Seelenklempner

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Schon völlig verschreckt wache ich auf. Meine Haut ist bedeckt von einem Schweißfilm, da ich gerade aus einem schrecklichen Albtraum aufgewacht bin. Es war wie immer. Wie jede Nacht habe ich von meinen Mitschülern geträumt, die mich in der Schule Tag für Tag runter machen. Und das sogar im Unterricht. Aber anstatt einzuschreiten, ignorieren die Lehrer das einfach. Ihnen ist es vollkommen egal, wenn ich völlig verzweifelt und oft weinend irgendwo am Boden sitze. Sie laufen einfach an mir vorbei und schauen mich mitleidig von oben herab an.

Der einzige, der oft bei mir saß und mit mir geredet hat, mich getröstet hat, mich aufgemuntert hat oder einfach nur für mich da war, war Herr Henrich. Sebastian Henrich. Für mich war er mehr als mein Mathe Lehrer. Er war wie ein Freund für mich. Zwar keine normale Art von Freund, aber so etwas in der Art. Natürlich haben wir uns nie außerhalb der Schule, wie normale Freunde, getroffen. Nein, das wäre doch ein bisschen zu komisch gewesen.

Wie dem auch sei, jetzt ist er jedenfalls weg. Mein einziger 'Freund' wurde auf eine andere Schule versetzt, da unser Direktor unsere Freundschaft ein bisschen anders interpretiert hat. Auch wenn wir ihm beide versichert haben, dass zwischen uns nichts läuft und auch nie etwas gelaufen ist, wurde er von der Schule geschmissen. Er konnte froh sein, dass er nicht ins Gefängnis gekommen ist. Aber dafür hatten sie wirklich zu wenig Beweise. Und das alles einen Tag vor den Herbstferien, die genau heute zuende sind. Ich weiß einfach nicht wie ich das heute in der Schule ohne ihn schaffen soll.

Wäre meine Mutter heute nicht Zuhause, würde ich ernsthaft mit dem Gedanken spielen, heute zu schwänzen. Aber spätestens in 10 Minuten wird sie hier auf der Matte stehen und so lange nerven bis ich aufstehe. Meine Unlust morgens in die Schule zu gehen, schiebt sie immer auf die Pubertät, aus der ich meiner Meinung nach schon längst raus bin. Von der wirklichen Situation in der Schule habe ich ihr nie etwas erzählt, damit sie sich keine Sorgen um mich macht. Manchmal gehe ich auch mittags raus und setzte mich in den Park und sage ich würde mich mit einer Freundin verabreden.

Da ich keinen Stress will, wälze ich mich also aus meinem Bett und schlurfe die Treppen herunter. Nach dem Frühstück ziehe ich mich also an, mache mich im Bad fertig und verlasse mit hängendem Kopf das Haus.

Ich habe Angst. Einfach nur Angst, wenn ich die Schule betrete. Es ist nicht etwa ein unwohles Gefühl, nein, es ist die pure Angst, die tief in meinen Knochen sitzt.

"Na, ich hab gehört dein Beschützer ist jetzt nicht mehr da?", werde ich schon gleich von Emma aus meiner Klasse empfangen. Kaum setze ich mich dann mit gesenktem Blick an meinen Tisch, da muss ich mir auch schon den nächsten dummen Spruch von Paul anhören:"Ist es etwa jetzt doch raus gekommen mit deinem Pedo Freund." Und der nächste folgt gleich darauf von Sophie:"Ja. Zum Glück, da fühlt man sich gleich viel sicherer. So jemand widerliches darf doch kein Lehrer werden."

Wow, das ist wirklich neuer Rekord. Gerade mal 5 Minuten in diesem Raum und ich habe schon Tränen in den Augen. In letzter Zeit habe ich gelernt mich so weit zu beherrschen, erst in der Pause meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Aber sonst haben sich die Sprüche nur gegen mich gerichtet. Jetzt, wo sie auch noch über Sebastian so her ziehen ist es endgültig aus. Am liebsten würde ich sie alle anschreien, aber wenn ich das tue, werde ich noch mehr ausgelacht. Also lasse ich das Gerede einfach an mir abprallen. Oder versuche es zumindest.

Als dann endlich Frau Saller den Raum betritt, wische ich mir schnell eine Träne weg und versuche dem Unterricht zu folgen.

Auch während der ersten Pause werde ich nicht in Ruhe gelassen. Jetzt wo Herr Henrich nicht mehr da ist, gibt es nichts, was mich vor den Sprüchen der anderen schützt. Jedesmal rede ich mir ein, dass ich es nur noch 1 1/4 Jahre aushalten muss. Aber ist das wirklich ein Trost?

Auch in Erdkunde bei Herr Honnar muss ich mir alles mögliche an den Kopf werfen lassen. Unser Lehrer überhört das alles aber gekonnt, wie immer.

In der zweiten Pause dann verlässt mich meine Selbstbeherrschung endgültig. Die ganze erste Pause habe ich meine Tränen unterdrückt, aber jetzt kann ich einfach nicht mehr. Mein leises Schluchzen, was ich zu unterdrücken versuche, wird von dem Gelächter meiner Mitschüler begleitet. Was habe ich denen eigentlich getan?

Plötzlich verstummt das Gelächter und keiner reißt mehr blöde Sprüche. Von überall ist nur ein leises Getuschel zu hören, was sich fast wie das laute Summen eines Wespennests anhört. Was ist hier denn los?

Da mir doch ein bisschen mulmig wird, schaue ich auf und bemerke, dass jemand direkt neben mir sitzt. Genau da wo immer Sebastian saß. Durch einen Blick zur Seite, wird mir klar, dass genau dieser auch jetzt neben mir sitzt. Mit, vom Schreck geweiteten Augen starre ich ihn an. Ich weiß einfach nicht ob ich mich freuen soll oder Panik bekommen soll.

"Was...Was machst du hier? Du darfst doch garnicht mehr zu mir", flüstere ich schon fast. Ängstlich schaue ich mich um und jedem dem ich in die Augen schaue, guckt schnell weg und tut so als würden sie nichts bemerken.

"Wer hat gesagt, dass ich nicht mehr zu dir darf? Ich kann machen was ich will, da ich jetzt nicht mehr dein Lehrer bin", lächelt er mich an. "Außerdem kann ich dich ja nicht einfach alleine lassen", sagt er einfühlsam und wischt mir eine Träne weg. Erst jetzt fällt mir auf wie sehr ich ihn in den letzten 2 Wochen Ferien vermisst habe. Seine strahlend blauen Augen, die mich immer aufmerksam mustern. In denen so viel Lebensfreude steckt, die mich oftmals ansteckt. Generell alles an ihm.

"Und da du ja seit Vorgestern 18 bist, darf ich jetzt sogar das hier tun", flüstert er ganz dicht an meinem Gesicht und bevor ich überhaupt nachdenken kann, was er meint, liegen seine Lippen auch schon auf meinen. Es fühlt sich gut. Es fühlt sich sogar mehr als gut an. Es ist so als würden unsere Lippen perfekt aufeinander passen.
Ich habe vor diesem Moment nie darüber nachgedacht, ob da vielleicht doch mehr als nur Freundschaft zwischen uns ist, aber jetzt weiß ich, dass ich definitiv mehr für ihn empfinde.

Nach unserem sehr sanften und vorsichtigen Kuss flüstert er fast unhörbar gegen meine Lippen. "Alles Gute nachträglich. Und denk dran, ich werde immer für dich da sein."

[1119 Wörter]

Ich weiß auch nicht aber irgendwie bin ich nicht so ganz zufrieden. Bitte schreibt mir mal eure Meinung in die Kommentare.

Lehrer×Schüler OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt