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Wir saßen im Auto, die honigsanfte Stimme Andrew Strongs quoll durch die Lautsprecher geradewegs in mein Herz hinein. Ihre Hände lagen auf dem Steuerrad, aber ihre Augen fixierten etwas zwischen Straße und Frontscheibe. Glasig, so nannte ich ihren Blick. Müde, aber auf die Weise, wie ein kleines Kind müde ist. Unwissend, bis der Schlaf sie von hinten packte und mit sich riss. Mitternachtsblaue Farbe ließ ihr Gesicht krank aussehen. Der Lippenstift hatte sich mit der Foundation gemischt, ihr war es egal. Sie sah perfekt aus, wie immer, aber ich konnte die metaphorisch zerrissenen Flügel beinahe an ihren Schulterblättern sehen. Die Leute nannten es Absturz, wenn man sich betrunken und bewusstlos an einen Baum im Park lehnt und erst am nächsten Morgen registriert, wo man ist. Und ich wusste, dass es bei ihr genauso sein würde. In dem Moment, wo sie am folgenden Tag die Augen aufschlug, prasselten die spärlichen Erinnerungen auf ihre Zartheit ein. Sie würde nach den Flügeln tasten und merken, dass die kaputt waren. Nichts, was man nicht retten könnte. Aber nach einer Reihe an Nächten würden sie sich endgültig verabschieden. Dann wäre sie normal, nicht mehr umgeben von der rosaroten Wolke an Verliebtheit. Und mir wurde jetzt schon klar, dass ich trotzdem bei ihr bleiben würde. Genauso, wie ich wusste, dass sie mich mit sich reißen würde. Dass sie eine Zeitbombe war, nicht zu sich stehen könnte. Früher oder später würde alles um sie herum in Schutt und Asche gelegt werden. 

-sie-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt