14: Unsere Freiheit

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„Das war eine dumme Idee", murmelte ich und nähte die offene Wunde zu, um sie anschließend in weiße Mullbinden zu packen.

„Aber sie funktioniert", gab Gareth von sich und half seinem Rudelmitglied auf die Beine. „Der Kerl liefert uns, wie vereinbart, Informationen zu den Standorten der übrigen Jäger. Wäre er nicht gewesen, hätten sie das Rudel im Zentrum unserer Gebiete überrascht und wahrscheinlich einige von den jüngeren Wölfen getötet."

„Und du bringst täglich mindestens einen verletzten Werwolf in die Tierarztpraxis." Ich streifte mir die Gummihandschuhe von den Fingern und wusch mir die Hände, während er mich beäugte. „Irgendwann stellen die Leute Fragen, warum ich hier Menschen behandle."

„So wie du damals Fragen gestallt hast?" Gareth lehnte sich an die Wand und öffnete die Arme. „Bereust du diese Fragen oder die Antworten, die du bekommen hast?"

„Vermutlich nicht."

Ich drehte ihm den Rücken zu und wartete. Leise Schritte näherten sich mir von hinten und nicht einmal eine Sekunde später hatte er seine Arme um mich geschlungen. Sein Knurren ähnelte dem Schnurren einer Katze und brachte seine Brust in Vibration.

„Du hast mich also gerne in deiner Nähe?", wollte er wissen und ich spürte seine Nasenspitze in meinem Nacken. „Ich kann dich auch für deine Hilfe entlohnen."

Ich stieß mich von ihm und funkelte ihn an. „Ich will kein Geld von dir."

„Was willst du dann?"

„Hm, lass mich mal überlegen ..." Als ich in seinem Rücken stand, zuckten seine Hände und er verlagerte sein Gewicht. „Wir könnten damit anfangen, dass du deine verletzten Rudelmitglieder nicht mitten am Tag hierher schleppst."

„Aber ich habe die Hintertür genommen", sagte er entschuldigend und wandte sich mir zu. Das Grinsen, das sich auf seine Lippen stahl, verriet seinen Scherz. Aber er hielt nicht lange an. „Trotz all der Unannehmlichkeiten und Hindernisse geht unser gewagter Plan auf."

„Fragt sich nur, wie lange die Zusammenarbeit mit Keith gut geht."

„Denkst du, er könnte uns verraten?"

Ich schüttelte den Kopf, obgleich er eigentlich derjenige sein müsste, der die Vertrauenswürdigkeit eines Menschen einschätzen konnte.

„Nein, Keith ist noch immer unsicher und erschreckt sich sogar, wenn ich ihm auf dem Flur begegne oder in seine Gespräche mit Gina platze."

„Das ist gut."

„Nein, ist es nicht", widersprach ich ihm und prüfte, ob die Tür zum Behandlungszimmer auch wirklich verschlossen war. „Ängstliche Menschen machen dumme Fehler."

„Aber es ist gut, dass er sich mehr vor Utopia fürchtet als vor uns. So weiß ich, dass er dir nichts antun wird, solange er sich von uns einen Hauch Sicherheit verspricht."

Ein Klopfen unterbrach ihn und kaum öffnete ich den Mund, hatte Gareth den anderen Mann über die Schulter geworfen und verschwand in den Hinterhof.

Seufzend schloss ich die Zimmertür auf und rieb mir die Stirn bis zu den Augen.

„Mona, du siehst blass aus", bemerkte Gina und schlängelte sich an mir vorbei. „Was hast du hier alleine, hinter verschlossenen Türen gemacht?"

„Ein Nickerchen." Ich deutete auf den heruntergefahrenen Behandlungstisch, auf dem eben noch ein verletzter Werwolf gesessen hatte.

„Du bist jetzt eine richtige Tierärztin." Sie lachte und tätschelte mich etwas zu fest. „Das heißt, dass du dich nicht mehr wie unser Küken benehmen kannst, junge Dame." Obwohl sie sich bemühte, streng zu klingen, steckte sie mir einen Schokoriegel zu. „Und nun los, die Arbeit erledigt sich nicht im Schlaf."

Claws of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt