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Jimin Pov

Dicke Regentropfen prasseln laut auf Fensterscheiben. Der Regen rinnt plätschernd die Strassen hinunter, sammelt sich in grossen Pfützen auf dem dunklen Asphalt. Die kalte Luft riecht nach Abgasen und Teer.

Ich ziehe meinen gelben Mantel enger um mich und eile schlotternd von der Uni nach Hause. Der Wind zerrt an meiner Kleidung und an meinem Schirm, an welchen ich mich mit eisigen Fingern klammere. Ich habe mal wieder den Bus verpasst und beschlossen den ganzen Weg zu Fuss zu gehen. Dass sich über mir bereits Unmengen an dunklen Wolken versammelten, als ich die Uni verliess, habe ich geflissentlich ignoriert, was sich als grossen Fehler herausstellte.

Ein kleines Mädchen rennt quietschend an mir vorbei und hüpft mit ihren orangefarbenen Gummistiefeln kichernd in eine Pfütze. Die Beine meiner blauen Jeans sind inzwischen so durchweicht, dass sie mir klamm an der Haut kleben. Ein Auto rauscht an mir vorbei und durchnässt auch noch die letzten Zentimeter trockener Kleidung. Eigentlich könnte ich mir den Regenschirm sparen.

Blitze zucken über den dunklen Himmel und erhellen für einen Moment die grauen Gassen. Dumpfes Donnergrollen. Ich falte den Regenschirm zusammen. Der bringt mir eh nichts mehr, so durchnässt, wie ich bin. Ausserdem bin ich bei dem Wind, ohne Schirm eh schneller.

Ich beginne zu rennen. Der Regen prasselt mir ungehindert ins Gesicht und verschleiert mir die Sicht. Ich stolpere über meine eigenen Füsse und pralle in eine Wand aus Muskeln. Ich stolpere zurück und verliere nun endgültig das Gleichgewicht. Bevor ich auf dem Boden aufkomme, greifen grosse Hände nach mir und stellen mich wieder auf die Füsse.

Verblüfft wische ich mir den Regen aus dem Gesicht und schaue zu dem dunkel gekleideten Mann auf. Der Ansatz einer Narbe blitzt unter seinem Ärmel hervor. Eine goldene Uhr ziert sein Handgelenk, er trägt einen schwarzen, langen Mantel.

Er scheint nicht viel älter als ich zu sein, honigbraune Haut, ein freundliches Lächeln, welches kleine Grübchen zum Vorschein bringt. »Alles klar bei dir?» Seine Stimme klingt tief und rau. In seinem Blick liegt erkennen, als wüsste er wer ich bin. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter.

«Entschuldigung», murmle ich verlegen und laufe schnell weiter. Der Mann ist mir unheimlich. Dieses, auf den ersten Blick, gütige Lächeln war falsch, es lag Kälte darin. Seine dunklen Augen wirkten müde, als hätte er schon viel zu viele schreckliche Dinge gesehen. Ich schüttle den Kopf. Bestimmt habe ich mir das bloss eingebildet.

Einige Meter Weiter kauert Yoongi am Boden. Ich erkenne ihn schon von weitem, selbst bei diesem Regen. Ich winke ihm, doch er sieht mich nicht. Statt, dass er seinen Regenschirm über sich selbst hält, schützt er damit eine kleine Kartonschachtel vor dem Regen. Ich hinterfrage sein Handeln gar nicht erst, laufe zu ihm und öffne meinen Schirm über seinem Kopf.

Er blickt fragend zu mir auf, in seinen dunklen Wimpern haben sich Regentropfen verfangen und Wassertropfen rinnen aus seinem durchnässten Haar über seine Stirn. «Wenn du schon mal hier bist, kannst du mir auch gleich helfen.» Yoongi deutet auf die kleine Box unter seinem Schirm. Er hebt den Deckel leicht an und zum Vorschein kommt ein kleines, graues Fellknäuel mit strahlend blauen Augen.

«Ein Kätzchen? Wir können es nicht einfach hier draussen lassen, bei dem Wetter. Was machen wir damit?» frage ich und hebe das Kätzchen aus der inzwischen durchweichten Kartonkiste. Abgesehen von einem schmutzigen Tuch war die Kiste leer.

«Wenn es niemandem gehört, behalte ich es.» Yoongi steht auf, hält sich seinen Schirm über den Kopf und nimmt mir das Kätzchen aus dem Arm. «Lass uns rein gehen.» Er geht zur Haustür und angelt umständlich mit links seinen Schlüssel aus der Jackentasche, in der anderen Hand das kleine Fellknäuel.

Wir stapfen die Treppen hoch, unsere Schuhsolen quietschen bei jedem Schritt. Oben angekommen, hängen wir erst mal unsere nassen Sachen auf. Ich mache Tee, während Yoongi im Internet nach einem Tierarzt sucht und einen Termin vereinbart. Kookie kommt von der Arbeit und stürzt sich gleich quietschend auf das kleine Kätzchen. Die beiden scheinen sich prächtig zu verstehen und tollen miteinander auf dem Boden herum.

Eine Wurmkur und einige Impfungen später sitzen wir zu viert auf dem Wohnzimmerboden und schauen Tony, dem Kater, beim Spielen zu. «Und wir dürfen ihn echt behalten?» Tae zieht zweifelnd eine Augenbraue in die Höhe. «Der Tierarzt meinte, wir sollen Zettel aufhängen und wenn sich niemand meldet, kann Tony bei uns bleiben. Er wurde wahrscheinlich eh ausgesetzt und seine Besitzer wollen ihn gar nicht.» Es versetzte mir einen Stich, aber so wie die Kiste ausgesehen hatte, war Tony, wo er hergekommen war, nicht sonderlich erwünscht gewesen.

Kookie blickte traurig auf das kleine Fellknäuel und rollte ihm den roten Ball zu, welchen Tae noch irgendwo hervorgekramt hatte. «Wir sollten Katzenfutter und ein Katzenkloh kaufen. Wahrscheinlich gibt es auch noch andere Dinge, die Tony braucht.» Tae spielt gedankenverloren an Kookies Kapuzenpulli.

«Ich hab Tony gefunden, also ist das dann wohl mein Job.» Yoongi steht auf und zieht sich Jacke und Schuhe an. Kookie gibt einen protestierenden Lauf von sich, wendet sich dann aber doch lieber wieder dem grauen Kater zu. Tae vergräbt lächelnd seine Nase in Kookies Pulli. Jungkooks Wangen färben sich rot. Ich wackle vielsagend mit en Augenbrauen, woraufhin Kookies Wangen sich noch dunkler färben. Verlegen greift er nach dem kleinen Kater und zieht ihn auf seinen Schoss.

Yoongi verschwindet grusslos. Der Regen hat inzwischen etwas nachgelassen und prasselt nicht mehr ganz so laut gegen die Fensterscheiben.

CaramelMacchiatoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt