Chapter 4

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Sie hatten recht. Beide. Miranda und Gus. Das Haus war schön. Genauso wie der Vorgarten. Die vielen Blumenarten reckten sich mir förmlich entgegen, als ich davorstand, so als würden sie flüstern "Komm rein! Komm rein! Bei uns kann dir nichts passieren! Hier bist du sicher!". Aber warum sollten sie das? Es waren nur Blumen, die sich nach der Sonne sehnten. Keine sprechenden, keine magischen. Hoffte ich. Ich stellte mir vor wie es wäre, wenn Blumen sprechen könnten. Ich würde jedes Mal, wenn ich in mein Haus wollte, von ihnen angesprochen, vielleicht aufgehalten. Müsste jedes Mal ein Gespräch mit ihnen führen, ihren Wünschen und Bedürfnissen nachgehen, da sie sich ja nicht bewegen konnten. Vielleicht die ein oder andere umsetzen, weil ihr der Platz nicht mehr gefällt. Wenn die eine dann böse ist und Unkraut ansetzt, muss ich sie vielleicht sogar töten, damit der Rest am Leben bleibt.

Ein Schauer fuhr mir den Rücken hinunter. Nein, es war gut, dass wenigstens diese Geschöpfe nicht reden konnten. Ich musterte das Haus. Die Fassade bröckelte leicht und an ein paar Stellen müsste neu gestrichen werden. An den hohen Fenstern konnte man dank dem guten Sonnenlicht erkennen, dass schon lange nicht mehr geputzt wurde. Auf dem Dach fehlten ein paar Ziegel, die Dachrinne tropfte auf den kleinen Kiesweg, der durch das Wirrwarr aus Pflanzen hindurchführte. Die Laternen neben der Tür waren kaputt geschlagen, so als hätte sich jemand über die Bewohner des Hauses geärgert und es ihnen so heimzahlen wollen.

Das Problem war nur, dass hier niemand lebte. Keiner, laut Gus. Zumindest nicht offiziell. Wenn man den Aussagen der Nachbarn trauen konnte, meinte er, spukte es in diesem Haus. Anscheinend wurde schon öfter ein Schatten hinter den Fenstern gesehen und ab und zu stand die Tür sperrangelweit offen, obwohl niemand auch nur in ihre Nähe gekommen war. Gus hatte es untersuchen wollen, den Gedanken aber schnell wieder verworfen, da es seiner Meinung nach nicht sein Recht war, in anderen Leuten Häusern herumzustöbern.

Er hatte mir das System der Häuser und deren Vergabe genau erklärt, trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden hatte. Angeblich lebten immer drei Generationen der selben Familie in einem Haus. Wenn es keine nächste Generation gab, wurden die Gebäude in zwei geteilt und eine andere Familie zog dort ein. Man konnte nicht umziehen oder jemand anderen bei sich leben lassen, ohne die Erlaubnis vom Tod höchstpersönlich zu bekommen. Die Menschen konnten in diesem Reich ihr altes Leben zuende leben, bis sie wieder verschwanden und auf der Erde neu geboren wurden. Der Tod hatte diese Welt extra so gestaltet, dass junge Leute wie Daisy und ich ein wenig länger in unseren Körpern blieben. So wurden auch nicht zu viele Menschen auf einmal geboren.

Leichter Wind fuhr durch meine Haare. Es hatte trotz der genauen Wegbeschreibung von sämtlichen Leuten auf der Straße ewig gedauert, bis ich das Haus gefunden hatte. Eine dünne Gasse, an der ich davor zigmal vorbeigelaufen bin, hatte von der großen Einkaufsstraße, wo auch Gus' Laden lag, abgezweigt und in eine weitere riesengroße Straße gemündet, bei der ich ganz ans Ende laufen musste. Zumindest dachte ich das. Denn bis ich da war, waren mehrere Stunden vergangen, meine Beine taten weh und ich hatte die Orientierung komplett verloren.

Sobald ich das Gebäude dann allerdings gesehen hatte, hatte ich Freudentänze im Inneren ausgeführt. Ich hatte es gefunden. Mein neues Zuhause. Blätter flogen an mir vorbei. Es war menschenleer. Die Leute hier hatten anscheinend noch nicht gemerkt, dass jemand neues einzog. Prunkvolle Villen standen an dieser versteckten Straße, weshalb ich mich wunderte, dass ich hierhin ziehen sollte.

Es passte nicht zu mir oder meiner Familie in großen Häusern zu leben. Wir hatten immer schon kleine Wohnungen gemietet, in denen wir uns bestens aus dem Weg gehen konnten und uns nicht die Köpfe einschlugen, wie so viele das bei sich behaupteten. Wir hatten einfach nur zusammen gelebt und waren zufrieden gewesen damit. Ich seufzte, als ich daran dachte. Das war alles Vergangenheit. Wir werden das nie wieder tun. Zumindest nicht im richtigen Leben. Betrübt ließ ich die Schultern hängen. Wie lange es wohl dauern wird, bis meine Eltern und Thea hierher kommen? Sosehr ich mir auch wünschte sie wiederzusehen, den Tod hatten sie nicht verdient. Ach und du schon oder wie?

Dead DaysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt