4: Unsichere Annährungen

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„Ich bin Mona." Meine Stimme brach in der Mitte des Satzes ab und kletterte zwei Oktaven höher, als ich meinen eigenen Namen aussprach.

Gareth reichte mir erneut seine Hand, die ich zögernd annahm. Meine Beine fühlten sich wabbelig an. Vor allem die Treppe stellte eine Herausforderung für mich dar und ich fragte mich, wer von uns beiden eine offene Wunde im Bauch hatte.

„Also Gareth, woher kommst du?"

„Aus dem Norden." Er wandte sich mir zu und mahlte mit den Kiefern. „Du willst wirklich keine Fragen zu der gestrigen Wunde stellen, die sich von allein geschlossen hat?"

Der Wille, ihn mit Fragen zu überhäufen, brannte in mir, doch ich schüttelte den Kopf und blieb lieber unwissend, bis ich einschätzen konnte, wer dieser nicht mehr ganz so fremde Mann vor mir war. Außerdem ärgerte es mich, dass ich nicht wusste, wo wir uns befanden. Er hatte mich in eine Hütte im Nirgendwo verschleppt und mein Handy befand sich noch in meiner Jackentasche. Genauer war es in der Jacke, die blutig und zerknüllt im Eingang der Hütte lag.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, zerwühlte Gareth meine den Stoffknödel und warf mir mein Handy zu. „Die Jacke werde ich waschen", meinte er beiläufig und ich folgte ihm zurück in die Küche. „Aber nicht hier."

„Du wirst meine Jacke also mitnehmen und irgendwo im Norden waschen?", hakte ich skeptisch nach. Allmählich machte mir diese seltsame Unterhaltung Spaß. „Wie komme ich nach Hause?" Ich schaltete mein Handy an und es trudelten keine Nachrichten ein, weil ich hier keinen Empfang hatte. „Ohne eine Adresse brauche ich nicht versuchen, ein Taxi zu rufen."

Ein dunkles Lachen schallte vom Tresen, auf dem er sich mit beiden Händen abstützte, zu mir herüber. „Bist du schon einmal Motorrad gefahren?"

„Sehe ich so aus, als würde ich Motorrad fahren?" Ich schmunzelte und kam ihm näher. „Ich schaffe es gerade so, mit dem Fahrrad in keine Hecken zu fahren, da sollte ich die Finger von allerlei motorisierten Gefährten lassen."

Sein Blick ließ mich taumeln. Auf einmal verpuffte die Freundlichkeit unseres Gespräches und er verzog das Gesicht, als hätte ich seine Gefühle verletzt, weil ich zu ungeschickt war, um auf zwei Rädern zu fahren. Allerdings galt dieser kalte Blick nicht oder nicht nur mir, denn sobald ich zurückgewichen war, starrte er aus einem der Fenster in den Wald.

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand an diese Waldhütte heranschlich? Ich kniff mir in die Seite und stellte mir eine Gegenfrage: Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, auf einem Friedhof entführt zu werden?

„W... Was ist los?", fragte ich im Flüsterton.

Sein Kopf schnellte zu mir und nach zwei Schritten stand er vor meiner Nase. Die rechte Hand legte er sachte auf meine Schulter und schob mich von der Haustür weg, die erste Treppenstufe hinauf.

„Nur Leute, die mich ungefragt verfolgen."

Er öffnete die Haustür, schloss sie hastig hinter sich und ließ mich allein.

Ich horchte in die Stille hinein. Die Bodendielen knarzten. Die gesamte Hütte knarzte und ich bildete mir ein, hinter den Wänden das Trappeln kleiner Mäusepfoten zu hören.

Ein mächtiges Heulen schallte aus der Ferne und rappelte gegen die Tür. Ich zuckte zusammen, klammerte mich am Geländer der Treppe fest, um nicht mit den Füßen voraus herunter zu fallen. Gab es in diesen Wälder Wölfe? Ich rieb mir die Nase. Sicher lebten in diesen weitläufigen Wäldern Füchse, Wölfe und Luxe, eventuell sogar der eine oder andere Bär.

„Gareth?", flüsterte ich und rutschte die Stufen auf dem Hinterteil herunter. Sollte ich mir Sorgen machen? Sollte ich weglaufen?

Ich fühlte mich, als wäre ich eben aufgewacht, orientierungslos, betrunken und trotzdem schien alles in Ordnung zu sein.

Claws of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt