"Ja", gehe ich an mein Handy, während ich gerade mit meinem Koffer aus dem Bus steige.
"Lara, wo bleibst du? Wir sitzen schon fast alle im Bus und warten nur auf dich", ertönt die Stimme meiner besten Freundin auf der anderen Seite der Leitung.
"Bin in 3 Minuten da, sag Frau Berg Bescheid. Und halt mir einen Platz frei", rufe ich, weil gerade ein LKW an mir vorbei rauscht. Ihre Antwort verstehe ich nicht mehr und dann ist sie auch schon wieder weg.
Völlig aus der Puste komme ich ein paar Minuten später am großen Reisebus vor der Schule an. Tatsächlich ist keiner mehr draußen, außer der Busfahrer, der mir meinen Koffer abnimmt, um ihn zu verstauen, und Frau Berg, die bereits mit ihrer Standpauke beginnt als ich gerade in Hörweite bin. Ich entschuldige mich kleinlaut und werde von ihr in den Bus gescheucht. Drinnen angekommen halte ich Ausschau nach Maria um mich zu ihr zu setzen. Doch bevor ich sie erblicke baut sich jemand vor mir auf, so, dass ich nicht weiter komme. Als ich hoch schaue Blicke ich in das Gesicht des Mannes von dem ich dachte ich hätte zumindest diese eine Woche meine Ruhe vor ihm. Was zu Teufel macht der hier.
"Setz dich ans Fenster, am Gang habe ich mehr Platz für meine Beine", lächelt er mich an, was allerdings etwas gezwungen aussieht. Hilflos schaue ich mich nach einem anderen freien Platz um, sehe aber auf Anhieb keinen.
"Das ist der letzte freie Platz. Wer zu spät kommt kann sich leider keinen mehr aussuchen", sagt er freundlich. Mürrisch rutsche ich durch auf den Fensterplatz und Herr Zimmer lässt sich neben mir nieder. Das ist jetzt nicht wirklich deren Ernst, oder? Ich soll jetzt die ganze Fahrt bis Kroatien, 13 Stunden!!, neben dem Mann sitzen vor dem ich mich vor 6 Monaten so sehr blamiert habe, dass ich ihm nicht mehr in die Augen schauen kann.
Ich hatte ihm vor 6 Monaten in völlig betrunkenem Zustand eine Email an seine Schuladresse geschickt, in der ich ihm meine Gefühle gestanden habe. Am nächsten Tag wusste ich nichts mehr davon und ich habe es auch erst erfahren, als er mich nach dem Unterricht zu sich gebeten hat um das zu "klären". Er sagte mir mit mitleidiger Miene, dass ich zwar eine sehr nette und hübsche junge Dame sei, er aber eine Frau habe und ohnehin kein Interesse an einer Schülerin hätte. Das letztere war zwar in netteren Worten verpackt, meinte aber genau das, denke ich zumindest. Das war das Peinlichste was mir je passiert ist und jetzt sitze ich die nächsten Stunden nur wenige Zentimeter entfernt von ihm.
Ein paar Mal versucht er ein Gespräch zu beginnen, was allerdings schnell zum erliegen kommt. Das einzige was ich dadurch erfahre ist, dass er nur dabei ist, weil Herr Brand, der eigentlich mitkommen sollte, einen Unfall mit dem Fahrrad hatte und deshalb er an seiner Stelle fährt. Also beginnt er mit Frau Berg schräg über den Gang hinweg zu reden und ich hole ein Buch aus meiner Tasche und beginne zu lesen.
Nach 2 Stunden machen wir die erste Pause und alle müssen aus dem Bus raus. Auf dem Parkplatz der Raststätte unterhalte ich mich mit Maria, die sich zig mal dafür entschuldigt mir keinen Platz frei gehalten zu haben. Doch danach schleicht sich ein Grinsen in ihr Gesicht und sie beginnt darüber zu witzeln, dass sie es ja eigentlich gut gemacht hätte, da ich ja jetzt neben meinem heimlichen Schwarm säße. Sie weiß, dass ich auf Herr Zimmer stehe, vom Ausmaß der Gefühle und meiner Mail weiß sie allerdings nichts. Ich antworte auf ihre Sticheleien nur mit einem verächtlichen Schnauben und dann müssen wir auch schon wieder zurück in den Bus.
Die nächsten Stunden lese ich, schaue aus dem Fenster oder schreibe mit Maria über WhatsApp. Irgendwann werde ich allerdings so müde, dass ich mit dem Kopf ans Fenster gelehnt einschlafe. Ich werde erst wach als der Bus stark bremst und weiß erstmal garnicht wo ich bin. Als ich es allerdings bemerke, weil sich mein Kopfkissen bewegt zucke ich sofort zusammen. Ich schaue hoch und sehe wie Herr Zimmer mich angrinst weil ich im Schlaf wohl gegen seine Schulter gefallen bin und dort weiter geschlafen habe. "Sorry", entschuldige ich mich und nehme so viel Abstand von ihm wie es geht.