Familie noch einmal zu verlieren und etwas, dass ich nicht zuordnen konnte. Als die Bomben unser Haus in Sokovia getroffen hatten, war sie noch klein gewesen. Zu klein, um sich jetzt an alle Einzelheiten erinnern zu können. Aber die Erinnerung war dennoch in ihr, tief vergraben. Sie kannte nur nicht alle Details.

Aber Mila hatte sich verändert. Ich hatte sofort gemerkt, dass sie nicht mehr das fröhliche Kleinkind war, dass sie einmal gewesen war. Es schien fast, als hätte ihr etwas sämtliche Freude genommen. Sie war ein komplett anderer Mensch und ich konnte nicht einschätzen, ob sie, von wem auch immer, zur emotionslosen Waffe gemacht worden war, oder ob sie selbst noch irgendwo tief verborgen war. Mila, meine kleine Schwester, die mich täglich in den Wahnsinn getrieben hat, wenn ich nicht mit ihr Verstecken gespielt habe. Mila, die zuhause immer der fröhlichste und offenste Mensch gewesen war, aber auch ihre Schüchterne und Unsichere Seite hatte. Mila, die von uns allen nur Bienchen genannt worden war, weil sie ihre schwarz-gelb gestreifte Strumpfhose nie hatte hergeben wollen. Aber meine Mila war weg und ich war mir nicht sicher, ob sie noch irgendwo da drinnen war. Zumindest war ich es nicht gewesen, bis sie zu stottern angefangen hatte. In dem Moment sah ich denselben Ausdruck in ihren Augen, den sie immer gehabt hatte, wenn unsere Mutter sie gebeten hat, Obst alleine vom Markt zu holen. Angst.

Jetzt saß Mila neben mir und starrte auf ihre Hände. Ich versuchte aktiv ihre Gedanken auszublenden, aber vergebens. Mir war natürlich komplett klar, dass es unfair war einfach die Gedanken anderer anzuhören, aber ich konnte nicht anders. Meine Kräfte waren nicht immer kontrollierbar und sobald Gefühle im Spiel waren, brauchte ich es gar nicht mehr zu versuchen.

Ihre Stimme war zu einem Flüstern geworden und ich sah in ihren Augen noch immer den Ausdruck von Angst. Vorsichtig zog ich sie in eine Umarmung, unsicher ob sie es überhaupt wollen würde. Aber sie ließ es zu. Ich strich über ihren Rücken und versuchte sie zu beruhigen.

"Es ich-"
"Du musst über nichts reden, wenn du nicht willst, ja?" , flüsterte ich ihr leise zu. Als sie angefangen hat zu sprechen, hatte ich gemerkt, dass die Angst in ihr nur größer geworden war. Ich konnte spüren, dass Mila etwas Schreckliches passiert ist und sie hatte panische Angst darüber zu reden. Aber das würde sich mit der Zeit legen. Hoffentlich.

"Ich störe euch nur ungern, aber wir sind da", war nach einiger Zeit der Stille Natashas Stimme hinter uns zu vernehmen. Langsam löste ich mich von Mila und auch Pietro, der der Umarmung beigetreten war, löste sich. Mila selbst stand schnell auf. Von ihrer anfänglichen Angst war nichts mehr zu sehen. Doch ich spürte sie noch immer. Sie verbarg es nur, sehr sehr gut.

"Ich gehe auf mein Zimmer, ja?", fragte Mila in den Raum und bekam zustimmendes Gemurmel der Avengers. Dann ging sie schnell fort. Aus meinem Augenwinkel konnte ich sehen, dass sich eine Männliche Person aus dem Schatten löste und ihr schnell folgte.

"Wanda, Pietro, habt ihr beide etwas dagegen, wenn wir uns einige Zeit unterhalten? Um die Situation zu klären", fragte Natasha freundlich. Wieder hatte sie diesen bestimmenden Ton aufgelegt. Insgeheim fragte ich mich, wie sie das machte. Von einer Sekunde auf die andere sprang sie zwischen besorgt und fürsorglich zu bestimmend. Pietro und ich nickten gleichzeitig. "Natürlich", gab meine bessere Hälfte schließlich von sich.

Natasha nickte und ging schnell aus dem Quinjet. Wir folgten ihr und ich blieb dicht an Pietro.

Red as my eyes Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt