Keith brachte mich in seinem Auto in die Stadt, die ein ungewöhnlicher Ort für ein geheimes Treffen war. Ich hatte mit einem alten Lagerhaus am Rande der Zivilisation oder einer Waldhütte gerechnet, wie die, in die Gareth mich damals verschleppt hatte. Allerdings hielten wir vor einer Diskothek, die am Vormittag natürlich noch geschlossen war. Nun ja, sie war für die meisten Leute geschlossen, uns machte jedoch ein Mann auf, der die Kapuze seines dicken Pullovers bis über sein Kinn trug.
Als er sich umschaute, ob uns jemand gefolgt war, wusste ich auch warum: Sein Gesicht sah aus, als hätte es jemand einmal durch den Fleischwolf gedreht. Die Augen standen schräg, er schielte und die Nase saß viel zu weit oben. Unter- und Oberkiefer passten nicht aufeinander und das, was ich fälschlicherweise für sein Kinn gehalten hatte, musste mal ein Wangenknochen gewesen sein, der nicht an seinem angedachten Platz geblieben war. Kurz gesagt: Er war einer der Mutanten, die den Cato schützen.
Im Inneren der Disco roch es nach Schweiß und Alkohol, ein Ort, an dem die Sonne nie schien. Keith ging schnurstracks in eines der Hinterzimmer und ich schlängelte mich an dem Mutanten, der uns aufgemacht hatte, und dem, der sich neben diesen reihte, vorbei.
Meine Hand in meiner Jackentasche strich über den Chip. Ich betete nicht oft, doch in diesem Augenblick betete ich zu allen Gottheiten, die mich hören konnten, dass die Werwölfe dem GPS-Signal folgten und es in dieser Diskothek keine Störsender oder ähnliche unsichtbare Technik gab.
„Wer ist sie?", wollte ein Kerl mit Schultern so breit wie ein Schrank wissen. „Weiß der Cato, dass du eine Außenseiterin mitbringst?"
Keith nickte und öffnete die Tür, wartete jedoch nicht auf mich. In dem Hinterzimmer saß ein ergrauter Mann in einem Schaukelstuhl und qualmte eine Zigarre. Es roch nach feuchter Erde und frischen Pilzen, besser als der Schweißgeruch.
Der Cato stieß grauen Rauch aus und musterte uns lautlos.
„Das ist Mona, von der ich Ihnen berichtet hatte", entgegnete Keith auf eine unausgesprochene Frage. „Sie war bei den Werwölfen, hat sich aber mir angeschlossen."
„Ist das so?" Die dunklen Augen des Alten fixierten mich. „Niemand hält sich grundlos bei den Werwölfen auf. Diese Biester sind vorsichtig. Sie lassen nicht jeden in ihre Nähe."
„Sie hat einem von ihnen geholfen", führte Keith an. „Aber sie hat die Seite der Menschen gewählt."
„Eine weise Entscheidung." Mit einem Ruck stieß er sich vom Stuhl ab, der einige Male hin und her schaukelte. „Was hat dich zu den Werwölfen gebracht? Sie sind lebende Legenden, nichts, was man auf der Straße findet und dann behält."
„Sie hat für Mayhew gearbeitet."
„Ah ja, Mayhew. Eine große Enttäuschung für uns, hat sich nie für unsere Arbeit begeistern können und dennoch die Vorteile genossen." Mit einer Leichtigkeit, die nicht zu seiner stämmigen Statur passte, warf er die Zigarre auf den Boden und trat sie im Gehen aus. „Mona, möchtest du auch die Vorteile genießen?"
Ich nickte eilig, vielleicht sogar zu eilig.
„Was kannst du uns im Gegenzug anbieten?"
Dass sich das Gespräch zu einem offenen Tauschhandel entwickeln würde, hatte ich mir nicht vorstellen können und nun stand ich hier, bekam die Lippen nicht auseinander. Ich musste den Cato hinhalten, aber wie? Keine Panik, auf diese Situation hatten mich Gareth und die anderen vorbereitet.
„Ich weiß, wo sich die Werwölfe verstecken. Neben ihrem Zuhause haben sie noch ein Versteck, in dem sie Gefangene unterbringen. Keith sagte, dass Ihr Kollege verschwunden sei. Eventuell wird er in diesem Versteck festgehalten."
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Claws of the North
Werewolf~ Side Story von "Paws on Glass" ~ Er versucht, Utopia ein für alle Mal auszuschalten und geht über Leichen. Allein hat er sich auf die Suche nach den letzten Jägern und Wissenschaftlern dieser Untergrundorganisation gemacht. Als sein Weg den von Mo...