Prolog - "Der Rock ist viel zu kurz!!"

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Dies ist ein gemeinsames Projekt von @kawasaski und mir. Wir werden uns mit den Kapiteln abwechseln. Dennoch laden wir alle Kapitel auf beiden Accounts hoch... viel Spaß beim Lesen! :)


***


Missmutig verließ Keara ihr Zimmer. Sie zupfte unzufrieden an ihrem Rock. „Luna, das geht so nicht!", jammerte sie, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Bereits den ganzen Morgen führte sie mit ihrer Mitbewohnerin eine Diskussion über das ideale Outfit für ihren ersten Tag als Lehrerin ihrer eigenen Klasse. Sie liebte die Wilhelm-Busch-Schule. Bereits vier Monate durfte sie die Schule schon ihren Arbeitsplatz nennen. Ihr Lehramtstudium hatte sie zu der kleinen Grundschule in der Mitte Frankfurts geführt, welche an ihr altes Gymnasium anschloss. Hier hatte sie ihr Praktikum begonnen und schon bald ihre eigene Klasse angeboten bekommen.

Heute war es also soweit. Sie würde endlich ihre eigene Klasse unterrichten dürfen. Sie war sich noch immer nicht sicher, ob sie dieser Aufgabe gewappnet war, aber der Personalmangel und die Lobpreisungen des Direktors, Herr Hais, hatten sie hierher geführt. Nun gab es kein Zurück mehr.

Als ob sie nicht schon aufgeregt genug war, sie hatte ausgerechnet diese Woche ihr Lieblingskleid verlegen müssen. Nun stand sie vor ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin Luna und zeigte an sich herab. „Der Rock ist viel zu kurz!", protestierte sie gegen das blöde Ding. Sie wusste, dass es ihre beste Freundin nur gutgemeint hatte, als sie sagte, dass sie ihr das schönste Outfit ihres Kleiderschranks zur Verfügung stellen würde. Da hatte Keara aber auch noch nicht gewusst, wie aufreizend dieser schwarze Minirock an ihr aussehen würde. Sie hatte eben einen vollkommen anderen Kleidungsstil, als Luna.

Diese sah sie unbeeindruckt an. „Willst du mich verarschen? Du siehst heiß aus!" Sie zwinkerte ihr zu und widmete sich dann wieder dem Fernseher, welcher sie bereits seit heute Morgen um fünf zu unterhalten schien. Wie konnte die Frau eigentlich so wenig schlafen und dabei niemals müde sein?

Keara stemmte die Hände in die Hüften. „Dir ist schon bewusst, was du da gerade gesagt hast? Ich habe heute einen wichtigen Tag in der Schule. In einer Grundschule, um genau zu sein. Da kann ich doch wohl kaum aussehen, wie ein Partyhäschen!" Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Das war eine Katastrophe! Wieso hatte sie sich nicht schon früher um ein passendes Kleid oder einen Hosenanzug bemüht?

Luna verdrehte genervt die Augen. „Partyhäschen?" Sie stellte endlich die Tasse Kaffee beiseite, die sie die ganze Zeit umklammert hatte und stand dann auf. „Komm mit!" Sie packte ihre beste Freundin am Handgelenk und zerrte sie mit in ihr Schlafzimmer. Neben ihrem Bett lag ein unordentlicher – immens großer – Stapel an Klamotten, den sie durchwühlte.

Keara sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie war ewig nicht mehr in diesem Zimmer gewesen. Jetzt wusste sie auch wieder, weshalb. Sie konnte mit Unordnung nicht umgehen. Sie ertrug sie einfach nicht. Deshalb räumte und putzte sie ihrer Mitbewohnerin auch bereits seit drei stolzen Jahren hinterher.

„Hier!" Luna strecke ihr ein geblümtes Kleid entgegen. „Ich weiß, das sieht ein wenig kurz aus, aber du bist ja auch um einiges kleiner als ich."

Skeptisch blickte Keara zwischen ihr und dem Kleiderstapel hin und her. „Ist es denn... gewaschen?"

„Natürlich!" Luna verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser Stapel Klamotten hat nur einfach nicht mehr in meinen Kleiderschrank gepasst."

Unsicher roch Keara an dem Stück Stoff in ihren Händen. Ihre beste Freundin hatte wohl Recht. Es roch zumindest frisch. Also zog sich die angehende Lehrerin nun zum dritten Mal an diesem Morgen um. Sie hoffte inständig, dass sie nicht ausgerechnet heute zu spät kam. Doch sie hatte absichtlich einen Puffer eingebaut – für eben solche Fälle. Manchmal reichte aber auch das nicht aus. Gott sei Dank war sie heute schon vor ihrem Wecker aufgestanden. Von dem Puffer wäre nun nichts mehr übrig.

„Tada!", rief Keara sogleich aus, als sie aus dem Badezimmer zurückkam. Tatsächlich schmeichelte das schwarze Kleid mit den lila-violetten Blüten ihrem Körper perfekt, ohne zu viel zu zeigen. Sie war begeistert. „Du bist ein Genie!", plapperte sie weiter. „Meine Modeikone, meine Rettung, meine-"

„Pscht!", zischte Luna sogleich und unterbrach ihren Redeschwall. „Du glaubst nicht, wer gerade in den Nachrichten ist!"

Wie jeden Morgen schien es ihre Mitbewohnerin sich zur Aufgabe gemacht zu haben das Morgenmagazin zu schauen. Hier wurden eher nicht relevante Themen behandelt, das Wort „Nachrichten" war daher ein wenig überzogen. Doch bei ihrem Tonfall wurde Keara hellhörig.

Sie würden doch nicht etwa schon wieder über ihn reden? Luna regelte die Lautstärke nach oben.

„...laut Zeugenaussagen sei der Frontmann der Gruppe Hells Kitten als erstes auf sein Opfer losgegangen. Diese Videoaufnahmen zeigen den Musiker, wie er gerade auf den unschuldigen Jungen einschlägt." Eine Aufnahme wurde abgespielt, sie war hochkant und von schlechter Qualität. Man konnte nicht viel sehen, aber Keara erkannte ihn sofort an seiner Körperhaltung. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Er holte aus und schlug dem blonden Jungen direkt ins Gesicht. Sie schlug sich die Hände vor dem Mund zusammen. „Oh Gott, der Arme."

Als nächstes wurde eine überschminkte Dame gezeigt, die ihren Superstar in Schutz nahm. Sie erzählte etwas davon, dass sie nicht glaubte, dass er der erste war, der angegriffen hatte. Er würde so etwas ja niemals tun.

Keara wandte ihren Blick vom Bildschirm ab. Dieser Groupie kannte den Leadsänger und Gitarrist ihrer Lieblingsband eben nicht so gut, wie sie. Adrian war die Pest. Sie war gemeinsam mit ihm zur Schule gegangen und er hatte sie bis zum Abschluss hin schikaniert. Sie verabscheute diesen angeblichen „Charmeur".

Luna pfiff durch die Zähne. „Endlich muss er auch mal was einstecken. Wird auch mal Zeit."
Die Medien berichteten für gewöhnlich immer nur gut von ihm. Keara hatte das immer krank gemacht. Sie hätte sich also freuen sollen, dass sein wahres „Ich" nun auch endlich mal vor der Kamera in Erscheinung trat. Aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich kein bisschen erleichtert oder verstanden durch diesen Bericht.

Schnell verbannte sie alles Gesehene aus ihren Gedanken. „Ich muss jetzt zur Schule.", erinnerte sie ihre Mitbewohnerin und warf ihr einen Apfel zu. „Damit du mal was anderes isst, als immer nur Eis und Chips."

Luna verdrehte die Augen. „Ja, Mama.", murrte sie sarkastisch und biss dann in den Apfel.

Währenddessen war Keara bereits gedanklich in der Schule. Sie hatte eine eigene Klasse, die auf sie wartete und sie hatte gemeinsam mit Direktor Hais ein Benefizkonzert zu planen, welches auf dem Schulgelände stattfinden würde. Sie hatte schon erste Gerüchte über eine Band gehört, die sich wohl angemeldet hatte. Sie hoffte inständig, dass die Musiker nicht solche Volldeppen waren wie Adrian oder Jacky Whiskey, wie er sich mittlerweile nannte. Wer hatte sich diesen bescheuerten Namen nur ausgedacht?!

Your Lips Are Venomous PoisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt