Die dicke Standuhr am Ende des Wohnzimmers zeigte fünf Uhr morgens an. War das schon früher Morgen? Diese Zeiger hypnotisierten mich. Jedes Ticken schürte meine Magenschmerzen und jeder Gong ließ mich aufschrecken. Keine meiner Uni-Prüfungen hatte mich so nervös gemacht wie das Warten auf die Werwölfe.
Das war die Wahrheit, denn die Verletzungen, mit denen die Werwölfe von ihren Streifzügen und Jagden zurückkehrten, machten mir weitaus mehr Angst. Denn obwohl ihre Wundheilung besser war als die der Menschen, reichten die Wunden oftmals noch bis tief ins Fleisch oder bis auf den Knochen, wenn sie bei mir ankamen.
Um sieben Uhr streunte ich vor der Hütte herum, behielt die Schotterwege und den Waldrand fest im Blick. Das immer grüne Meer brach auf und meine Befürchtungen verpufften, als zwei riesige Wölfe zwischen den Bäumen auftauchten. Damian und Kathleen. Kurz darauf trabte Ryan aus dem Wald, in seinem Kiefer baumelte ein Junge.
„Ihr habt ihn gefunden? Was ist passiert?", wollte ich wissen und hielt Kathleen noch in der Haustür auf. „Wo ist Gareth?"
Die weiße Wölfin senkte den Kopf und schloss die Augen, während die anderen uns verließen.
„Ist ihm etwas passiert? Joshua lebt, oder?"
Mit wenigen, langen Schritten verschwand sie im Haus. Ihr Licht erfüllte den Flur und floss über die Terrasse bis an meine Füße.
Dann stand sie vor mir und bat mich herein.
„Gareth ist verletzt, aber er wird es überleben", erklärte sie mir und schob mich zu einem Stuhl im Esszimmer. „Joshua geht es den Umständen entsprechend gut. Er hat nach einem der Cato gesucht und ihn gefunden, weil er eine schreckliche Verbindung zu ihm hat."
„Was verbindet sie?"
„Joshua ist in Utopia geboren und aufgewachsen." Sie nahm sich ein Handtuch von der Spüle und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Augen leuchteten rot. „Dieser Cato, Maxwell, er ist sein Vater."
Mir blieb der Fluch im Halse stecken. Auch Kathleen haderte mit sich und den Enthüllungen. Ihre Hände zitterten und sie rieb sich eilig über die Hosenbeine.
„Er ist Joshuas Erzeuger, mehr nicht. Ein widerwertiger Kerl. Erst zeugte er ein Kind, dann brachte er die Mutter um und behielt ihr Herz. Er schleppte es mit sich herum, als wir ihn fanden. Joshua hat ihn aufspüren können, weil dieser Mistkerl das Herz seiner Mutter wie ein Schmuckstück trug."
„Joshua konnte ihr Herz spüren?"
„Anscheinend." Seufzend lehnte sie sich zurück. „Während wir perplex dastanden, hat Gareth gehandelt und hat den Cato gefangen genommen. Damit sind wir einen entscheidenden Schritt weiter im Kampf gegen Utopia. Es war also ein guter Tag. Ein guter Tag."
„Alle sind wohlauf", bestätigte ich sie und hielt mich am Türknauf fest. „Wo ist Gareth?
„In einem unserer alten Verstecke. Wir konnten den Cato unmöglich hierher bringen." Ihr Blick wanderte zur Treppe und in Gedanken sah sie sicherlich ihre Tochter, die in ihrem Kinderzimmer schlief. Natürlich hatten sie ihren schlimmsten Feind nicht in ihr Zuhause gebracht.
„Kannst du mich zu Gareth bringen?"
„Das wäre keine gute Idee", erwiderte sie und drückte mich hinunter auf einen der Stühle. Schweiß perlte von ihrer Stirn und sie schaute an mir vorbei. „Er verarbeitet gerade die Tatsache, dass Joshua uns nicht verraten hat, obwohl er bis zum Schluss daran geglaubt hat. Außerdem ist er verletzt, braucht Ruhe. Sobald er wieder fit ist, wird er zurückkommen, also mach dir keine Sorgen."
„Ich soll mir also keine Sorgen machen?" Etwas zu schnell sprang ich von meinem Stuhl auf und sah sie direkt an. „Würdest du dir keine Sorgen machen, wenn Ryan verletzt in irgendeinem Versteck mit eurem größten Feind sitzt?"

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Claws of the North
Hombres Lobo~ Side Story von "Paws on Glass" ~ Er versucht, Utopia ein für alle Mal auszuschalten und geht über Leichen. Allein hat er sich auf die Suche nach den letzten Jägern und Wissenschaftlern dieser Untergrundorganisation gemacht. Als sein Weg den von Mo...