Minho PoV
Mit einem leisen "Hallo", das eigentlich nicht wirklich so klang, als ob es an mich gerichtet war, würde ich am nächsten Tag von meiner Tante zum Mittagessen begrüßt.
"Hi.", antwortete ich knapp, setzte mich auf meinen Platz und begann zu essen.
"Wie war die Schule?", fragte sie.
"Gut."
Eine unangenehme Stille entstand, doch wir ignorierten sie. Inzwischen waren wir dieses Schweigen vermutlich beide schon gewohnt.
"Sag mal... Was kann man machen, um jemandem zu gefallen?", unterbrach ich die Stille. Vielleicht hatte sie noch ein paar Tipps übrig, die mir bei Jisung weiterhelfen würden, auch wenn wir normalerweise nicht über so etwas redeten. Wir redeten nie über irgendwas.
"Aww du hast dich verliebt. Wie süß. Da hab ich ein paar gute Ratschläge für dich: Wenn sie etwas an ihren Haaren gemacht hat oder ein anderes Make up trägt, sprich sie darauf an. Dadurch merkt sie, dass du dir dir kleinen Dinge merkst. Mach ihr Komplimente. Schenk ihr keine Blumen, wenn ihr nicht zusammen seid. Das kommt super seltsam rüber. Unternimm stattdessen etwas mit ihr, was ihr Spaß machen könnte. Geht Schlittschuhfahren, shoppen, in ein kleines Restaurant sowas halt. Nur nicht ins Kino. Mach etwas, wobei sie mit dir redet und dich ansieht. Wie heißt sie denn? Was mag sie so?"
"Jisung.", antwortete ich und ließ sie damit einfach in der Annahme, dass er ein Mädchen war. Schließlich kannte ich auch Mädchen, die so hießen. "Und Schlittschuhfahren klingt lustig. Vielleicht machen wir das bald mal. Danke für die Ratschläge."
"Ist doch kein Problem. Aber du musst sie mir auch irgendwann vorstellen."
Oh nein. Ganz bestimmt nicht.
"Ja, klar.", antwortete ich und aß weiter. "Aber erstmal will ich sicher sein, dass wir uns gut verstehen und so."
"Ist sie eigentlich eher so der niedliche Typ oder eher so wie du?", fragte sie weiter.
"Niedlich. Ein wenig naiv aber wirklich süß."
Es verwunderte mich selbst, wie natürlich mir Komplimente über den Jungen inzwischen über meine Lippen kamen, egal ob vor Changbin, meiner Tante oder sogar vor Jisung. Es kam viel zu natürlich und das hieß nichts Gutes für mich. Ich durfte nicht anfangen ihn tatsächlich zu mögen, sonst würde mein Plan nicht aufgehen.
Nach dem Essen schrieb ich ihm einmal schnell, ob er Lust hätte, sich mit mir morgen zum Schlittschuhfahren zu treffen. Glücklicherweise sagte er mir gleich zu und schrieb mir, dass er sich schon darauf freute.
Ich freute mich tatsächlich auch ein wenig, denn jeder Tag, den ich ich nicht zu Hause verbringen musste, war ein besserer Tag. Selbst wenn ich dafür Zeit mit Jisung verbringen musste.
Vor meiner Zimmertür hörte ich ein leises Miauen, weshalb ich sofort aufstand, um sie zu öffnen. Meine Katze kam rein, lief einmal um mein Bett und sprang dann drauf.
"Du hättest auch nicht einfach von dieser Seite aus auf das Bett springen können oder, Dori?", fragte ich das kleine Fellknäul und setzte mich dann auf mein Bett. Kaum saß ich und hatte eine Decke auf meine Beine gelegt, hatte sie es sich auf meinem Schoß bequem gemacht. Ich würde also die nächsten Stunden nicht mehr aufstehen können.
Die Katze war mein Wohl treuester Begleiter und war im schlimmsten Moment meines Lebens mein einziger Halt gewesen, auch wenn sie es nicht wusste. Meine Eltern hatten sie mir zu meinem 15. Geburtstag geschenkt, weil sie der Meinung waren, dass ich bereit wäre, auf eine Katze aufzupassen und mich um sie zu kümmern und genau das tat ich auch. Meine Tante hatte eigentlich vorgehabt, sie wegzugeben, als ich zu ihr gezogen war, da sie kein großer Tier-Fan war, doch konnte es nicht übers Herz bringen, als sie sah, wie sehr ich an Dori hing.
Inzwischen hatte sie sich jedoch an sie gewöhnt und mochte sie ebenfalls, worüber ich sehr froh war, denn sie war alles, was mir von meinen Eltern geblieben ist. Der Rest war in Flammen aufgegangen und ich hatte es mit ansehen müssen. Ich hatte sehen müssen, wie unser Haus vor meinen Augen nieder brannte und die verkohlten Leichen meiner Eltern aus den Trümmern gezogen wurden. Ich hatte den Abend bei Changbin verbracht und als ich zurück kam, war nichts mehr so wie zuvor.
In diesem Moment war die Katze, die von einem ihrer Streifzüge zurück gekommen war, mein größter Trost. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie mein 16-jähriges Ich auf der Kante des Rettungswagen saß und sich mit Dori im Arm die Augen ausheulte. Zwar wusste sie nicht, was genau passiert war, doch ich war mir sicher, dass sie gemerkt hatte, dass etwas nicht gestimmt hat und deshalb auf mich aufpassen wollte.
"Ja, mein kleiner Schatz... Du passt immer auf mich auf...", meinte ich leise und begann Dori zu kraulen, weshalb sie zufrieden schnurrte. "Ich hab dich lieb."
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Nothing Left || Minsung
Fiksi Penggemar[I don't want to have everything. I want him to have nothing.] Han Jisung hatte alles, was Lee Minho sich jemals wünschen konnte. Doch würde er nie verstehen, wie sehr Minho das Leben des anderen zugleich begehrte und verfluchte. Start: 210203 Ende...