☍ Eighteen

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Sie sahen einander an. Ihre Blicke fest verankert und plötzlich setzte Zayns Herz aus, bevor es wieder zu schlagen begann.

Niall sah so fremd aus und doch spürte der Ältere die Wärme und Geborgenheit des Jungen, ohne ihn dabei berühren zu müssen. Sein Haar ein cremiges Blond, wild und verwuschelt. Die bleichen Strähnen lagen in einem einzigen Chaos. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen und Zayn fragte sich, ob ihn all das auch wachhielt des nachts, ob ihn der fehlende Kontakt auch bis in die Morgenstunden verfolgte.

Nun lächelte Niall und in diesem Moment fiel Zayn die aufgeplatzte Unterlippe des Anderen auf, tiefrot als würde sie immer noch bluten. Zayn wollte weinen. Er wusste, dies war das Werk eines Anderen und trotzdem brachte er sich nicht dazu, zu fragen, wer genau es gewesen sei. Er sah ihn nur an - von seinen gläsernen blauen Augen bis hin zu seinem rechten Schlüsselbein, welches scharf aus der hellen Haut ragte. Er schien jedes Detail förmlich aufzusaugen und, ja, er hatte ihn vermisst. Er hatte regelrecht die Sehnsucht in sich schwellen hören, sein Verlangen lodern spüren. Und nun saß der Blonde hier, direkt vor ihm, als hätte sich nie etwas geändert.

Und auch wenn das Lächeln Zayn zu trügen schien, wusste dieser, dass vieles anders war und einiges unerzählt blieb. Und er wusste, dass Niall ihm Wichtiges verschwieg und dass er eigentlich hätte sauer sein sollen, denn Monate ließ der Jüngere ihn stehen ohne Antworten oder generell ohne jegliches Wort und nun saß er ihm gegenüber und er lächelte und Zayn wollte weinen, wollte ihn anschreien, ihn fragen was er sich eigentlich dabei gedacht hatte, doch kein Mucks verließ seine vollen Lippen und kein Sinn ergaben all seine Gedanken, die wild durcheinander brausten, als müssen sie entfliehen.

Allmählich verschwand das Lächeln des Blonden wieder und er selbst verspürte dieses Gefühl, völlig fehl am Platz zu sein. Alles ein Fehler, dachte er sich. Du hättest umdrehen sollen, schrien ihn die Stimmen in seinem Kopf zu.

"Wie-", er musste einmal Schlucken, um den störenden Kloß aus seinem Hals zu bekommen. Seine Stimme zitterte und klang mickrig, als hätte er für eine längere Zeit kein Wort gesprochen. "Wie geht es ... Louis und Harry?"

Zayn sah ihn an, keine Emotion erkennbar auf seinem müden Gesicht. Er spürte, wie es in seinem Magen flau wurde und ein mulmiges, scheußliches Gefühl brodelte in seinem Bauch.

Monate war nichts passiert. Niall hatte sich Monate nicht für ihn interessiert, hatte nicht mal gewagt zu fragen, wie es ihm eigentlich erging. Er hatte ihn mit einem Kuss zurückgelassen - einem einzigen Kuss, der Zayn immer noch fragen ließ, wie lang der Sauerstoff für ihn reichte, bevor er ihn endgültig erstickte. Ein letzter Kuss, in dem so viel Reue steckte, dass sie Zayn wie in ein Loch zu ziehen schien. Ein Kuss, der Zayn mit einem Verlangen nach weiteren zurückließ.

Zayn wollte ihn küssen - herrgott, er wollte seine Süße schmecken, seine Haut berühren, ihn bei sich spüren.

Und auch wenn Niall zu greifen nah war, war er dennoch so weit entfernt und Zayn hätte vor Frustration aufschreien können.

"Gut, schätze ich.", seine Stimme klang kalt, ganz und gar nicht wie sie hätte klingen sollen. Alles falsch, redete sich Niall in Gedanken zu. Alles falsch, wiederholte er immer und immer wieder in seinem Kopf.

"Gut.", es folgte eine unangenehme Stille, eine Stille, die wie zu schreien und Niall zu betäuben schien.

Zayn sah auf sein Buch, strich mit den Fingern nervös den Einband entlang. Worte, die er hätte sagen können, spukten in seinem Kopf, ließen ihn beinahe durchdrehen und er spürte wie ein unerträgliches Stechen seinen Schädel durchzog.

"Und ... wie geht es dir?", Niall sah Zayn an und in diesem einen Moment rutschte ihm das Herz bis in die Hose, der Sauerstoff schien ihn beinahe zu erdrosseln.

Zayn weinte. Er weinte und Niall wusste, es war seine Schuld. Alles seine Schuld.

"Zayn-", der Blonde wollte seine Hand austrecken und ihn beruhigen, doch bevor sein Zeigefinger auch nur annähernd in Kontakt mit der Haut seines Gegenübers kommen konnte, hielt er inne. Er würde es nur schlimmer machen. Alles falsch, schrie es in ihm. Das ist alles falsch.

"Ich vermisse dich so sehr.", ein herzzereißendes Schluchzen verließ die Lippen des Älteren und er vergrub sein Gesicht in seinen schlotternden Händen. Er war so schwach, kam sich vor wie ein Welpe, der nur Augen für sein Herrchen hatte.

Und das reichte, um Niall brechen zu lassen. Er stand auf und ließ seinen Körper mit dem des Anderen zusammenstoßen. Er schloss ihn in seine Arme und nie zuvor hatte eine Berührung so geschmerzt wie diese, denn sie war so voller Ehrlichkeit und Sehnsucht und Liebe. Und Zayns Hände krallten sich in dem dunklen Stoff von Nialls Pullover fest, denn er hatte Angst, dass er wieder verschwinden könne, sobald er losließ und er wollte ihn so klar fühlen, wie nie zuvor, denn diese Monate hatten ein großen grauen Fleck hinterlassen und dieser galt wieder wettzumachen.

Seine Tränen ließ er frei kommen wie sie es wollten und er atmete schwer und stockend gegen Nialls Haut, denn sein Kopf lag in dessen Halsbeuge und seine Haare kitztelten den Nacken des Kleineren.

"Ich vermisse dich auch, Zayn.", und Niall meinte es so, wie er es sagte, denn nie zuvor hatte er jemanden so vermisst wie Zayn und niemals hatte er jemanden so geliebt wie ebendiesen.

"Du warst weg.", inzwischen hatte der Schwarzhaarige aufgehört zu schluchzen und seine Stimme holperte ein wenig und sie war so leise und so zaghaft, dass Niall hätte schwören können, sie wäre nichts weiter als ein Flüstern in seinem Kopf.

"Ich bin hier. Ich bin wieder hier.", auch in Nialls Augen brannten nun die Tränen, doch egal wie sehr er versuchte, sich selbst zu beherrschen, sie nicht gehen zu lassen, wurde er einfach nicht erfolgreich und so rannen sie seine Wangen hinab, tropften auf seine Hose und durchnässten diese von Zeit zu Zeit mehr.

"Bleib, Niall, bitte.", ein gebrochenes Wimmern und Niall wusste, es würde ihn festhalten.

Sie lösten sich von einander, sahen sich an.

Zayn strich mit dem Daumen über die bebende Unterlippe des Blonden und versuchte dabei, ihm nicht wehzutun. Inzwischen blutete diese nämlich erneut, da Niall darauf herumgebissen hatte.

Die Berührung leicht und einfach, ließ Schmetterlinge in den Bäuchen der beiden Jungen entfalten und ehe sie sich versahen küssten sie einander und es war ihnen egal, wer ihnen zusehen könnte, denn sie konzentrierten sich nur auf sich selbst und es war gut so.

Es schmeckte nach Blut, nach Tränen, doch es war keineswegs abstoßend - es schien den Moment nur noch intensiver zu machen und als sie sich von einander lösten, völlig außer Atem und ihren Herzen wild springend in ihrem Brustkorb, berührten sich nur ihre Nasenspitzen und der Sauerstoff vermischte sich heiß und schwer.

"Ich bleibe.", flüsterte Niall Zayn zu und auch wenn es den Älteren das Herz erwärmte, fragte er sich, ob der Jüngere sein Versprechen auch halten würde.



numb  › ziallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt