☍ Sixteen

778 91 16
                                    

Ging er ihm aus dem Weg? Zayn hatte dieses unwohle Gefühl und es schien sich Mal für Mal nur mehr zu bestätigen.

Er kreuzte recht selten im Unterricht auf, doch immer hin öfters als in der kleinen Schulbibliothek. Er sah ihm nicht in die Augen, wenn sie sich im Gang begegneten, auch hob er seinen Kopf nur kaum merklich, wann immer Zayn versuchte, Antworten aus ihm herauszukriegen. Er log, verdammt, ja, er hatte ständig eine Notlüge parat, doch Zayns liebste war immer noch 'Es ist nichts'. Er saß nicht mit ihm an einem Tisch, während Louis und Harry den lauwarmen Schulfraß inhalierten. Er gab ihm keine Antworten, verschwand immer wieder mit einer neuen Ausrede - ja, er ging ihm aus dem Weg.

Wusste Zayn warum? Nein. Würde Niall es ihm verraten? Vermutlich nicht.

Zayn versuchte, er versuchte und versuchte. Doch wusste er was bei Niall vor sich ging? Er konnte nur nachfragen. Alles, was er konnte, war zu versuchen. Er versuchte, Niall in die Augen zu sehen, denn vielleicht -nur vielleicht- würden sie ja für den blonden Jungen sprechen. Er versuchte, ihn zu studieren, beobachtete ihn im Gang, während Massen an Schülern sich durch den Weg drängelten, um noch rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Herrgott, er versuchte es doch, nur verblieb er stets ohne Erfolg.

Und Niall? Die Pausen verbrachte er größenteils in den Toiletten der Jungen. Kein wahrlich schöner Ort, um zur Ruhe zu kommen, das war auch ihm klar -vor allem wenn die Kerle, die am Pinkelbecken standen, sich lauthals über irgendwelche 'total abgefahrenden' Geschichten unterhielten-, aber es bot ihm ein wenig Platz zum Denken und vielleicht ab und zu auch die Möglichkeit, die stillen Tränen nicht aufhalten zu müssen.

Er ließ den Unterricht auch ab und zu ausfallen. Warum? Vielleicht sah er sich nicht in der Lage, sich irgendwelche stinklangweiligen Lektüren anhören zu müssen. Vielleicht jedoch, wollte er nur noch etwas mehr Zeit zum Denken finden.

Mehr Zeit, das war es. Zeit zum Atmen, zum Weinen und Schreien. Er wollte sich sicher sein, dass er noch am Leben war. Ab und zu spürte er nichts, er war wie taub, verlassen von jeglichem Gefühl. Dies waren die Tage, an denen er nur förmlich das Brennen in seinen Augen spüren wollte. Er wollte nur irgendetwas fühlen und der Schmerz war ihm so vertraut, ließ ihn so lebendig fühlen, dass er nur so die Sehnsucht in seiner Brust spürte, wenn die Tage einmal wieder grau wurden. Er hatte nichts gegen die Tränen, die er Mal für Mal fallen ließ für seine Liebe und er hatte nichts gegen das Stechen in seinem Herzen, wann immer er Zayn sah und ihm erneut im Stich ließ. Es war besser so, das sagte er sich. Er hatte genug angerichtet.

-

So vergingen Tage - nein, es waren Wochen gewesen. Distanziert, träge und kühl.

Eine Zeit voller entschuldigender Blicke, nie trocknender Tränen, voller karger Worte, die jedoch Mal zu Mal weniger wurden, und voller Kummer - oh, so voller Kummer.

Zayn hielt es nicht mehr aus. Er drohte zu zerbrechen, spürte den Druck und den Frust in seiner Brust, wie er sich aufbäumte und ihn fast zerdrückte. In ihm kochte und flimmerte es, es machte ihn verrückt. Er wollte Niall berühren, ihn lieben, ihn küssen. Er wollte ihn lächeln sehen, ihn lachen hören. Er wollte doch nur, dass es so war wie vorher - wenn nicht, sogar ein Stück besser. Konnte das Leid dieser Welt nicht einfach verschwinden? Es sollte sie in Ruhe lassen. Er würde den Blonden in einer Seifenblase fangen, so dass nichts mehr an ihn herankäme, er nie wieder Schaden nähme.

"Niall."

Er würde ihn bei der Hand nehmen, ihre Finger in einander verknoten und verschwinden. Die Koffer packen, alles Geld einstecken, das er besaß und das Weite suchen, nur mit seiner Liebe an seiner Seite.

"Niall, bitte, rede mit mir."

Wäre das nicht wundervoll? Ein Leben ohne Sorgen? Ohne Angst? Er würde Niall alles geben, würde ihn lieben, wie es nie jemand tun könnte. Und wenn er Platz brauchte, so würde er ihm Platz schaffen. Wenn er beunruhigt war, so würde Zayn jeden Zweifel, jede Furcht vertreiben. Er würde ihn mit federleichten Küssen im Morgen wecken und am Abend wieder in den Schlaf wiegen. Er würde ihm alles geben.

"Ich flehe dich an."

Niemals würde dies wahr werden.

"Verdammt, Niall!", Zayn griff nach dem Handgelenk des Blonden, so dass dieser ihm direkt in die Augen sah. Sie sahen trüb aus, wie ein See im Nebel.

"Bitte.", die Tränen versuchte er nicht einmal aufzuhalten. Niall sollte sehen, wie es ihm erging, er sollte das gebrochene Flehen hören, er sollte das Selbe spüren, begreifen, was er für den Schwarzhaarigen bedeutete.

"Ich kann nicht, Zayn.", beinahe verschluckte er sich an den Worten, die ihm seicht und leise über die Zunge rollten. Ein Kloß in seinem Hals, der kaum zu ignorieren war und ein Ziehen in seinem Herzen bei dem Anblick seines Gegenübers. Ach so wunderschönes Gesicht bestickt mit kleinen Tränen, die kullerten und durchnässten.

"Warum nicht?", auch Niall stieg die salzig brennende Flüssigkeit in die Augen und sie ließ Zayn verschwommen wirken.

"Ich - Er hat gesagt, er verletzt dich, okay? Er meinte, er tut dir weh und ich kann das nicht zulassen. Ich könnte mir doch niemals verzeihen, wenn dir Leid zugefügt wird und es zusätzlich auch noch meine Schuld ist!", es war ein einziges Gewirr aus Schluchzen und Worten, die Zayn nicht verstand. Er wollte nachhaken, das wollte er wirklich, doch Niall kam ihm zuvor.

"Es ist besser wenn -", der Blonde brauchte einen Moment, bevor er fortfahren konnte; "ich mich von dir fernhalte. Das ist das Beste für dich. Ich habe genug ruiniert und ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt.", es waren Worte voller Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Zayn verstand die Welt nicht mehr.

"Es tut mir Leid, dass ich alles kaputt gemacht habe und noch viel mehr tut mir Leid, dass ich dich so kaputt gemacht habe. Vergiss' nur ... vergiss' nur nie, dass ich dich liebe.", ein letztes Mal presste Niall seine Lippen auf die seines Geliebten, der Kuss völlig verzerrt und doch so klar und stark, das Herz schwer und in einzelnen Scherben.

Er schmeckte nach Reue, nach salzigen Tränen und auch die süße Note des Abschieds traf Zayn wie ein Schlag in die Magengrube. Fühlte es sich tatsächlich so an? Abschied? Als würden all die tausenden Falter in seinem Bauch sich schlafen legen, wenn nicht sogar sterben?

War dies der letzte Kuss? Das erste und auch das letzte 'ich liebe dich'? Die letzten Worte? Die letzte Chance ihn zu berühren, ihn so nah bei sich zu spüren?

Zayn wollte sich nicht verabschieden. Er wollte den Blonden nicht gehen sehen. Und doch sah er ihm dabei zu, wie er verschwand. Er sah ihm hinterher, wie er den Gang entlang lief, alles leer und nur er dort - mit seinem Rucksack auf der Schulter und dem Kopf geknickt hängend. Er hörte sein leises Schniefen, ja, er hörte, wie sein Herz zerbrach.

Das war es also, das Ende. Früher als erwartet. Trauriger als gedacht. Und doch nicht annehmbar.

Ein Flüstern. Ein letztes Flüstern.

"Ich liebe dich auch, Niall."


numb  › ziallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt