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Wieder einmal hatte ich meinen Vater angelogen. Hatte ihm gesagt, ich würde mich mit Leonie treffen. Dabei musste ich ihn noch einmal sehen. Ich war zu Samuel gegangen. Wollte ihn noch einmal sehen, seine weiche Stimme noch einmal hören und seine Berührungen noch ein letztes Mal spüren. Und jetzt lag ich hier in seinen Armen und hatte den wohl schönsten und zärtlichsten Sex überhaupt gehabt. Sein Gesicht vergrub sich in meinem Haare und seine Arme und Beine hielten mich umschlungen, als würde er mich nie wieder gehen lassen wollen. Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber das war es nicht. Genau das musste ich ihm klar machen. Wahrscheinlich war es egoistisch von mir gewesen, hierher zu kommen nur um ihn noch ein letztes Mal zu sehen. Doch ich konnte nicht anders.

"Samuel?" Ich stupste ihn leicht gegen seine Hüfte.

"Hmnh?" Er öffnete seine Augen und lächelte mich an. Ich begann zu weinen und starrte ins nichts. Ich konnte ihm jetzt nicht in die Augen sehen. Ich wollte nicht sehen, wie er von mir enttäuscht war.

"Wir sollten uns nicht mehr sehen", sagte ich und gab alles dafür, damit meine Stimme nicht zitterte.

Zu meiner Überraschung lachte er. Dachte er ich machte Witze?

"Und wieso sollten wir uns nicht mehr sehen?"

"Weil du dich nicht in mich verlieben darfst." Für einen Moment herrschte eisige Stille in dem gemütlichen Wohnzimmer. In dem Raum, in dem wir uns vor wenigen Minuten noch geliebt hatten. Und das hatten wir wirklich.

Wieder begann Samuel zu lachen. Es war ein böses, gehässiges Lachen. "Wer redet denn von Liebe? Wir schlafen doch nur miteinander."

Zwei Sätze. Zwei Sätze die so hart kamen, dass alles in mir zerbrach. Mein Herz zersplitterte in Millionen von Einzelteilen. Hatte ich mich so in ihm getäuscht? War ich wirklich nie mehr für ihn gewesen als ein Fick? Konnte er mich so gut täuschen?

"Gut, dass du das genauso siehst." Ich schlug die Decke zurück, zog mich an und versuchte ihn nicht anzusehen. Denn dann würde ich alles rückgänig machen. Ich würde ihm sagen was Sache war, dass ich ihn liebte und ihn brauchte. Das er gerade jetzt in der kommenden Zeit für mich da sein musste. Seine Liebe zu mir mich stärken musste. Aber ich sah ihn nicht an und ich sagte nichts. Er ebenso nicht. Während ich in den Flur trat und die Haustür öffnete, hörte ich wie etwas gegen die Wand geworfen wurde. Ich zuckte zusammen, ließ den Tränen freien Lauf und rannte durch den Regen zur nächsten Bushaltestelle.

Bevor du gehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt