Dienstag
"Kommt ihr Samstag vorbei? Ich habe mir überlegt in meinen Geburtstag rein zu feiern", frage ich kurz vor Ende der Pause in die kleine Runde meiner vier besten Freunde. Zu fünft wird es keine große Party, aber ich habe sturmfrei und wir hätten sicher trotzdem eine Menge Spaß. Zumal es mein achtzehnter Geburtstag ist und eine kleine Feier besser ist als keine Feier.
"Sorry Süße, das kommt ein bisschen kurzfristig. Ich bin schon seit Wochen zu Marcels Party eingeladen und das kann ich nicht sausen lassen", sagt Michelle mit bedauerndem Blick. War ja klar, dass die Party ihres Schwarms wichtiger ist. Und es war ebenso klar, dass ich nicht eingeladen werde.
"Tut mir echt leid, aber Sarah und ich wollen auch zu Marcels Party. Die ist das Highlight des Jahres. Du kannst ja einfach mit kommen", schlägt Lea vor und schaut zu Sarah, die nur zustimmend nickt und zu Boden blickt.
"Ich bin nicht eingeladen, also gehe ich auch nicht hin", stelle ich bestimmt klar und will auch nicht weiter darüber diskutieren. Mein Blick geht zu Felix, meine letzte Hoffnung auf etwas Gesellschaft an meinem Geburtstag. Doch auch er schaut nur betreten zu Boden.
"Sorry, meine Schwester kommt mit ihrem Mann und Kind zu Besuch. Meine Mutter bringt mich um wenn ich nicht da bin. Aber wir können doch nächstes Wochenende was zusammen machen", schlägt er vor.
"Ja mal schauen", sage ich und kann meine Enttäuschung nicht ganz verbergen. Bevor wir weiter reden können, ruft Herr Sieber dann auch schon die Klasse zur Ruhe auf. Scheinbar hat es während unseres Gespräches geklingelt. Ich gehe also nach vorne in die erste Reihe und setze mich auf meinen Platz. Immer diese willkürlichen Sitzpläne, die die Lehrer erstellen. Naja zumindest habe ich so in der ersten Reihe einen perfekten Blick auf Herrn Sieber. Ich stehe schon eine Ewigkeit auf den hochgewachsenen Lehrer mit seinen braunen stets etwas verwuschelten Haaren und seinen wunderschönen grünen Augen. Aber selbst dieser Anblick kann mich heute nicht aufheitern.
Sein aufmunterndes Lächeln, das er mir für den Bruchteil einer Sekunde zuwirft hingegen kann das schon. Es bringt mich aber auch zum nachdenken. Wieso hat er mich so angelächelt. Vielleicht hat er unser Gespräch von eben mitbekommen. Wie lange ist er überhaupt schon im Raum? Meine Gedanken drehen sich immer weiter um die Gründe für das mysteriöse Lächeln, bis die Stunde zu Ende ist und ich endlich nach Hause kann. Aber selbst dort bekomme ich das Lächeln nicht aus dem Kopf.
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Samstag 23:58
Ich mache mich gerade mit einer frischen Flasche Wein auf den Weg ins Wohnzimmer. Den letzten Schluck einer bereits von meinen Eltern begonnenen Flasche habe ich bereits getrunken. Jetzt warte ich noch auf den Pizzaboten und mache es mir wohl alleine gemütlich und schaue Filme. Was bleibt mir auch anderes übrig, wenn eine Party einer anderen Person sowohl für meine Eltern als auch meine Freunde wichtiger ist als mein Geburtstag.
Ich bin noch nicht bei meinem Glas angekommen mit der Flasche, als es auch schon an der Tür klingelt. Wenigstens der Pizzabote ist pünktlich, denke ich mir während ich zu meinem Geldbeutel greife und zur Türe gehe. Kurz bevor ich meine Hand an den Türgriff lege, höre ich im Hintergrund die Uhr in der Küche 12 Uhr schlagen.
Vor der Türe steht aber nicht wie erwartet der Pizzabote, sondern der Mann, dessen Lächeln mich einen ganzen Tag beschäftigen kann. Vor lauter Schreck hätte ich ihm beinahe die Tür wieder vor der Nase zugeschlagen. Aber nur fast. Stattdessen schaue ich völlig verblüfft nach oben in sein Gesicht, auf dem ein schüchternes Lächeln erscheint.
"Happy Birthday", sagt er leise und streckt mir ein kleines Päckchen entgegen. Noch verwirrter als zuvor starre ich ihn an, ohne etwas zu sagen oder mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Auch er sagt nichts, während sein Lächeln immer unsicherer wird, bis es beinahe komplett verschwindet.
