XV

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Ich spürte einen Schlag auf den Hinterkopf und wenige Augenblicke danach kam ich mit dem Gesicht voran auf dem Boden auf. Meine Hand fuhr leicht zitternd zu meinem Hinterkopf und meine Finger konnten eine warme Flüssigkeit ertasten. Blut. "Steh doch auf, du kleines Miststück. Dann kann jeder sehen, ob du wirklich so gut bist, wie du denkst"

In meine Ohren Drang das Lachen der anderen Mädchen. Katya, das Mädchen, dass mich angegriffen hatte, lachte am lautesten. Ich wusste, dass ich aufstehen musste, sonst würden sie mich zusammenschlagen oder töten, auch wenn ein Regelverstoß dieser Art bestraft wurde. Trotz des Verbotes der Madame sich hier im Red Room mit den anderen Mädchen anzufreunden, hatte Katya es getan. Und heute hatte ich, in einem der Wettkämpfe ihre Freundin Anya getötet.

Niemand hier im Red Room wusste, ob die beiden wirklich Freundinnen oder nicht doch Schwestern gewesen waren, und niemand hatte es interessiert. Aber Anya war tot und Katya wollte sie rächen. Auch, wenn sie das eigentlich nicht durfte. "Steh auf!", Katya schrie mittlerweile. Es war spät am Abend und wir waren eigentlich in den Schlafraum geschickt worden, um uns fertig zu machen zum Schlafen. Unsere Trainer würden erst in zehn Minuten kommen, um uns an die Betten zu fesseln. Katya hatte sich den perfekten Zeitpunkt ausgesucht, um mich anzugreifen und das wusste sie. Sie wusste auch, dass mir niemand zur Hilfe kommen würde, aber ihr genauso wenig. Wenn sich zwei Mädchen wirklich stritten oder doch mal zum Kämpfen anfingen, ging nie jemand dazwischen.

Ich sah Katyas Fuß noch bevor er meine Seite erreichen konnte und packte diesen Blitzschnell. Katya verlor das Gleichgewicht, sie selbst war ebenfalls noch geschwächt, nachdem sie einige Schläge beim Kampfsporttraining hatte einstecken müssen und während dem Ballett gestürzt war. Ich war hier im Red Room eine der kleinsten, aber schnellsten. Bevor meine Gegnerin sich wieder aufrichten konnte, saß ich schon auf ihr und schlug mit einem gezielten Schlag auf ihr Brustbein. Sie musste kurz husten und versuchte danach irgendwie aus meinem Griff zu kommen. Die anderen Mädchen hatten einen Kreis um uns geformt und riefen entweder Katyas oder meinen Namen. Ein weiterer Schlag traf ihr Brustbein und ich hörte einen sehr leisen Knacks.

Weit weg konnte man die Schritte einiger Trainer hören, die jetzt so schnell wie möglich zu uns kommen wollten, um den Lärm zu unterbinden. Ich wusste, dass ich schnell handeln musste, bevor es zu spät war. Meine Reaktion war es, Katya herumzuwirbeln und umfasste ihren Hals mit einem Würgegriff. Ich murmelte ihr leise ins Ohr: "Sag Anya, dass es mir nicht leidtut."

Dann tötete ich sie.

Das Bild vor meinem Inneren Auge änderte sich abrupt und ich fand mich gefesselt an einem Tisch wieder. Ein pochender Schmerz in meinem Arm ließ mich panisch werden, ich wusste, was sie vorhatten. Der Versuch meine Sinne zu verwenden, um herauszufinden, wer noch hier war, funktionierte noch beschränkt. Mein Kopf war fixiert, wodurch ich gezwungen war, auf die Decke zu sehen. Ich schmeckte nur Blut, wessen Ursprung ich an meiner Lippe ausmachen konnte und fühlen konnte ich nur die Schmerzen an meinem Arm und die kalte Metallplatte unter mir. Es war generell sehr kalt und ich glaubte mir einzubilden den Stoff meines Nachthemdes zu vermissen. Doch mein Gehörsinn lies mich nicht im Stich.

Ein Summen, welches dem eines Generators ähnlich war, war aus einer Raumecke zu vernehmen und ich hörte Schritte näherkommen. Die Schritte von Madame B und einem der weniger Freundlichen Ärzte. Sowie die des Leiters des Red Rooms. "Bestrafen Sie es", sagte die Madame an einen Arzt gewandt.

Es. Es wurde hier immer benutzt, wenn eines der Mädchen einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. Es sollte heruntermachen und einem wieder zeigen, wo sein Platz wirklich war. Ich war gerade fertig meinen Gedanken auszudenken, als ein Glühender Schmerz meinen Bauch traf. Ich konnte nicht sehen, welches Symbol sie mir eingebrannt hatten. Eine Sanduhr. Das Symbol des Red Rooms. Es sollte mich daran erinnern, zu wem ich gehörte.

Kurz danach spürte ich mehrere Hände mich gleichzeitig hochziehen. Ich wusste, dass es nichts bringen würde mich zu wehren, weshalb ich es einfach über mich ergehen ließ. Ich musste stark sein, wenn sie merken würden, dass ich, vor was auch immer kommen wird, Angst hatte, würden sie es noch schlimmer werden. Doch auf das was kommen sollte, hätte mich niemand vorbereiten können.

Ich wurde an einem Sessel festgeschnallt. Die Fesseln schnürten mir das Blut ab. Einer unserer Trainer befestigte irgendwas an mir, damit meine Augen offenblieben und dann wurde der Fernseher eingeschaltet.

Über Stunden sah ich mich, wie ich Menschen von Aufträgen und andere Mädchen im Red Room tötete. "hört auf hört auf h-hört auf", ich wiederholte die Worte immer wieder und bekam jedes Mal einen Schlag verpasst. "Wirst du jetzt gehorchen?", Madame B stand wieder vor mir. Mein Kinn hatte sie mit ihrer Hand gepackt und zwang mich so sie anzusehen. "Ja." , ich sah emotionslos zurück. Mit einem zufriedenen Lächeln ging sie aus dem Raum raus.

Mit einem lauten Schrei fuhr ich hoch und wurde sofort von zwei starken Händen runtergedrückt. "Nein, lasst mich los, ich wollte das nicht!" , die Schreie kamen nur so aus meinem Mund, die Worte, die ich sagen wollte, fast unerkenntlich. Ich musste mich angehöhrt haben, wie ein wahnsinnig gewordener Husky, der dachte, dass Baden Folter gleichsetzt. Die Tränen, die vor Panik meine Wangen runter liefen, konnte ich nicht mehr zurückhalten.

Ich hatte jahrelang versucht die Erinnerung an jene Nacht zu unterdrücken, in der mir gezeigt worden war, was im Red Room passieren konnte, wenn man sich nicht an die Regeln hielt. Ich hatte danach versucht mich an ihre Regeln zu halten und zu gehorchen. Ich war noch kälter geworden, zumindest äußerlich, bis mich die kälte irgendwann verschlungen hatte. Langsam richtete sich mein Blick auf und ich sah in die blauen Augen, der Person, die mich runterdrückte. Besorgnis. Steve sah mir direkt in die Augen. Er zog mich vorsichtig in eine sitzende Position, meine Oberarme ließ er trotzdem nicht los.

Erst jetzt bemerkte ich, dass wir nicht mehr im Empfangsbereich waren. Die Avengers hatten mich ins Wohnzimmer gebracht und auf eines der Sofa gelegt. Für einige Sekunden sah ich Steve noch in die Augen, bevor ich meinen Blick leicht ängstlich senkte. Ein metallischer Geschmack machte sich in meinem Mund breit und ich merkte, dass ich mir meine Lippe aufgebissen hatte. "Möchtest du etwas trinken?", Steve klang ruhig. Ich nickte vorsichtig, geriet dann aber ins Stocken. "Mila?", er klang noch immer ruhig, sogar etwas besorgt. Ich erhob meine Stimme leise und unsicher: "Werdet ihr mich vergiften?" Die Frage musste für die Avengers merkwürdig geklungen haben, aber ich wusste in dem Moment nicht, wer die Guten und wer die Bösen waren. Minuten zuvor, oder Stunden, ich hatte das Zeitgefühlverloren, hatte ich sie noch angegriffen."Natürlich nicht. Wir werden dich nicht verletzen. Versprochen", Steve strich beruhigend über meinen Arm.
"D-dann gerne ja", meine Stimme war rau und zittrig. Die Tränen rannen noch immer meine Wangen runter. Steve hob ganz vorsichtig mein Kinn an und wischte sie sanft mit einem Taschentuch weg. "Darf ich mir die Lippe ansehen?", seine Stimme wirkte ehrlich, weshalb ich mich dazu entschied ihm zu vertrauen. Wieder nickte ich. Mit der Hand, mit der er zuvor mein Kinn hochgehoben hatte, ertastete er ein zweites Taschentuch und tupfte vorsichtig das Blut von meiner Lippe, welches sofort nachkam.

Ich hörte ihn leise seufzen, was mich minimal zusammenzucken ließ. "Tut mir leid Mila", er entschuldigte sich sofort nach dem zusammenzucken. Natasha kam zu uns, sie hielt in einer Hand ein Glas Wasser und in der anderen ein kleines Päckchen mit einem mir unbekannten Inhalt. "Darf ich, Kleine?" , sie kniete sich vor mir und deutete auf meine Lippe. Ich nickte erneut. Sie riss das kleine Päckchen auf. "W-was ist das?", unsicher sah ich ihr in die Augen. "Zucker", sie lächelte mich sanft an, bevor sie etwas von dem Inhalt auf meine Lippe streute. "Hilft die Blutung zu stoppen und ist süß", sie klang genauso beruhigend wie Steve und hielt mir danach das Glas Wasser an die Lippen. Ich trank vorsichtig einige Schlucke. "Und der süße Geschmack beruhigt", fügte sie dann noch hinzu und streute auch noch den Rest des Inhalts auf meine Lippe. Vorsichtig schleckte ich ein klein Wenig des kristalischen Pulvers von meinen Lippen. Natasha lächelte leicht.

Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Rechte Hand, einen dünnen Verband trug, es störte mich nicht weiter, schließlich konnte ich es sowieso nicht ändern. Steve hielt noch meinen anderen Arm fest, vermutlich hatten sie nach wie vor Angst, dass ich etwas machen könnte. Aber das würde ich nicht mehr, hoffentlich. Wanda hatte mich, wie auch immer, daran erinnert, was Madame B mit mir machen würde, sollte ich die Mission unausgeführt Überleben und zurückkommen. Mein Blick wanderte wieder hinauf zu Steves blauen Augen.

"Mila, kann ich dich loslassen?", ich schüttelte leicht panisch meinen Kopf. "B-bitte nicht", dann klammerte ich mich verängstigt an Steve, als wäre er mein Rettungsanker.

Red as my eyes Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt