Kapitel 2 - Adrian Vollhonk Kitten Blah

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Keara straffte ihre Schultern. Sie hatte heute Morgen genügend Gedanken an Adrian Möchtegernrockstar verschwendet und wollte sich nun endlich auf ihren ersten offiziellen Arbeitstag mit eigener Klasse konzentrieren. Sie liebte die Wilhelm-Busch-Schule. Es handelte sich bei dem Gebäude um einen Altbau. Die Holzdielen knarrten unter ihren Füßen, weshalb sie eigentlich immer mit einem Strahlen hierher kam.

Auch heute strahlte sie also bis über das ganze Gesicht, als sie das Lehrerzimmer betrat. Sie balancierte mit aller Macht die Bücher und Hefte aus, welche sie fest an ihren Körper gedrückt hielt. Sie konnte spüren, wie eines der Bücher ihr entglitt. Sie hielt Inne und versuchte das Buch irgendwie mit ihrem Knie weiter nach oben zu befördern, ohne dabei ihr Kleid zu weit anzuheben. Mit einem Pusten beförderte sie eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass ihr niemand Beachtung zu schenken schien. Das war auf der einen Seite ein wenig traurig, half ihr allerdings auch, weil so niemand ihr tollpatschiges Auftreten mitverfolgen konnte. Mit kleinen, aber schnellen Schritten huschte sie also zum nächsten Tisch und legte dort ihre Unterlagen ab. Sie atmete tief durch. Eine Tasse Tee würde ihre aufgeregte Seele sicherlich beruhigen, dachte sie im Stillen.

Als die angehende Lehrerin zu einem der Hängeschränke lief, hörte sie Getuschel. Es war tatsächlich üblich, dass die Lehrer der Wilhelm-Busch-Schule bald mehr flüsterten und tuschelten, als es die Schüler taten. Immerhin mussten sie aufpassen, dass die jungen Öhrchen der Kinder nichts aufschnappten, was nicht jugendfrei war. So hatte Keara selbst schon Gerüchte darüber gehört, dass Frau Klee, die verheiratet und schwanger war, angeblich eine Affäre mit dem Hausmeister haben sollte. Absurd das ganze, doch Keara nahm es sich nicht heraus zu urteilen. Vielleicht war an den Gerüchten ja auch gar nichts dran. Und selbst wenn, so ging es sie nichts an. Ihr tat in diesem Fall nur der arme Ehemann und werdende Vater leid... sollte dieser wirklich der leibliche Vater sein.

Heute nahm sich Keara einen Beutel Pfefferminztee. Er half ihr immer, wenn sie eine ihrer Schokoladenfressattacken hatte. Wieso sollte er also auch nicht sonst die Nerven beruhigen können? Als sie den Beutel in der Tasse hin und her bewegte, versuchte sie ein wenig zu lauschen. Leider verstand sie zu wenig. Sie wusste nur, dass ihre Kollegen über das Benefizkonzert sprachen und von einer angeblich skandalösen Band, die auf dem Fest spielen sollte. Unbewusst legte Keara die Stirn in Falten. Bitte nicht noch so eine Trottelband, dachte sie sich und verließ das Lehrerzimmer wieder.

Auf dem Gang ging es dann weiter mit dem Getuschel. Nun waren es Schüler, die aufgeregt hin und herliefen und einander etwas über das anstehende Benefizkonzert ins Ohr flüsterten. Gab es denn etwas, von dem sie nichts wusste? Herr Hais und sie planten doch das Konzert. Sie kümmerten sich um die Organisation. Da konnte es doch unmöglich sein, dass selbst ihre Schüler schon wieder mehr wussten, als sie... oder?

Keara schüttelte die Gedanken an dieses Konzert übergangsweise ab. Sie musste sich nun auf andere Dinge konzentrieren. Sie musste ihren neuen Schreibtischpult einrichten, sich Gedanken über die Klassensprecherwahl ihrer Kleinen machen und über die Sitzordnung. Sie hoffte, dass sie eine nette Klasse hatte, die sich ohne viel Widerrede an das hielt, was man ihr sagte. Sie hoffte es so sehr! Alles andere wäre anstrengend, aber auch eine Herausforderung. Keara würde es nehmen, wie es kam. Trotzdem wünschte sie sich natürlich eine nette Klasse. Sie wollte einen Draht zu ihren Schülern haben und mit ihnen auch unbeschwert über private Dinge reden können.

Am Ende des Ganges blieb Keara dann vor der letzten Tür stehen. Raum 17 – das musste es sein. Hier war sie richtig. Sie drückte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Holztür und sah in einen leeren Raum. Sie atmete erleichtert durch. Gut, sie war die erste. Sie lief zu ihrem Pult und stellte ihren Tee ab. Ihre Ordner und Mappen legte sie daneben.

Your Lips Are Venomous PoisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt