numb › ziall

☍ Ten

Und immer noch schien die Zeit erdrückend. Den Blonden erinnerte es an die Routine. Matthew würde ihn wohlmöglich nie in Frieden lassen und auch seine Mutter würde es nie packen, mit ihm zu verschwinden.

Niall kämpfte jeden Tag, sowie er es schon immer getan hatte, doch trotzdem schien etwas zu fehlen. Zayn hatte all dieses Leiden so klein wirken lassen. Wann immer er gelächelt hatte, waren schlechte Noten, blaue Flecken oder negative Gedanken wie unwichtige Seifenblasen zerplatzt. Neben Zayn schien die Welt so klein, so unnütz. Er hätte mit Zayn sogar über all die Qualen lachen können. Sie wären ihm so irrelevant vorgekommen. Denn was interessierte schon eine gebrochene Nase oder zwei gebrochene Rippen, wenn Zayn da war?

"Niall, Schätzchen, schön dich hier zu sehen.", kaum hatte der Blondschopf die kleine Schulbibliothek betreten, lugte schon der Kopf der alten Dame hinter dem viel zu hohen hölzernen Tresen hervor.

"Auch schön Sie zu sehen, Mrs. Hastings.", Niall lächelte und in diesem Moment wurde ihm klar, wie sehr er diesen Ort doch eigentlich vermisst hatte. Es schien eine Ewigkeit her, seitdem er hier gewesen war - umgeben von vergilbten Seiten und alten Büchern, die ihren ganz eigenen Duft besaßen, von dem schwarzen Leder, der abgeranzten Sessel und Sofas, welche hier standen, damit Schüler auch Platz nehmen konnten und von dieser beruhigenden, wundervollen Stille, welche stets in der kleinen Schulbibliothek herrschte.

Und doch waren es nur drei Wochen gewesen. Insgesamt drei Wochen, in denen er auf sich gestellt war und in denen Zayn nun gefehlt hatte. Drei Wochen, die sich bereits anfühlten wie drei Monate.

Niall bemerkte, dass dies eine schrecklich lange und einsame Zeit war, wenn man diese mit sich selbst verbrachte. Wenn drei Wochen voller Einsamkeit und Isolation sich wie drei Monate anfühlten, wie würde sich dann wohl ein ganzes einsames Leben anfühlen?

"Wie geht es dir?", die alte Dame lächelte ihm warm zu und dieses einfache Lächeln hätte jede Kugel Schokoladeneis zum Schmelzen bringen können. Ihre große Brille rutschte ihr ab und zu von der Nase und es war ein Anblick, der wohlmöglich jeden zum Lächeln gebracht hätte. Sie hatte diese liebliche Ausstrahlung und trotz ihres Alters gehörte sie immer noch zu den großartigsten Menschen, die Niall kannte. Es gab alte Menschen, die über all die Zeit verbittert worden waren, deren Herz zu schrumpfen schien, doch Mrs. Hastings war ganz anders.

"Gut.", er war ein elender Lügner.

Weiter ging das Gespräch nicht, da die alte Dame einen Anruf entgegen nehmen musste und so machte sich der Blonde wieder allein auf den Weg. Er durchforstete die Bücherregale, welche zugestellt waren mit dicken, dünnen, alten sowie als auch neuen Büchern und mit dem Zeigefinger strich er die unterschiedlichen Bücherrücken entlang. An einem - ihm nur allzu bekannten - Buch blieb er plötzlich stehen und holte es vorsichtig aus seinem ursprünglichen Platz. Der Verlust des Buches ließ ein paar Bücher daneben zur Seite kippen, doch dies schien den Jungen nicht sonderlich zu stören.

Allein der Autor des Buches entlockte ihm ein Lächeln, doch gleichzeitig erinnerte es ihn an Zayn.

Er nahm es mit sich und ließ sich anschließend in dem dunklen Leder einer kleinen Couch innerhalb der Bibliothek nieder. Das alte Material sackte etwas unter seinem Gewicht in sich zusammen, doch das Ausmaß war nur minimal.

Mit der Fingerkuppe strich er über die schwarzen Buchstaben auf dem Einband und betrachtete das Bild, welches ihm schon damals so gefallen hatte. In breiten, gut erkennbaren Buchstaben präsentierte sich der Titel 'Paper Towns' und im Mittelpunkt des Bildes stand eine rote Stecknadel, welche mit der Spitze in das Papier einer Landkarte stach.

Es war von John Green.

Niall würde wohlmöglich nie von diesem großartigen Autor loskommen.

Er hatte dieses Buch schon so oft gelesen, doch trotzdem kam es ihm immer wieder vor, als wäre es das erste Mal - nunja, vielleicht war es nicht mehr ganz so fantastisch wie beim Ersten Mal, aber trotzdem genoss er es.