In dieser Nacht schlief Jimin sehr unruhig. Es war sein erster Traum, den er hatte, seitdem er in der Psychiatrie lebte. Immer wieder wälzte er sich im Bett herum. Er träumte von Yoongi.
Auf verschiedenster Arten starb Yoongi und Jimin konnte ihn nicht retten. Jedes Mal kam er zu spät.
„Guten Morgen, Jimin." begrüßte ihn Doktor Moon im Sprechzimmer. Stumm setzte sich Jimin auf den Stuhl und spielte nervös mit seinen Fingern. Sein Kopf war gesenkt und seine Augen geschlossen. „Hast du nicht gut geschlafen?"
„Ich habe von Yoongi geträumt." nuschelte Jimin verletzt. „Er ist gestorben. Immer wieder und wieder."
„Das sind deine Schuldgefühle." erklärte der Doktor. „Das ist ein gutes Zeichen. Dein Gehirn wehrt sich langsam nicht mehr gegen diese Erinnerung."
„Ich will mich nicht erinnern." antwortete Jimin und sah seinen Gegenüber wütend an.„Wenn du es nicht für dich tun willst, tu es für Yoongis Familie." seufzte Moon und musterte den Blonden.
„Können wir dann bitte nicht über meinen Vater reden?" fragte Jimin unsicher nach. „Ich werde auch alles über Yoongi erzählen."
„Damit bin ich einverstanden. Aber ich hätte noch eine Frage." stimmte der Doktor zu. „Wusste Yoongi, was dir dein Vater antat?"
„War nicht schwer zu erkennen, oder?"„Was meinst du damit?" Die Antwort war offensichtlich, doch Moon wollte eine Konversation fühlen, in der sich Jimin wohlfühlte.
Kurz schwieg Jimin. Er verschränkte seine Arme und sah gelassen sein Gegenüber an. „Er hat mein Körper gesehen, wenn wir miteinander geschlafen haben."
„Als er deine blauen Flecke oder andere Wunden zum ersten Mal gesehen hatte, habt ihr trotzdem weiter gemacht?" Immer wieder schrieb sich der Doktor etwas auf oder sah den Jungen lächelnd an.
„Als wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben, war es dunkel und man konnte nichts sehen. Er hat erst am nächsten Morgen mein Körper gesehen." erklärte Jimin, als würde er eine Sachlage erklären. Er distanzierte sich von den Ereignissen.
„Was hat er dazu gesagt?"
„Er wollte, dass ich so oft wie möglich bei ihm schlief, damit ich nicht in die Nähe meines Vaters musste."
„Wusste dein Vater von eurer Beziehung?"
Jimin überlegte. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und räusperte sich. „Ich... ich weiß nicht. Es wäre dumm von ihm, es nicht zu wissen, aber..." Abrupt stoppte er seinen Satz und sah den Doktor entsetzt an.„Woran denkst du, Jimin?"
„Ich habe mit Yoongi darüber geredet. Ich weiß nicht genau, was ich gesagt habe, aber ich war wütend."„An dem bestimmten Tag?"
„Ja...Ich..." Jimin kniff angestrengt die Augen zusammen. „Ich..."
„Es ist in Ordnung, wenn du es nicht weißt." sagte sein Psychiater aufmunternd. „Wir werden darauf zugehen. Mit kleinen Schritten werden wir dein Gedächtnis zurückbringen. Du hast gesagt, dass du wütend warst. Hast du dich öfter mit Yoongi gestritten?"
„Wir hatten Diskussionen, aber nie wirklich Streit." antwortete Jimin. „Es war belanglos."
„Also habt ihr euch nicht angeschrien?"Jimin schüttelte amüsiert den Kopf. „Wenn wir nicht einer Meinung waren, hat Yoongi immer aufgegeben und mir recht gegeben."
„Könnte es möglich sein, dass Yoongi dir dieses Mal nicht recht gegeben hat und du deshalb wütend wurdest?"
„Und ihn dann umgebracht?"„Das habe ich nicht gesagt."
„Aber gemeint. Ich liebe Yoongi, ich würde ihm nichts antun."„Gestern warst du noch der Meinung, dass du ihn getötet hast." erwiderte Moon und nahm wieder die altbekannten Fotos in die Hand. „Wie sieht Yoongis Bett aus?"
Verwirrt sah Jimin ihn an. Er stützte sein Kinn auf seine Handoberfläche. „Wozu müssen Sie das wissen?"
„Du weichst der Frage aus. Wie sieht Yoongis Zimmer aus."„Wie jedes andere auch."
„Ich will etwas mit dir versuchen." räusperte sich Moon, legte den Stapel Fotos zur Seite und hielt nur noch ein Bild in der Hand. Es war ein Foto von Yoongis Zimmer, welches Jimin aber nicht sah. „Lehne dich zurück und schließ die Augen."
Jimin starrte sein Gegenüber an, ehe er wie in Zeitlupe sich anlehnte und die Augen schloss. Er verkreuzte seine Arme vor der Brust und atmete laut aus.„Ich möchte, dass du dir die Zimmertür von Yoongi vorstellst. Du stehst vor der geschlossenen Tür und öffnest sie langsam. Was fällt dir als erstes auf?"
„Sein Schreibtisch."„Wieso? Ist er besonders?"
„Der steht gegenüber von der Tür. Er ist ziemlich unaufgeräumt, man kommt nicht an die Tastatur des Computers dran." murmelte Jimin angestrengt.„Was genau ist auf seinem Schreibtisch?"
„Sein Computer und so eine Stiftebox mit vielen Zeichensachen."„Er war Künstler?"
„Nein. Er sammelte nur Stifte für den Fall, einmal was malen zu wollen. Ich habe ihn aber noch nie malen gesehen." erzählte Jimin lächelnd. „Es liegt Geld auf dem Tisch und Müll."
„Was ist neben dem Schreibtisch?"
„Sein Kleiderschrank."„Ist er genauso unordentlich?"
„Nein. Alles ist sortiert und auf Bügel."
„Und was ist noch in dem Raum?"
„Neben der Tür ist ein Schrank mit Büchern und anderen Sachen, die er irgendwann mal gebrauchen kann."„Hast du davon mal was gebraucht?"
„Nein. Da ist nur Schrott drinnen."
„Ist da noch etwas im Raum?"
„Sein Fernsehr."
„Ist dort auch ein Bett?"
Jimin stockte. „Natürlich."
„Wie sieht dieses aus?"
Genervt öffnete Jimin die Augen. „Das ist doch dumm. Was bringt mir das?"
„Wieso weißt du nicht, wie Yoongis Bett aussieht? Du kannst alles ins kleinste Detail beschreiben, aber du vergisst, dass er ein Bett im Zimmer hat?" Der Doktor hatte eine klare Vorstellung, was passiert sein könnte und je weiter er mit Jimin kam, desto sicherer wurde seine Theorie. Etwas in diesem Raum passierte, was Jimins Psyche nicht standhalten konnte.
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Traumaʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰ
Fanfiction˜"*°• Completed •°*"˜ Der Begriff Trauma (griech.: Wunde) lässt sich bildhaft als eine "seelische Verletzung" verstehen, zu der es bei einer Überforderung der psychischen Schutzmechanismen durch ein traumatisierendes Erlebnis kommen kann. Etwas gesc...