Die Lage von Gus' Laden war einfach perfekt. Vorne hatte er den Hauptplatz mit dem riesigen Brunnen und der Einkaufsstraße und hinten war dieser wunderschöne Ausblick über fast ganz Stormbrooke. Der Wind fuhr mir durch meine Haarmähne, sodass ich den Kopf zur Seite drehen musste um sie wieder hinter meine Ohren zu streichen. Für den Augenblick einer Sekunde glaubte ich etwas zwischen den Wolken zu sehen. Etwas großes. Größer als Stormbrooke. Es überragte es förmlich. Dann war es wieder weg. Die Wolken zogen sich zusammen. Die Sonne verschwand langsam ebenfalls hinter einer besonders Großen. Es fing an zu tröpfeln.
Nicht wirklich epicht darauf nass zu werden, kehrte ich um, schloss das Fenster und ging wieder zurück zu Daisy. Gus war bei ihr und reichte ihr gerade Tee. Der Kamin gegenüber vom Sofa leuchtete und spendete angenehme Wärme. Ich quetschte mich neben Daisy auf die Couch und zog ein bisschen Decke zu mir herüber. Noch leicht verschlafen lehnte sie sich gegen mich. Gus beobachtete das alles mit einem Schmunzeln im Gesicht und reichte mir dann ebenfalls eine Tasse. Es war doch leicht frisch geworden hier drinnen und so konnte man den Dampf erkennen, der aus dem Getränk empor stieg.
Ich kuschelte mich tiefer in die Decke und nippte am Tee. Sobald ich spürte, wie das heiße Gebräu durch meinen Körper floss und ihn von innen erwärmte, fragte ich: "Was ist dieses große Gebäude am Ende der Stadt? Gehört das auch jemandem?" Gus fing an, nervös auf seinem Sessel herumzurutschen. Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich hob er aber doch den Kopf. "Das was du gesehen hast, war das Anwesen des Todes." Er machte eine dramatische Pause. "Ich kann dir nicht viel davon erzählen, aber er hat in jeder der fünf Städte so eins. Es ist riesig und keiner darf es betreten. Der, der es tut wird bestraft."
Schauer liefen mir den Rücken hinunter. Ich spürte wie Daisy sich fester an mich drückte. Stimmt, vielleicht sollten wir das nicht hier besprechen. Gus schien den Anflug der Angst der Kleinen ebenfalls mitbekommen zu haben, denn er hörte auf zu erzählen und brabbelte weiter über die schönen Spielplätze und die gute Nachbarschaft hier in der Gegend. Aber das hielt mich nicht davon ab nachzudenken. Über das Haus des Todes. So wie es aussah, hatte Gus mächtigen Respekt davor und das zurecht. Wollte der Tod seine Macht demonstrieren und hatte deshalb in jeder Stadt ein Anwesen? Oder war ihm einfach nur langweilig? Wollte er den Menschen Angst einjagen? Denn das hatte er geschafft.
Selbst ich, die dieses Haus nur aus der Ferne gesehen hatte, hatte Respekt, obwohl es nur ein Haus war. In meiner Vorstellung standen im Garten verweste Bäume, das Gras war abgebrannt und die Wände verkohlt. Eine dicke schwarze Mauer umgab den Rasen und ein düsterer Pfad, gesäumt mit Gräbern am Rand, führte zu der Tür, die ins Innere dieses gruseligen Hauses führte. Was da wohl drinnen sein mag? Ich schüttelte mich. Am besten ich komme nie in die Nähe dieses Gebäudes.
Daisy neben mir lachte. Anscheinend hatte Gus sie wieder aufmuntern können. Um mich abzulenken fiel ich mit ein in ihr Gespräch über Giraffen mit Elefantenrüsseln und so quatschten wir den restlichen Tag über belanglose Themen und amüsierten uns dabei prächtig, wobei meine Gedanken nicht ein einziges Mal mehr zu unserem aktuellem Problem schweiften.
Ich schlief unruhig. Die ganze Nacht wälzte ich mich auf der provisorisch eingerichteten Matratze hin und her und fand keinen Schlaf. Wenn ich dann kurz mal die Augen schloss, geisterten mir Bilder von Blutbädern in London, Rosen, die mich mit ihren Dornen aufschlitzten und einer Person, eingehüllt in einen schwarzen Lederumhang und einer Sense in der Hand in meinem Kopf herum. Zuallerletzt war da noch diese eine Gestalt, die durch den Flur huschte und mich schließlich umbrachte auf brutalste Weise.
Ich schoss hoch. Mein Atem ging schnell und ich war schweißnass, trotz der Kälte im Hinterzimmer. Traum. Es war nur ein Traum. Langsam beruhigte ich mich wieder. Durch die Fenster fiel das Licht der Straßenlaternen. Ich stand auf und bewegte mich auf Daisy zu. Ihre Decke war verrutscht und sie zitterte leicht. Ich schob ihr die Decke wieder über die Schultern und strich ihr einmal über das Gesicht. Es war weich und erinnerte mich wieder daran, dass sie noch so jung gestorben war. Sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt. Ich überlegte.
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Dead Days
Fantasy》Mein Atem wurde immer weniger. Meine Augenlider wogen Tonnen. Nein Seraphina! Du schläfst jetzt nicht ein! Bleib wach!, ermahnte ich mich selbst. Aber es war so schwer... Mit verschleiertem Blick beobachtete ich meine Eltern und meine Schwester. Im...