Kapitel 2
Sie starrte die Ärzte erschrocken an. So weit hatte sie nicht gedacht. Weil die Vererbung der Krankheiten von den Eltern abhing, hatte die Regierung beschlossen, Wissenschaftler einen Test bei jedem Baby durchzuführen und dann Paare zusammenzustellen, die ungefähr die gleichen deaktivierten Krankheiten hatte. Da war es nur logisch, dass sie zwei Personen mit wenigen aktiven Krankheiten bekam, die dadurch nicht nur sehr begehrt, sondern auch noch wunderschön waren. Das lag nicht an den Krankheiten, sondern an dem anderen neuen Chromosom, das durch den Virus aufgetaucht war. Das Color-Chromosom, wie es genannt wurde. Es war ein Gegenstück zu dem Xenox-Chromosom und auch in gewisser Weise damit verbunden. Denn durch jede nicht aktive Krankheit, bekam man besondere Eigenschaften. Jede Eigenschaft war mit einer bestimmten Krankheit verbunden. Wenn die Krankheit deaktiviert war, bekam man die Eigenschaft. Bei manchen ist sie stärker ausgeprägt, bei anderen weniger stark. Wieso genau das so ist, hatte man bis jetzt noch nicht feststellen können. Da es gut war, wenn man so wenig Krankheiten, wie möglich hatte, wurden diese Eigenschaften der neue Beauty-Standard. Wenn man viele der Eigenschaften hatte, wurde man als schön betrachtet. Das war es auch gewesen, woran sie erkannt hatte, dass sie alle zehn Eigenschaften hatte und damit keine einzige Krankheit. Diese Eigenschaften waren vor allem kleine Färbungen von Haut, Haar und Augen. Ihre Eigenschaften aber waren besonders stark ausgeprägt, was ihr immer einige Blicke von ihren Klassenkameraden eingebracht hatte. Die Mädchen waren zum Großteil neidisch gewesen, während die Jungs sie eher bedauernd angesehen hatte, weil sie wussten, dass sie sie nicht haben konnte. Manchen Kindern wird erzählt, wer ihre Partner sind, manchen nicht. Ihre Mutter hatte es ihr nie erzählt. Die meisten Beziehungen bestanden aus zwei Personen, manchmal aber auch aus drei. Eine Beziehung mit drei Personen wurde als der perfekte Ausgleich gesehen. Das hatten die Wissenschaftler in den letzten Jahrhunderten herausgefunden. Trotzdem sträubten sich noch viele Leute dagegen, da sie es als unnatürlich betrachten und auch als nicht von der Natur gewollt. Als ob die Natur irgendeinen Plan hätte. Ihr Eltern waren ein Beispiel für eine Beziehung aus zwei Personen. Sie selbst teilte diese Gedanken und Ideale ihrer Eltern nicht. Da sie zur neueren Generation gehörte, wurde es für sie immer leichter, das zu akzeptieren. Ähnlich zur Homosexualität im 20. und 21. Jahrhundert. Jede neue Generation wuchs in neue Vorstellungen hinein und nahm sie irgendwann als gegeben. So war es für sie kein großer Schock, dass sie nun zwei Partner haben würde. Gleichzeitig fragte sie sich, welches Geschlecht sie haben würden. Es gab alle Formen, manche Leute fühlten sich in einer Beziehung mit zwei Frauen und einem Mann wohler, manche in einer mit einer Frau und zwei Männern und manche in einer Beziehung aus drei Männern beziehungsweise drei Frauen. Auch das wurde durch einen Test ermittelt, denn anders, als man früher vermutete, lagen diese sexuellen Neigungen nicht in der Vergangenheit, sondern zu einem großen Teil in der DNA. Und diese war in den letzten Jahrhunderten erforscht worden und obwohl Wissenschaftler schon einen gar nicht so geringen Teil der menschlichen DNA begreifen konnten, so ist bleibt dieser Teil doch noch immer ein Mysterium. Aber selbst den bereits erforschten Teil hätte man sich vor dreihundert Jahren noch schwer vorstellen können. Und in der DNA hatten die Forscher auch die Information gefunden, dass sich die meisten Personen zu genau zwei anderen Personen hingezogen fühlen konnten. Deshalb gab es früher auch oft Trennungen, die nur daran lagen, dass sich eine Person zwischen zwei - eigentlich gleichwertigen Partnern - entscheiden musste. „Sie sind schon hier, sie wollten nach dir sehen. Wir sollten ihnen Bescheid geben, dass du wach bist." Sie war so in Gedanken versunken, dass sie den Arzt fast nicht gehört hätte. Sie starrte ihn ein paar Sekunden an und schüttelte dann leicht verängstigt den Kopf. Das alles ging ihr viel zu schnell. Er sah sie nur verständnisvoll an und lächelte ihr zu. „Wie heißt ihr eigentlich?", fragte sie. Die Ärzte lächelten überrascht. Sie schienen es nicht gewohnt zu sein, dass man sie das fragte. „Ich bin Miguel, das ist Samuel und das ist Henry.", meinte einer von ihnen. Dabei deutete er jeweils auf den jeweiligen Arzt. „Freut mich, ich bin Asha. Aber das wisst ihr wahrscheinlich schon." Miguel, der Chef, nickte nur lächelnd. „Wie viel Zeit ist eigentlich seit dem Unfall vergangen? Und wurde der Insasse von dem anderen Fahrzeug verletzt?", fragte sie, als ihr einfiel, dass sie noch immer nicht wusste, wie lange sie schon hier war und sie sich auch an das andere Fahrzeug erinnerte, dass sie gerammt hatte. „Du bist schon seit zwei Tagen hier und die Frau in dem anderen Fahrzeug hat überlebt. Es war viel besser gepanzert als das alte Auto, mit dem ihr gefahren seid." Sie redete die Ärzte beim Vornamen an, weil die höfliche Anrede immer seltener geworden ist im Laufe der Jahrhunderte. Sie hatte einen Nachnamen, wie jeder andere auch, aber meistens wurde sie beim Vornamen angesprochen. Der Nachname wurde nur noch verwendet, um klarzustellen, wer gemeint ist, denn es passierte häufig, dass Personen den gleichen Vornamen hatten. Oder auch um zu zeigen, zu welcher Familie man gehörten und gehört hatte. Die höfliche Anrede allerdings wurde nur noch von einzelnen alten Personen verwendet, ist aber ansonsten ganz verschwunden. Manchmal wurde man noch mit Miss oder Mister angeredet, aber ansonsten wurde alles viel persönlicher. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, Erwachsene anders anzusprechen, nur weil sie älter waren. Es war einfach umständlich und auch nicht wirklich nötig. Man achtete weniger auf Geschlecht und Alter, als auf Reife und Intelligenz. Auch die Kinder wurden unabhängig vom Alter eingeschult. Es gab einen Test, der feststellt, ab wann man reif genug für die Schule ist. Diesen Test konnte man zum ersten Mal mit vier machen und sobald man ihn besteht, geht man in die Schule. Diese dauert dann fünf Jahre und brachte einem alles bei, was man unbedingt fürs Leben braucht. Nach diesen fünf Jahren gab es einen weiteren Test, der von der Regierung oder zumindest regierungsnahen Organisationen durchgeführt wurde. Dieser ermittelte die Stärken eines Schülers in bestimmten Fachbereichen. Für jede Richtung gab es einen Test und jeder Schüler konnte frei wählen, welche Ausbildung er oder sie machen wollte, solange man eine Prozentzahl von 80% in dem Test erreicht hatte, galt man als qualifiziert genug. „Bist du soweit, dass wir deine zukünftigen Partner hereinbitten können?", fragte Samuel. Sie musste kurz darüber nachdenken, denn immerhin würde das ein sehr wichtiger Moment in ihrem Leben werden. Sie würde ihre Partner zum ersten Mal sehen. Und sie wusste auch nicht, ob sie dafür schon bereit war. Sie war erst 15 und würde ihre Partner laut der offiziellen Richtlinie erst in drei Jahren kennenlernen. Sie hatte sich also noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht, hatte keine Vorstellungen und keinen Plan. Es überforderte sie, so kurz nach einem Autounfall und dem Verlust ihrerer Eltern plötzlich ihre Partner kennenzulernen. Denn diese zwei Menschen würden für den Rest ihres Lebens an ihrer Seite sein, sie würde die beiden lieben und von den beiden geliebt werden. War sie bereit diesen Schritt zu wagen und die zwei Personen, die wahrscheinlich gerade im Wartebereich saßen, kennenzulernen? Die Antwort war ein klares Nein, sie war noch nicht bereit dazu, aber sie hatte keine Wahl. Sie könnte es höchstens um ein paar Stunden hinauszögern. Außerdem machten sich die Zwei sicher Sorgen. Sie hatte einen Unfall gehabt und war zwei Tage im Koma gelegen. Sie würde sich auch um ihre Partner sorgen, wenn sie das hören würde. Also konnte sie es durchaus nachvollziehen, dass die Ärzte nicht wollten, dass sie die beiden länger als unbedingt nötig, im Ungewissen ließ. Und wenn sie erst einmal wussten, dass sie wach war, würden sie sich nicht davon abhalten lassen, sie zu besuchen, um sich zu vergewissern, dass es ihr wirklich gut ging. Sie wollte den beiden das nicht abschlagen. Sie war gespannt, ob ihr eine Frau und ein Mann oder zwei Männer zugeteilt worden waren. Sie ging nicht davon aus, dass es es sich um zwei Frauen handeln würde, denn ihre Gene waren einzigartig und die Regierung wollte sicher, dass sie diese Gene weitervererben würde. Leider hatte ihre Mutter ihr nicht einmal die Geschlechter verraten, aber wahrscheinlich hätte sie nicht einmal dieses Wissen auf die nächsten Minuten vorbereiten können. Sie war gespannt, keine Frage. „Okay, ich bin bereit.", sagte sie und nickte Samuel zu. Dieser verließ sogleich den Raum, um den beiden Bescheid zu sagen. Sie war nervös. Ihre Hände begannen zu schwitzen. Sie würde damit klarkommen, so wie sie mit fast jeder Situation klarkam. Sie wiederholte diesen Satz in ihren Gedanken, wie ein Mantra. Doch als die Tür sich öffnete und zwei Personen hinter Samuel den Raum betraten, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf.
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World of Color - Leuchtende Tränen
Roman d'amourSie lieben es, ihre außergewöhnliche Schönheit zu betrachten und sie liebt es, von ihnen betrachtet und wertgeschätzt zu werden. Als Asha bei einem Unfall beide Eltern verliert, lernt sie früher, als erwartet ihre beiden Partner kennen, die von der...